RM Rudolf Müller
Starkregen

Wenn es in kurzer Zeit sehr stark regnet, versagt jede Kanalisation. Foto: Erich Westendarp / pixelio.de

Entwässerung
09. Oktober 2013 | Artikel teilen Artikel teilen

Starkregen: Herausforderung für die Entwässerungstechnik

In Bob Dylans berühmten Folksong „A hard rain’s a-gonna fall“ von 1962 dienen die starken Niederschläge als Metapher für eine dunkle Zukunft der Menschheit. Ganz so heftig verhält es sich mit den Starkregenereignissen unserer Tage nicht. Aber das Wetterphänomen, das offenbar auch in Deutschland immer häufiger auftritt, stellt die Entwässerungstechnik vor neue Herausforderungen.

Hochwasser droht in Europa insbesondere nach plötzlichen Schneeschmelzen im Winter und nach anhaltend starken Regenfällen im Sommer. Schmelz- oder Regenwasser lassen dann die Pegel der Flüsse innerhalb kurzer Zeit rasant ansteigen. Wo kein ausreichender Hochwasserschutz vorhanden ist, tritt der Fluss über die Ufer. So wie im Mai/Juni 2013, als es nach tagelangen kräftigen Regenfällen auch in vielen Teilen Deutschlands zu Überflutungen ganzer Landstriche kam. Schon seit etwa Mitte der 1970-er Jahre haben Hochwasserkatastrophen auch in Deutschland zugenommen – das steht außer Zweifel.

Rückstaugefahr bei Starkregen

Doch Überschwemmungen drohen nicht nur, wenn Flüsse wegen wochenlangen Dauerregens über die Ufer treten. Schon seit Jahren weist etwa der Entwässerungsspezialist ACO darauf hin, dass schon ein kurzer Starkregen überall in Deutschland dazu führen kann, dass Tiefgeschosse von Häusern überflutet werden. Die Kanalnetze in unseren Städten sind nämlich nur für mittlere Regenereignisse ausgelegt. Dabei handelt es sich nicht um eine Fehlplanung, sondern um eine bewusste Entscheidung, um die Selbstreinigungsfähigkeit der Kanalisation zu gewährleisten. Anders ausgedrückt: Wenn die Abwasserrohre deutlich breiter wären, dann wäre bei schwachem Wasseraufkommen der Wasserdruck so gering, dass sich vermehrt Feststoffe an den Rohrwänden festsetzen würden. Es stiege also die Gefahr von Rohrverstopfungen, was ebenfalls zu Überschwemmungen im Gebäudebereich führen kann.

Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass die vorhandene Kanalisation bei Starkregen schnell überlastet ist, wodurch sich die Gefahr erhöht, dass rückgestautes Wasser in tief liegende Keller-, Wasch- und Hobbyräume eindringt. Starkregenereignisse sind ein sehr häufiges Phänomen in tropischen Gebieten, aber in den Sommermonaten kommen sie auch in unseren Breitengraden gelegentlich vor. Mehr noch: Ähnlich wie die Flussüberschwemmungen scheint dieses Wetterphänomen in Deutschland immer häufiger vorzukommen.

Von Starkregenereignissen wird gesprochen, wenn in fünf Minuten mehr als fünf Liter Regen pro Quadratmeter fallen oder in einer Stunde mehr als 17 Liter pro Quadratmeter. In der Praxis werden diese Schwellenwerte oft erheblich überschritten. So hat es im Juni 2011 in einigen Stadtteilen Hamburgs in nur 45 Minuten 80 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gegeben. Den Rekord hält bisher das sächsische Örtchen Zinnwald-Georgenfeld. An dessen Wetterstation wurde im August 2002 eine Niederschlagsmenge von 312 Litern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden gemessen – das ist mehr als in zwei Badewannen reinpasst. Das war die größte Niederschlagsmenge innerhalb eines Tages an einem Ort, die in Deutschland jemals gemessen wurde.

Starkregen und Klimawandel

Überschwemmter Keller

Kellerüberschwemmungen entstehen oft durch Rückstau bei überlasteter Kanalisation. Foto: ACO Haustechnik

Die Wissenschaftler Stefan Rahmstorf und Dim Coumou vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben 2012 in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ darauf hingewiesen, dass im vergangenen Jahrzehnt weltweit eine Zunahme von Starkregenereignissen zu beobachten war und in dieser Zeit vielerorts neue Niederschlagsrekordmengen verzeichnet wurden. Sie betonten ferner, dass diese Phänomene zumindest teilweise auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen seien.

Stefan Rahmstorf schreibt regelmäßig für den Wissenschafts-Blog „Klimalounge“ und weist dort auf ein grundsätzliches Problem bei der Untersuchung von Regenereignissen hin: „Temperaturen sind großräumig korreliert (ist es in Potsdam heiß, ist es auch in Berlin heiß), und es gibt viele präzise Messungen. So zeigen die Daten, dass die globale Erwärmung die Anzahl von Hitzerekorden in den Monatswerten weltweit bereits verfünffacht hat. Bei den Niederschlägen ist das deutlich schwieriger, denn die sind oft kleinskalig (wenn es in Potsdam gießt, kann es in Berlin trocken sein) und auch kurzzeitig hoch variabel und außerdem schwerer zu messen.“

Trotzdem – so Rahmstorf – würden die Daten aus den USA, Europa und Australien auf eine erhebliche Zunahme von Extremniederschlägen hinweisen. Dass die Erderwärmung zu mehr Wolkenbildung und stärkeren Niederschlägen führt, erklärt der Klimaforscher mithilfe eines einfachen physikalischen Gesetzes, dass man auch aus der Bauphysik kennt: Wärmere Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf. „Pro Grad Erwärmung kann 7 % mehr Wasserdampf aufgenommen werden“, erläutert Rahmstorf in der „Klimalounge“. „Tatsächlich zeigen die Messdaten eine Zunahme des mittleren Wasserdampfgehalts der Atmosphäre um 4 % seit den 1970ern – seither ist die globale Temperatur um 0,6 °C gestiegen.“

Schutz vor Schäden

Die Erkenntnisse von Wissenschaftlern wie Stefan Rahmstorf legen nahe, dass wir uns in Zukunft auf häufigere Starkregenereignisse einzurichten haben. Dabei sollten Hausbesitzer auch über das Thema Rückstausicherung nachdenken – denn bei einer Kellerüberschwemmung haften die Versicherungen nur, wenn eine solche Sicherungstechnik vorhanden ist. Zwar haften im Normalfall die Gemeinden für Schäden, die durch ein Versagen ihrer Kanalisation entstehen, aber nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes entfällt diese Pflicht bei einem „ganz ungewöhnlichen und seltenen Katastrophenregen“.

Immerhin lässt sich mithilfe von Rückstauverschlüssen oder Abwasserhebeanlagen ein weitgehender Schutz realisieren. Mit dieser Thematik beschäftigen wir uns im nächsten Fachwissen-Beitrag ausführlicher.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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