
Blick in einen Ofen für den Fliesenbrand. Fotos: Villeroy & Boch Fliesen
Fliesen: Wie stellt man Steingut- oder Steinzeugbeläge her?
In Sachen Langlebigkeit und Pflegeleichtigkeit gibt es unter den Materialien zur Oberflächenbeschichtung kaum etwas Besseres als keramische Fliesen. Die glasierten Steingut- oder Steinzeugbeläge sind wasserdicht, Schmutz abweisend sowie beständig gegen Feuchtigkeit, Reinigungsmittel, Säuren und UV-Strahlung. Zugleich sind sie absolut geruchlos, dünsten keinerlei Schadstoffe aus und sind nicht brennbar. Außerdem verrotten Fliesen nicht und zeigen bei entsprechender Pflege keine Spuren von Alterung. Verantwortlich für diese überzeugenden Eigenschaften sind neben den rein mineralischen Rohstoffen vor allem der Brennprozess und die Glasur der Fliesen.
Im Fachwissenbeitrag über die verschiedenen Fliesenmaterialien sind wir bereits auf die unterschiedliche Materialität grob- und feinkeramischer Beläge eingegangen. Diese unterscheiden sich auch in der Herstellung grundsätzlich. Während man für grobkeramische Produkte wie zum Beispiel Spalt- und Klinkerplatten einfach die feuchte Tonmasse in die jeweiligen Formen presst, ist die Herstellung feinkeramischer Fliesen aufwändiger und komplizierter.
Schlickerherstellung
Sowohl bei Steingutfliesen als auch bei Steinzeugfliesen steht am Anfang der Produktion die Herstellung des so genannten Schlickers. Dafür werden zunächst die weichen Inhaltsstoffe Ton und Kaolin (Porzellanerde) unter Wasserzugabe verrührt und die harten Rohstoffe Quarzsand und Feldspat gemahlen. Anschließend vermischt man die weiche Masse mit dem Mahlpulver – fertig ist der Schlicker.
Danach wird die feuchte Schlickermasse so stark getrocknet, dass am Ende das Rohstoffgemisch als trockenes Pulver vorliegt. Dies geschieht in der Regel per Sprühtrocknung. Der Schlicker durchläuft dafür eine spezielle Maschine, den so genannten Sprühturm, in den ein Heißluftstrom mit einer Temperatur bis zu 220°C geblasen wird. Dadurch entsteht ein feines Pulver, dem je nach Fliesenmodell auch noch Farbpigmente hinzugefügt werden können.
Trockenpressung

Rohstofflagerung beim Hersteller Villeroy & Boch in Merzig.
Dieses Pulver wird dann in speziellen Pressmaschinen unter hohem Druck zu Steingut- beziehungsweise Steinzeug-Rohlingen geformt. Anders als grobkeramische Platten werden Fliesen also trocken gepresst. Die so entstehenden Rohlinge sind allerdings noch sehr instabil – man kann sie problemlos per Hand zerbrechen. Außerdem enthalten sie auch nach dem Durchlaufen des Sprühturms noch eine Restfeuchte von etwa 6%. Dieses Wasser wird den Rohlingen entzogen, indem sie bei etwa 150°C einen Trockenofen durchlaufen.
Zweibrandverfahren
Die weiteren Produktionsschritte können sich unterscheiden, je nachdem, ob Steingut- oder Steinzeugfliesen hergestellt werden. Steingut wurde früher ausschließlich im so genannten Zweibrandverfahren hergestellt. Dabei kommen die getrockneten Rohlinge zunächst bei Temperaturen bis zu 1.200°C in einen Ofen. Durch diesen ersten Brenndurchgang entstehen die wesentlichen Materialeigenschaften, die wir von Fliesen kennen. Aus dem anfangs noch brüchigen Rohling wird ein fester keramischer Scherben. Durch die hohen „Backtemperaturen“ verschmelzen die zusammengepressten Bestandteile des Rohlings.
Erst nach diesem Brenndurchgang werden die Fliesen glasiert. Dazu trägt man gemahlenes Glaspulver, das mit Wasser vermischt wird, auf die Steingutoberfläche auf. Anschließend folgt ein zweiter Brennvorgang mit geringeren Temperaturen. Dabei schmelzen die Glasteilchen und bilden somit die Fliesenglasur.
Einmalbrandverfahren

Gepresste Rohlinge vor dem ersten Brenndurchgang.
Steinzeugfliesen wurden dagegen früher ausschließlich im Einmalbrandverfahren hergestellt. Bei Steinzeug erfolgt der Brennvorgang mit Temperaturen über 1.200°C und damit oberhalb der Sinterungsgrenze, bei der der Feldspat schmilzt. Deshalb ist Steinzeug dichter und fester, und man kann auch unglasierte Fliesen herstellen, die trotzdem sehr wasserbeständig sind. Doch auch glasierte Steinzeugfliesen wurden lange Zeit nur einmalig gebrannt. Die Glasur wird dafür bereits vor dem ersten (und einzigen) Brenndurchgang auf den Rohling aufgebracht. Der Nachteil dieses Verfahrens: Manche Glasuren – vor allem farbintensive Varianten – vertragen nicht die hohen Temperaturen von mindestens 1.200°C.
Mittlerweile hat die Fliesenindustrie ihre Produktionsmethoden erweitert und fertigt heute auch Steingutfliesen im ökonomischeren Einmalbrandverfahren. Das funktioniert natürlich nur mit Glasuren, die den hohen Temperaturen des ersten Brenndurchgangs gewachsen sind. Umgekehrt werden auch Steinzeugfliesen mitunter zweimalig gebrannt, wodurch man ansonsten ausgeschlossene Glasurvarianten realisieren kann. Insgesamt dominiert bei der heutigen Fliesenproduktion allerdings das Einmalbrandverfahren.