
Beim sozialen Wohnungsbau sieht das Verbändebündnis noch viel Luft nach oben. Foto: Pixabay
Sozialer Wohnungsbau als Ampel-Illusion?
Das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ und das Pestel-Institut haben den Staat erneut aufgerufen, beim sozialen Wohnungsbau in den Krisenmodus zu schalten. Die Jahres-Zielmarke von 100.000 neu gebauten Sozialwohnungen, die sich die Bundesregierung zu Beginn der Wahlperiode – nämlich Ende letzten Jahres und damit vor der Krise – selbst gesteckt hat, drohe zur „absoluten Ampel-Illusion“ zu werden.
Deutschland brauche einen „Sozialen Akutplan Wohnen“, der sicherstellt, dass Bund und Länder bereits für 2023 eine Förderung von mindestens 12,5 Mrd. Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Das sind die Kernforderungen, die das Verbändebündnis letzte Woche in einer Pressemitteilung veröffentlicht hat. Ansonsten seien die wohnungspolitischen Ziele der Bundesregierung nicht zu erreichen. Dem Bündnis gehören der Deutsche Mieterbund, die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, aber auch der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel sowie die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau an.
Forderungen an Bund und Länder
Um Sozialwohnungen energieeffizient nach Standard Effizienzhaus 40 zu bauen, seien sogar 15,2 Mrd. Euro pro Jahr an staatlicher Förderung erforderlich. Es führe kein Weg daran vorbei, dass Bund und Länder für die Schaffung neuer Sozialwohnungen ab sofort deutlich tiefer in die Tasche greifen müssten als bislang.
Deutlich höhere staatliche Subventionen – mit einer Fördersumme von mindestens 125.000 Euro je Sozialwohnung – seien notwendig, um vor allem Preissteigerungen sowie anziehende Bauzinsen aufzufangen und einer weiteren Verunsicherung des Marktes entgegenzutreten. Es komme darauf an, jetzt den von der „Bau- Lethargie“ besonders betroffenen sozialen Wohnungsbau neu zu beleben. Notwendig seien dabei auch Sonderprogramme zur Dachaufstockung und zum Umbau von Gewerbeeinheiten zu Sozialwohnungen.
Die konkreten Forderungen der Bündnispartner basieren nicht zuletzt auf der Sonderuntersuchung zum sozialen Wohnungsbau, die das Pestel-Institut (Hannover) Anfang 2022 im Auftrag des Bündnisses veröffentlicht hat (siehe dazu den BaustoffWissen-Beitrag „Studie: Kosten der Wohnungsbauwende“). Der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther, plädiert dafür, die Länder stärker in die Pflicht zu nehmen und ihren Förderanteil beim sozialen Wohnungsbau zu erhöhen. „Bleibt es bei einem Länderanteil von lediglich 23 % bei der Förderung, dann muss allein der Bund für seinen Haushalt 2023 – je nach Energiesparvariante – zwischen 9,6 und 11,7 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Vorausgesetzt, er hält an seiner selbst gesetzten Zielmarke von 100.000 neu gebauten Sozialwohnungen pro Jahr fest“, rechnet der Institutsleiter vor.
Kollaps des sozialen Wohnungsbaus?
Steigende Preise bei Baustoffen und Bauland, anziehende Bauzinsen, drohende Lieferengpässe bei Baumaterial, dazu die generelle Ungewissheit einer Krise: Immer mehr private Bauherren, Wohnungsgesellschaften, Investoren und Projektentwickler lassen angefangene Baupläne wieder in den Schubladen verschwinden.
Pestel-Chef Günther warnt daher vor einem Kollaps des sozialen Wohnungsbaus: „Selbst kommunale, genossenschaftliche und kirchliche Wohnungsunternehmen haben den größten Teil ihrer Bauvorhaben gestoppt: Fast alles, was noch in der Planung war, haben sie auf Eis gelegt. Damit leistet das soziale Bau-Gewissen, das wir in Deutschland haben, quasi gerade einen Offenbarungseid“. Die Jahres-Zielmarke von 100.000 neu gebauten Sozialwohnungen, die sich die Bundesregierung selbst gesteckt hat, drohe zur „absoluten Ampel-Illusion“ zu werden.
Anstatt dass neue Sozialwohnungen dem Bedarf entsprechend hinzukommen, nehme ihre Anzahl tatsächlich weiter ab. Allein 2021 sei rein rechnerisch alle 19 Minuten eine Sozialwohnung vom Markt verschwunden: „Ihre Zahl sank um nahezu 27.400 auf nur noch 1.101.500 Sozialwohnungen bundesweit“, so Günther. „Um jetzt zu retten, was noch zu retten ist, muss der Bund alle Reserven mobilisieren“, mahnt der Wissenschaftler.
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