
Versuchsanordnung zur Freibewitterung von Putzflächen in Holzkirchen. Foto: Fraunhofer IBP
Putzfassaden-Forschung abgeschlossen
Welche Auswirkungen haben beregnete Putzfassaden-Baustoffe auf die Umwelt? Diese Frage stand mehr als 15 Jahre im Mittelpunkt eines Langzeit-Forschungsprojekts, das der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) und das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP gemeinsam durchgeführt haben. Anfang Oktober wurden die Ergebnisse bei einem Abschlusskolloquium präsentiert.
Der genaue Titel des Projekts lautet „Entwicklung eines Modells zur Bewertung der Umwelteigenschaften üblicher Putze und Mörtel im Außenbereich“. Dabei ging es um die Fragestellung, inwieweit durch die Beregnung von Putzflächen negative Folgen für die Umwelt entstehen, weil dadurch Baustoffbestandteile in die umliegenden Böden oder sogar in das Grundwasser gelangen.
15 Jahre Beregnungsversuche
Dieser Fragestellung sind die beiden Forschungspartner rund 15 Jahre mithilfe von Labor- und Freilandversuchen beim Fraunhofer IBP in Holzkirchen nachgegangen. Die Aktivitäten zur Datenerhebung umfassten die Freibewitterung von Putz- und Mörtelflächen verschiedener Größen und Materialbeschaffenheit sowie von eigens errichteten Versuchshäusern. Ziel war es, die Freisetzung von Stoffen unter Realbedingungen zu erfassen. Parallel liefen Laborversuche mit allen auf den Freiflächen eingesetzten mineralischen und pastösen Produkten nach derzeit geltenden nationalen und europäischen Kriterien.
Die Ergebnisse dieser langjährigen Erhebungen wissenschaftlich zusammengefasst hat Fraunhofer-Mitarbeiter Pablo Vega García. Er behandelte das Thema im Rahmen seiner Doktorarbeit, die er diesen Sommer erfolgreich abschloss. Die Doktorandenstelle wurde von VDPM und Fraunhofer IBP sowie weiteren Unternehmen der Baustoffindustrie ohne öffentliche Förderungen finanziert.
„Das nun beendete Vorhaben liefert weltweit einzigartige Ergebnisse“, sagte VDPM-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans-Joachim Riechers (Gruppenfoto: 3.v.r) beim Abschlusskolloquium in Holzkirchen, an dem über 35 Vertreter der projektbeteiligten Institutionen und Verbände teilnahmen.
Keine Grenzwert-Überschreitung

Doktorand Pablo Vega García (4.v.l.) im Kreis seiner Betreuer. Foto: Fraunhofer IBP
Als ein Ergebnis all dieser Untersuchungen wurden diejenigen Stoffe identifiziert, die bei der Beregnung von Putzfassaden grundsätzlich in die Umwelt gelangen können. Dabei handelt es sich um Sulfat, Calcium, Chrom, Vanadium und Blei. Dieses Ergebnis basiert allerdings auf der Betrachtung verschiedenster Putzprodukte – darunter auch „Worst-Case-Rezepturen“. Im Klartext: Längst nicht alle Putzrezepturen enthalten all diese Stoffe.
Die Freisetzung der Substanzen durch Beregnung bedeutet zudem nicht automatisch, dass dadurch schädliche Folgen für Boden und Grundwasser entstehen. Das konnte Dr. Pablo Vega García mit dem von ihm entwickelten 3-Level-Modell nachweisen. Dieses Modell ermöglicht die Simulation von potenziellen Umweltwirkungen für unterschiedliche mineralische Putz-Rezepturen. Mithilfe des Tools lässt sich der Transport der oben genannten Substanzen bis zum Grundwasser simulieren. Bei dieser Simulation zeigte sich nach VDPM-Angaben, dass üblicherweise nicht mit der Überschreitung von Grenzwerten für Boden und Grundwasser zu rechnen ist.
3-Level-Modell
„Die Modelle von Pablo Vega García ermöglichen derzeit bereits für die mineralischen Rezepturen die Simulation von potenziellen Umweltwirkungen“, bestätigt Dr. Regina Schwerd vom Fraunhofer IBP (Gruppenfoto: 1.v.r.). „Dazu müssen verschiedene Materialeigenschaften eines Produkts und die Wetterdaten eines beliebigen Standorts in Level 1 eingespeist werden und anschließend Level 2 durchlaufen. In Level 3 erhält man schließlich die Konformitätsaussage“.
Der Doktorand selbst erläutert die drei Ebenen seines Modells wie folgt: „Level 1, das Fassadenwasserabflussmodell, erfasst unter anderem die Gesamtwassermenge, die bei einem Regenereignis auf die Fassade wirkt, den Wassertransportmechanismus auf der Fassade und das Abflussverhalten aufgrund unterschiedlicher Materialien. Level 2 erfasst als Rechenmodell die Auslaugprozesse und den Stofftransport auf den Fassaden anhand der wechselnden Szenarien ‚Regenereignisse‘ und ‚Trockenperioden‘. Level 3, die Sickerwasserprognose, betrachtet den Stofftransport im Boden bis zum Erreichen eines definierten ‚Ortes der Beurteilung‘ und stellt den Bezug zu Grenzwerten her.“
Pastöse Putze noch nicht berücksichtigt
Angesichts der positiven Modellprognose für mineralische Putz-Rezepturen kündigt Dr. Regina Schwerd als nächste Schritte Gespräche mit dem Umweltbundesamt, dem Deutschen Institut für Bautechnik, den zuständigen Ländervertretern und mit dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) an. Es sei zu klären, ob unter diesen Umständen bei mineralischen Putzen Prüfungen überhaupt notwendig sind, sofern kein Spezialfall vorliegt.
Bei den pastösen Systemen und den Bioziden sei ein solches Vorgehen derzeit noch nicht möglich, da aktuell noch kein abschließender Konsens bestehe, welche Szenarien, Eingangsparameter usw. für eine Sickerwasserprognose (Level 3) anzuwenden sind.
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