Arbeiter führen Straßenbauarbeiten durch, während ein LKW Asphalt auf die Straße kippt.
Für diesen Radweg in Wildpoltsweiler kam bereits Biobitumen zum Einsatz (Einbautemperatur: 110 °C). (Quelle: STRABAG)

Bauchemie 2024-12-10T08:00:00Z Asphalt: Bitumen ohne Erdöl

Die meisten deutschen Straßen haben Fahrbahndecken aus Asphalt. Als Bindemittel für die Gesteinskörnungen kommt erdölbasiertes Bitumen zum Einsatz. In einer klimaneutralen Welt wird es dieses Rückstandsprodukt aus der Rohölverarbeitung nicht mehr geben. Gehören dann auch Asphaltstraßen der Vergangenheit an? Nein, denn es gibt bereits alternative Bindemittel, die ohne Erdöl auskommen.

Um die Zukunft der Asphaltherstellung einzuleiten, kooperiert die Kölner Strabag AG, nach eigenen Angaben „deutsche Marktführerin im Verkehrswegebau“, seit rund einem Jahr mit dem deutschen Start-up B2Square aus Meerbusch (NRW). Ziel: Die gemeinsame Vermarktung eines CO2-reduzierten Niedrigtemperaturasphalts, der ganz ohne erdölbasiertes Bitumen als Bindemittel auskommt. Stattdessen setzen die Kooperationspartner synthetisch hergestelltes Bitumen ein. Sie nennen es „Biobitumen“.

Was ist „Biobitumen“?

Thomas Nyhsen, Vorstandsmitglied der Strabag AG, äußerte sich Ende Juli 2023 ausgesprochen positiv: „Wir sind konstant auf der Suche nach neuen Lösungen für den Verkehrswegebau. Neben Asphaltrecycling setzen wir dabei auch auf völlig neue Materialien, wie eben Biobitumen. Da wir in ganz Deutschland tätig sind, können wir dieses Produkt unseren Kundinnen und Kunden flächendeckend anbieten – von der Hauseinfahrt bis zur Straße“.

Eine Nahaufnahme einer Asphaltoberfläche mit grober Textur.
Bitumen-Bindemittel sind stets klebrige Kohlenwasserstoff-Dispersionen. (Quelle: Pixabay)

Um was für einen Bitumen-Ersatzstoff geht es? Was ist Biobitumen? B2Square verwendet für den Ersatzstoff ein synthetisch hergestelltes Asphalten-Pulver und ebenfalls synthetisch hergestellte flüssige Maltene. Die Asphaltene werden aus natürlich vorkommenden Kohlenwasserstoff-Harzen gewonnen, als Maltene kommt ein Extrakt aus gepressten Cashew-Schalen zum Einsatz.

Zum Hintergrund: Auch bei erdölbasiertem Bitumen handelt es sich um eine klebrige Kohlenwasserstoff-Dispersion, bei der Maltene als flüssiges Dispersionsmittel fungieren. In dieser Flüssigkeit sind die Asphaltene als schwarze bis dunkelbraune Feststoffe dispergiert. Sie entstehen bei der Bildung von Erdöl und sind für dessen hohe Dichte und Zähflüssigkeit verantwortlich.

Kalte Komponenten

Eine Besonderheit des Biobitumens ist, dass beide Hauptkomponenten – Asphaltene und Maltene – erst auf der Baustelle zur Herstellung von Asphalt kalt beigemischt werden. Das Bindemittel macht etwa 5 % des Asphalts aus, die restlichen 95 % bestehen – wie auch bei herkömmlichem Asphalt – aus Steinen, Sand und Füllstoffen. Durch die kalte Beimischung des Bindemittels ergibt sich eine deutlich geringere Einbautemperatur als bei herkömmlichem Asphalt. Das erhöht auch die Arbeitssicherheit, da die Bauteams vor Ort weniger Aerosolen ausgesetzt sind.

Unterm Strich kann man sagen, dass es sich beim Biobitumen um ein Niedrigtemperatur-Bindemittel handelt, das sowohl beim Mischen als auch beim Einbau deutlich niedrigere Temperaturen erfordert als klassisches Bitumen. Die Strabag spricht von einem „mindestens gleichwertigen Bindemittelersatz“, der sich zudem „mit nur geringen anlagentechnischen Ergänzungen an allen vorhandenen Asphaltproduktionsanlagen“ herstellen lässt.

In den aus gepressten Cashew-Schalen hergestellten Maltenen des Biobitumens ist nach Strabag-Angaben viel CO2 gespeichert, wodurch sich auch der CO2-Fußabdruck des Asphalts insgesamt reduziert. Mehr noch: Durch den Einsatz von Biobitumen im Asphaltstraßenbau sollen komplette Straßen – inklusive aller Transporte, der Herstellung und dem Einbau – zu „Karbonsenken“ werden. Das jedenfalls äußerte Frank Albrecht, Entwickler des Herstellverfahrens und Geschäftsführer von B2Square, letztes Jahr in den „Bauwende-News“ von Heinze (Link zum Interview hier).

Markteinführung

„Nach umfangreichen Prüfungen der TPA und in den Asphaltmischanlagen unserer Tochter Deutsche Asphalt ist die neue Produktionsmethode sofort umsetzbar, die Komponenten Asphaltene und Maltene sind ausreichend verfügbar“, wird Strabag-Vorstandsmitglied Thomas Nyhsen in einer Pressemitteilung des Konzerns vom 24. Juli 2023 zitiert.

Ein Mann in einem grauen Anzug steht vor einer Fabrik und hält eine Flasche in der Hand.
Geschäftsführer Frank Albrecht sieht sein Unternehmen „auf globalem Erfolgskurs“. (Quelle: B2SQUARE / Jewgeni Roppel)

Man wolle den erdölfreien Asphalt „ab sofort“ deutschlandweit im Privatkundenbereich anbieten und rechne mit einer regen Nachfrage, heißt es in derselben Pressemitteilung von letztem Jahr. B2Square-Geschäftsführer Frank Albrecht wird mit folgender Prognose zitiert: „Nachdem wir in den vergangenen Monaten gemeinsam die Voraussetzungen zur Markteinführung geschaffen haben, gehen wir davon aus, bereits in zwei bis drei Jahren rund 5 %, also rund 2 Mio. Tonnen, der hierzulande jährlich hergestellten rund 40 Mio. Tonnen Walz- und Gussasphalt unter Verwendung von Biobitumen anbieten zu können.“

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Knapp eineinhalb Jahre später hat BaustoffWissen bei B2Square noch einmal zum Stand der Markteinführung nachgefragt. Man befinde sich mit dem Biobitumen „auf globalem Erfolgskurs“ – heißt es in einem Statement vom 19. November 2024. Man sei aktuell in über sieben Ländern aktiv, nicht nur im Straßen-, sondern auch im Flughafenbau. „Ein besonderes Highlight ist der Einsatz unseres Biobitumens auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens, wo die außergewöhnliche technische Leistungsfähigkeit unseres Materials unter höchsten Belastungen eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden kann“, sagt Geschäftsführer Albrecht. Für das erste Quartal 2025 seien bereits weitere Flughafenprojekte in London und Wien geplant.

Als weitere Referenzprojekte erwähnt B2Square den Bau einer Kreuzung in Stuttgart mit mehr als 2.000 m2 Fläche sowie den Biobitumen-Einsatz für Bushaltestellen in der Schweiz. „Mit der steigenden Nachfrage nach innovativen und klimafreundlichen Materialien befinden wir uns weiterhin in einer dynamischen Wachstumsphase“, resümiert Frank Albrecht.

zuletzt editiert am 26. November 2024