
In luftdichten Gebäuden können nicht nur Wärme, sondern auch Schadstoffe schwerer entweichen. Grafik: Baumit
Raumluft: Luftdichte Gebäudehülle = schlechte Luft?
Moderne Häuser haben eine luftdichte Gebäudehülle, um zu verhindern, dass durch einen unkontrollierten Luftaustausch Wärme über Fugen oder Ritzen verloren geht. Außerdem wird so die Dämmung vor Durchfeuchtung durch Wasserdampf aus dem Rauminneren geschützt. In Sachen Wohngesundheit ergibt sich dadurch ein Problem: Wo keine Luft mehr entweichen kann, können sich auch Schadstoffe aus Innen-Baustoffen und Einrichtungsgegenständen in höheren Konzentrationen anreichern.
Für Neubauten schreibt die Energieeinsparverordnung (EnEV) eine luftdichte Gebäudehülle ausdrücklich vor. In § 6 der EnEV 2014 heißt es: “Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft luftundurchlässig entsprechend den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist.“ Bei Gebäudeteilen aus Mauerwerk bedeutet dies, dass überall eine vollflächige Putzlage aufzubringen ist. Auch Fertigelemente wie Fenster und Türen müssen durch eine hohe Fugendichtigkeit weitgehend luftdicht sein. Der Dachstuhl ist bei Wohnhäusern traditionell der durchlässigste Bereich, weil man es dort nicht mit massiven Baukörpern, sondern mit einer “luftigen“ Kombination aus Holztragwerk und Dachziegeln zu tun hat. Um auch in diesem Bereich Luftdichtheit zu erreichen, werden meist Folienwerkstoffe verlegt. Diese schützen in der Regel auch die Dachdämmung vor Feuchtigkeit.
Vorteile und Gefahren
Aufgrund der beschriebenen Maßnahmen sind Neubauten und energetisch sanierte Altbestände heute weitgehend wasserdampf- und gasdicht. Damit ist aber auch der natürliche Luftaustausch zwischen Innen- und Außenluft stark beschränkt. Bei alten Gebäuden, die nicht nach der EnEV gebaut wurden, sind insbesondere die Fenster und Dächer meist wesentlich undichter. Es zieht schon mal durch Ritzen und Fugen, doch dafür wird eben auch die Raumluft häufiger ausgetauscht. Allerdings sollte man alte Häuser deshalb nicht romantisieren. Schließlich steigern undichte Gebäudehüllen nicht nur die Heizkosten, sondern können durch undichte Dächer auch Feuchtigkeit und Schimmelpilzbildung im Innenraum verursachen. Und ungedämmte Dachgeschosse, in denen es im Winter zu kalt und im Sommer zu warm wird, zeichnen sich auch nicht gerade durch ein gesundes Raumklima aus.
Andererseits hat die luftdichte Gebäudehülle nicht nur wohngesunde Vorteile, sondern bringt auch neue Gefahren mit sich. Ausgasende Schadstoffe aus Baumaterialien, Bodenbelägen, Möbeln, aber auch aus Reinigungsmitteln und Pflegeprodukten reichern sich stärker in der Raumluft an, wenn die Bewohner nicht regelmäßig aktiv lüften. Zugleich kann Feuchtigkeit, die im Gebäude entsteht, nicht so leicht entweichen.
Veränderte Luftwechselraten

Im Bereich des Dachstuhls sorgen Folienwerkstoffe für niedrige Luftwechselraten. Foto: Isover
Die Luftwechselrate gibt an, wie oft die Raumluft innerhalb einer Stunde komplett gegen frische Außenluft ausgetauscht wird. Bei einer Luftwechselrate von 1,0 wird die Luft in einem Raum demnach innerhalb einer Stunde genau einmal komplett erneuert. Bei einem Wert von 0,5 dauert die Angelegenheit bereits zwei Stunden. Ob der Luftaustausch durch manuelle Fensterlüftung, durch ein automatisches Lüftungssystem oder – wie bei manchen Bestandsbauten – bereits durch die undichte Gebäudehülle erreicht wird, ist aus Sicht der Wohngesundheit zunächst einmal zweitrangig.
Experten empfehlen heute Luftwechselraten zwischen 0,5 (Mindestluftwechsel) und 1. Was darunter liegt, gilt als kritisch. In alten, ungedämmten Gebäuden ist eine Luftwechselrate von 1 selbst bei meist geschlossenen Fenstern und Türen durchaus nichts Ungewöhnliches. In vielen Neubauten und energetisch sanierten Bestandsgebäuden wurden aber bereits Luftwechselraten gemessen, die deutlich unterhalb von 0,5 liegen. Das ist schon deshalb kein idealer Zustand, weil eine zu hohe Feuchtigkeit und CO2-Konzentration in der Raumluft droht. Noch problematischer wird es natürlich, wenn die Innen-Baustoffe und Einrichtungsgegenstände nicht aus wohngesunden Materialien bestehen, also zu viele Schadstoffe ausgasen.
Zu genau darf man es mit den Luftwechselraten aber auch nicht nehmen. Es kommt immer auf die Umstände an. In einem großen Raum, in dem sich aber nur selten Menschen aufhalten, ist auch eine Luftwechselrate von beispielsweise 0,3 sicher kein Problem.
Was ist zu tun?
Wenn man die positiven Wirkungen von Wärmedämmung und luftdichter Gebäudehülle nicht infrage stellen möchte, ergeben sich zwei logische Folgerungen. Erstens ist durch regelmäßiges Lüften der aus gesundheitlichen Gründen notwendige Luftaustausch sicherzustellen. Das fordert übrigens auch die EnEV 2014. Im Absatz 2 des bereits oben zitierten § 6 heißt es: “Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist.“
Da eine manuelle Fensterlüftung insbesondere bei berufstätigen Menschen im Prinzip nicht ausreichend ist, um die geforderte Luftwechselrate zu erreichen, müssten eigentlich alle “dichten Gebäude“ über automatische Lüftungssysteme verfügen. Schließlich nimmt die Qualität der Innenraumluft auch bei Abwesenheit der Bewohner kontinuierlich ab – etwa durch die Pflanzen, die Sauerstoff verbrauchen und CO2 abgeben, und natürlich durch die permanenten Ausdünstungen von Mobiliar und Baustoffen.
Zweitens wäre es notwendig, dass bei Industrie und Verbrauchern das Bewusstsein für Wohngesundheit weiter wächst. Baustoffe für den Innenbereich sollten nicht über längere Zeit größere Mengen schädlicher Substanzen ausgasen. Hier hat sich in den letzten Jahren zum Glück schon einiges getan. Wer will, findet heute im Handel ein umfassendes Angebot an wohngesunden Baustoffen. Aber natürlich wäre es noch besser, wenn sich der Endkunde grundsätzlich darauf verlassen könnte, dass Materialien für Innenräume keinerlei Schadstoffe ausdünsten.