
Freispiegelentwässerung ist die klassische Entwässerungsart flacher Dächer und immer noch die am häufigsten eingesetzte Technik. Fotos: Sita Bauelemente
Freispiegelentwässerung: Entwässern von Flachdächern
Die Freispiegelentwässerung gilt als Klassiker. Im Gefälle verlegt ist sie das herkömmliche und seit Jahrzehnten bewährte System zur innenliegenden Entwässerung von Flachdächern. Aber worauf ist besonders zu achten? Und wie werden Fehlerquellen vermieden?
Von Christian Behr
Auf dem überwiegenden Teil der deutschen Flachdächer schafft eine Freispiegelentwässerung den Regen vom Dach. Geregelt wird sie durch die DIN EN 12056, Teil 3, und die DIN 1986, Teil 100. Eine Freispiegelanlage entwässert über viele Gullys und ein im Gefälle verlegtes Rohrleitungssystem. Die erforderliche Notentwässerung führt auch hier auf schadlos überflutbare Flächen.
Entwässerung im Gefälle
Ein Kennzeichen der innenliegenden Hauptentwässerung ist, dass die angeschlossenen Rohrleitungen im Gefälle verlegt sind. Die Anlage arbeitet nach dem Schwerkraftprinzip mit einer Teilfüllung der Rohre, das heißt, das Rohrleitungssystem weist stets einen Wasserspiegel, also eine Teilfüllung mit Wasser auf. Ein maximaler Füllungsgrad der Sammel- und Grundleitungen von h/d = 0,7 und bei den Fallleitungen f = 0.33 darf nicht überschritten werden. Zum Wassertransport dient ein Gefälle in der Rohrleitung. Neben der Ablaufleistung der einzelnen in der Regel trichterförmigen Dachgullys wird die Ablaufleistung dieser Anlage maßgeblich durch das sogenannte „Rohrsohlengefälle“ bestimmt. Somit ist ein Gefälle bei diesem schwerkraftbetriebenen System unverzichtbar.
Da eine Freispiegelentwässerung mit einer Teilfüllung der Rohre arbeitet, benötigt sie im Vergleich zu einer Druckströmungsentwässerung größere Rohrnennweiten und Raumhöhen für das Gefälle der Rohrleitungen. Wie viele Gullys erforderlich sind, das wird durch die Dachgröße und die Niederschlagsdaten (Berechnungs- und Jahrhundertregen) je nach Gebäudestandort bestimmt. Alle Fallleitungen des Systems werden an die Grundleitung angeschlossen, die die Regenspende der Hauptentwässerung in die Kanalisation leitet. Inspektionsschächte an den Grundleitungen ebnen den Weg für Inspektions- und Wartungsarbeiten.
Die Freispiegelentwässerung stellt auch bei größeren und höheren Gebäuden ein sicheres und zuverlässiges System dar. Die Sicherheit kann durch entsprechende Sicherungsschellen an den Rohrmuffen noch deutlich erhöht werden. Denn sollte es zum Beispiel aufgrund eines Versagens der Grundleitung zu einem Rückstau bis auf das Dach kommen, kann durch die Sicherungsschelle ein Auseinandergleiten der Rohre aus den Muffen verhindert werden. Es entsteht mit einem minimalen finanziellen und zeitlichen Aufwand eine große Reserve im Gesamtsystem.
Entwässerung im Notfall
Auch bei der Freispiegelentwässerung ist eine Notentwässerung unverzichtbar beziehungsweise Vorschrift. Sie greift unter anderem dann, wenn die Hauptentwässerung, die in das öffentliche Netz führt, überlastet ist. Rückstau aus der Fallleitung oder Wasseranstau auf dem Dach kann die Folge sein – mit der Zunahme der Ex-trem- und Starkregenereignisse ist dies heute keine Seltenheit mehr. Kommt ein Jahrhundertregen, entlastet die Notentwässerung Statik und Flachdach. Bereits seit Dezember 2016 gilt die neue DIN 1986, Teil 100, mit zusätzlichen nationalen Bestimmungen zur DIN EN 12056 und DIN EN 752. Die Regenentwässerungsanlage wird als Ganzes gesehen – vom Dachgully über die Rohrleitung bis hin zur Übergabe an den öffentlichen Kanal. Neben der standortbezogenen Berechnung des Bemessungs- und Jahrhundertregens ist ein frei auf das Grundstück entwässerndes Notablaufsystem vorgeschrieben. Dieses Notablaufsystem muss so geplant werden, dass es mindestens die Differenz zwischen der Bemessungs- und der Jahrhundertregenspende sicher entwässert. Ob das überschüssige Regenwasser über die Fassade oder über zusätzliche Leitungssysteme abgeführt wird, das entscheidet sich anhand der konstruktiven Merkmale des einzelnen Gebäudes. Zusammengefasst gesagt: Keinesfalls darf die Notentwässerung an die Leitungen der Hauptentwässerung angeschlossen werden, die im Falle eines Starkregens unter Umständen schon überlastet sind. Nur so können ein unkontrollierter Rückstau und eine übermäßige statische Belastung verhindert werden.
Normen in der Regel
Eine wichtige Norm für die Auslegungen von Freispiegelanlagen ist die DIN EN 12056, die Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden regelt. Sie enthält den für Flachdächer entscheidenden Teil 3 (Dachentwässerung, Planung und Bemessung) und die nationale Ergänzungsnorm DIN 1986-100. Letztere enthält unter anderem Informationen zur Bemessung sowie Berechnung von Dachgullys und Notentwässerungseinrichtungen.
Die maßgeblichen Regelwerke für die Abdichtungen von Flachdächern sind die DIN 18531, Teil 1-5, und die aktuelle Flachdachrichtlinie. Beide geben darüber hinaus Anforderungen an die Ausführung von An- und Abschlüssen, Türanschlüssen und Entwässerungsbauteilen vor.
Sorgenfreiheit in der Planung

(l.) Die Hauptentwässerung: Jeder Gully, hier mit Aufstockelement, wird an ein eigenes Fallrohr angeschlossen.
(r.) Die Notentwässerung führt frei auf schadlos überflutbare Flächen. Keinesfalls darf sie an die Rohre der Hauptentwässerung angeschlossen werden.
Fotos: Sita Bauelemente
Die Faustformel: 300 Liter Regenspende pro Sekunde ist schon lange nicht mehr haltbar. Heute ist unter anderem der Berechnungs- und Jahrhundertregen am Standort zu beachten. Auch Gebäudeeigenheiten, Abflussbeiwerte et cetera fließen in die Auslegung der Entwässerungsanlage ein.
Gut geplant und ausgeführt hat eine Freispiegelanlage alle Eigenschaften eines Sorgenfreisystems. Einige Aspekte, die Selbstverständlichkeiten auf jeder
Baustelle darstellen sollten, sind zu beachten. Am Beginn steht die Wahl des richtig dimensionierten Gullys, der präzise auf die örtlichen Regenspenden abgestimmt sein muss. Bei der Auswahl von Flachdachgullys ist darauf zu achten, dass die Bauteile den Anforderungen der DIN EN 1253-2 entsprechen – erkennbar durch das Ü-Zeichen. Bei der Montage muss der Gully im Tiefpunkt des Daches platziert werden. Dabei ist sicherzustellen, dass Gullykörper und Aufstockelement fest mit dem Baukörper verbunden werden. Rohrleitungen werden idealerweise mit Sicherungsschellen verbunden. Der Fließweg zwischen zwei Gullys oder zwei Notgullys sollte in einem linearen Tiefpunkt ohne nennenswerte Höhenunterschiede nicht mehr als 20 Meter betragen.
Alle Gullys müssen zu Wartungszwecken frei zugänglich sein. Denn Wartung, das ist ein Aspekt, der in der Praxis oft viel zu kurz kommt. Nach DIN 1986-3 sind Wartungen alle sechs Monate vorgeschrieben. Auch Brancheninsider empfehlen zwei Inspektionen pro Jahr, wobei exponierte Lagen mit vermehrten Laubansammlungen gegebenenfalls auch öfter zu kontrollieren sind. Bei dieser Gelegenheit können alle Schraubverbindungen geprüft und fehlende Teile, wie zum Beispiel vom Sturm verwehte Kiesfänge, nachgerüstet werden. Wartung ist eine ideale Gelegenheit, kleine Mängel zu entdecken, ehe sie sich zu größeren Wasserschäden ausweiten. Hier empfiehlt es sich, sowohl für Immobilieneigentümer als auch für Fachbetriebe, einen entsprechenden Wartungsvertrag abzuschließen.
Zum Autor

Christian Behr (B. Eng.) ist Produktmanager bei Sita Bauelemente.
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