RM Rudolf Müller
29 % der Ausbildungsbetriebe haben Bewerbungsgespräche verschoben oder abgesagt.  Grafik: DIHK

29 % der Ausbildungsbetriebe haben Bewerbungsgespräche verschoben oder abgesagt.  Grafik: DIHK

Ausbildung
08. Juli 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Sieben Prozent weniger Ausbildungsplätze

Das betriebliche Ausbildungsplatzangebot wird im Corona-Jahr 2020 wohl niedriger ausfallen als 2019. Aktuell liegt es im Branchendurchschnitt gut sieben Prozent unter dem Vorjahresniveau. Das ergab einen Ausbildungsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Der DIHK hofft aber noch auf Nachholeffekte im Herbst. Und die Lage sei aktuell auch besser als vor zehn Jahren – im Krisenjahr 2009.

„Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes in diesem Krisenjahr ist schwerer abzuschätzen als in den Vorjahren“, betont der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Die aktuelle DIHK-Umfrage unter mehr als 15.000 Unternehmen könne daher nur eine Momentaufnahme sein. Sie zeige aber, dass die Pandemie ihre Spuren nicht nur im Arbeits-, sondern auch im Ausbildungsmarkt hinterlässt: Die Bewerbungsprozesse in den Betrieben seien ins Stocken geraten; vielerorts würden sich Einstellungen verzögern.

Auch wenn beispielsweise jeder vierte Ausbildungsbetrieb Gespräche über Video- und Telefonkonferenzen abwickelt, geht der DIHK davon aus, dass sich die Anbahnungsprozesse ungefähr um zwei bis drei Monate nach hinten verschoben haben. Das spiegelt sich im Ergebnis der Ausbildungsumfrage wider: Demnach liegt das betriebliche Lehrstellenangebot im Branchendurchschnitt aktuell um gut sieben Prozent unter dem Vorjahresniveau. „Gleichzeitig haben viele Unternehmen noch nicht abschließend über die Zahl ihrer Ausbildungsplätze entschieden“, stellt Dercks klar. „Das zeigt, dass die derzeitigen Vermittlungsanstrengungen, aber auch Anreize durch finanzielle Unterstützung Sinn machen.“

Anpassungen schon vor der Pandemie

   Eine große Mehrheit der Befragten wünscht die stärkere Digitalisierung der Berufsschulen. Grafik: DIHK


Eine große Mehrheit der Befragten wünscht die stärkere Digitalisierung der Berufsschulen. Grafik: DIHK

Den Rückgang der Zahlen erklärt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer vor allem mit der Covid-19-Pandemie: „Viele Betriebe sind derzeit gezwungen, auf Sicht zu fahren. Sie überdenken daher auch ihre Ausbildungsentscheidungen gründlich und verschieben bei Bedarf.“ Doch auch schon im Herbst 2019 habe sich vor allem in Teilen der Industrie eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation abgezeichnet, sodass die Unternehmen hier bereits vor der Corona-Pandemie Anpassungen vorgenommen hätten.

Dercks gibt zudem zu bedenken, dass die Betriebe ihr Ausbildungsangebot im Interesse der Fachkräftesicherung in den vergangenen Jahren stark aufgestockt haben – auf einen Höchststand 2019. Allerdings mussten sie dabei auch die Erfahrung machen, „dass sie viele ihre Plätze nicht besetzen konnten, weil es oftmals an geeigneten Bewerbern mangelte“, erinnert er. „2019 erhielten mehr als 18.000 Unternehmen keine einzige Bewerbung auf ihre angebotenen Ausbildungsplätze; rund 60.000 gemeldete Stellen blieben unbesetzt.“

Auch die gestiegene Studierneigung von Schulabgängern sei ein Faktor dafür, dass manche Unternehmen ihr Ausbildungsplatz-Angebot herunterfahren. Stattdessen greifen sie laut Dercks stärker auf Hochschulabsolventen zurück.

Lage besser als 2009

„Vergleicht man die jetzige Situation allerdings mit der im Krisenjahr 2009, zeigt sich ein besseres Bild“, betont Dercks. So würden 2020 knapp 100.000 mehr Lehrstellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet als damals – bei heute 120.000 weniger Schulabgängern.

Dercks lobt auch die Flexibilität, mit der es den Unternehmen in den letzten Wochen und Monaten gelungen sei, Azubis trotz Kontaktbeschränkungen adäquat auszubilden. Wie die Umfrage belegt, nutzten 35 % das Instrument des Homeoffice mit enger Betreuung, viele setzten digitale Kommunikationsmittel und Lernangebote ein. Eine große Mehrheit der Befragten wünscht sich auch eine stärkere Digitalisierung der Berufsschulen (siehe Grafik).

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