RM Rudolf Müller
Velux Lichtaktivhaus Innenansicht

Auch Tageslicht verbessert das Raumklima – vorausgesetzt, es gibt auch Verschattungselemente zum Schutz vor Überhitzung. Foto: Velux Deutschland

Bauphysik
23. Oktober 2014 | Artikel teilen Artikel teilen

Was versteht man unter dem Begriff „Innenraumklima“

In den Marketingbroschüren vieler Baustoffhersteller liest man immer wieder den Hinweis, dass ihre Materialien das Innenraumklima regulieren beziehungsweise verbessern würden. Doch was genau ist eigentlich dieses Innenraumklima? Und welche Rahmenbedingungen beeinflussen es positiv?

Um die Fragen zu beantworten, treten wir erst einmal einen Schritt zurück und stellen uns die noch größere Frage: Was versteht man eigentlich unter „Klima“? Auf der Website des Deutschen Wetterdienstes (www.dwd.de) findet man dazu folgende Definition: „Das Klima ist definiert als die Zusammenfassung der Wettererscheinungen, die den mittleren Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem mehr oder weniger großen Gebiet charakterisieren. Es wird repräsentiert durch die statistischen Gesamteigenschaften (Mittelwerte, Extremwerte, Häufigkeiten, Andauerwerte u. a.) über einen genügend langen Zeitraum. (…) Die wichtigsten Klimaelemente sind Bewölkung, Luftdruck, Luftfeuchte, Lufttemperatur, Niederschlag, Sichtweite, Sonnenscheindauer, Strahlung und Wind.“

Klima und Raumklima

Hilft uns diese Definition weiter bei der Frage, was man unter dem Innenraumklima versteht? Ja und Nein. Das Erdklima ist natürlich eine viel größere Angelegenheit. Es wird zwar auch vom Menschen beeinflusst, man denke nur an Phänomen wie den Ozonschichtabbau oder den Treibhauseffekt, aber im Großen und Ganzen wird es doch nicht vom Menschen gelenkt oder „gemacht“.

Trotzdem gibt es Parallelen zwischen dem allgemeinen Klima und dem Innenraumklima. Die oben erwähnten wichtigsten Klimaelemente spielen nämlich größtenteils auch für das Raumklima eine große Rolle. Auch dieses wird stark von Faktoren wie Luftfeuchte, Lufttemperatur und Luftdruck bestimmt. Einflüsse wie Sonnenschein(-einstrahlung), (Heizungs-)Strahlung und Wind (Luftzirkulation) spielen ebenfalls eine große Rolle. Und wenn man die Klimaelemente Bewölkung und Niederschlag als Wasserdampfkonzentration in der Luft übersetzt, dann findet man auch diese beim Innenraumklima wieder.

Wohlfühlklima für den Menschen

Während beim Erdklima allerdings die Entwicklung der einzelnen Klimaelemente über einen langen Zeitraum (z. B. 30 Jahre) betrachtet wird, geht es beim Raumklima immer nur um das Hier und Jetzt. Wenn wir von einem guten Innenraumklima sprechen, meinen wir damit einen ganz konkreten Ort (z. B. eine Wohnung) zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt (Jetzt!). Und noch einen großen Unterschied gibt es: Das Erdklima wird, wie oben bereits erwähnt, nur teilweise vom Menschen beeinflusst. Manche sagen auch: Es wird von Gott gemacht.

Das Innenraumklima dagegen ist etwas, das wir weitgehend selbst beeinflussen können. Durch die Art, wie wir unsere Wohnungen heizen und lüften. Durch die Auswahl schadstoffarmer Innenbaustoffe. Durch die Art der Beleuchtung. Es ist nichts, das von außen einfach über uns hereinbricht, sondern es entsteht vor allem durch unser eigenes Verhalten. In seinen eigenen vier Wänden kann der Mensch also selbst Wettergott spielen. Und zwar indem er die Faktoren verstärkt, die einen positiven Einfluss auf das eigene Wohlbefinden beziehungsweise auf das Wohlbefinden der Hausbewohner haben.

Faktoren des Innenraumklimas

Wasserdampf Badezimmer

Zu viel Wasserdampf ist schlecht fürs Raumklima und muss weggelüftet werden. Foto: Rainer Sturm / www.pixelio.de

Die wichtigsten dieser Wohlfühlfaktoren sind:

  • die Lufttemperatur
  • die Luftfeuchtigkeit
  • die Luftzusammensetzung
  • die Luftzirkulation
  • die Oberflächentemperatur der Wände und Einrichtungsgegenstände und
  • die Beleuchtung im Raum.

Als gute Vorraussetzung für ein behagliches Innenraumklima gelten im Allgemeinen konstante Luft- und Oberflächentemperaturen um die 20 °C und eine relative Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 %. Wobei das bereits eine recht breit angelegte Definition ist. Eine relative Luftfeuchtigkeit von 40 % gilt als trocken, bei 50 % spricht man von normaler Feuchte und bei 60 % beginnt bereits der feuchte Bereich. Zu einem behaglichen Klima gehört ferner, dass es in der Wohnung nicht zieht und möglichst viele Räume mit Tageslicht versorgt werden.

Außerdem sollte die Luft natürlich möglichst schadstoff- und staubfrei sein, was die Bewohner durch die Auswahl von Innenbaustoffen (Farben, Putze) und Einrichtungsgegenständen und natürlich durch ihr Lüftungsverhalten beeinflussen können. Aber auch die chemische Zusammensetzung der „reinen“ Luft schwankt in dem Maße, in dem sie verbraucht wird. Gesunde Luft enthält etwa 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff, 0,03 % Kohlendioxid und 0,93 % Edelgase. Durch das Ausatmen des Menschen und das „Atmen“ der Pflanzen steigt insbesondere der CO2-Gehalt schnell an. Das führt zu Müdigkeit und Konzentrationsschwächen beim Menschen und bei weiter steigender CO2-Konzentration drohen sogar Schwindel, Kopfschmerzen oder Sehstörungen. Auch deshalb ist es so wichtig, regelmäßig zu lüften.

Mensch und Wasserdampf

Übrigens gibt der Mensch durch Atmen und Schwitzen etwa 20 bis 300 g Wasserdampf pro Stunde an die Raumluft ab – je nachdem, ob er beispielsweise Sport treibt oder nur am Schreibtisch sitzt. Zum Vergleich: Bei einer 4,5-kg-Trommel Wäsche, die in geschleudertem Zustand zum Trocknen aufgehängt wird, sind es nur bis zu 200 g Wasserdampf pro Stunde. So gesehen muss man als Single vielleicht doch keine große Angst vor Feuchteschäden durch das Wäschetrocknen in der eigenen Wohnung haben. Eine Mitbewohnerin oder ein Mitbewohner würden schließlich mehr Wasserdampf freisetzen!



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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