RM Rudolf Müller
Pantheon in Rom

Auch für die gewaltige Dachkuppel des Pantheons verwendeten die Römer Beton. Foto: Sascha Ruhland / pixelio.de

Grundstoffe des Bauens
02. April 2014 | Artikel teilen Artikel teilen

Die Geschichte des Baustoffes Beton

Das Zeitalter des Betons verbindet man normalerweise mit der modernen Architektur des 20. Jahrhunderts. Was viele nicht wissen: Der Kunststein Beton ist tatsächlich sehr viel älter. Schon vor rund 2.000 Jahren entwickelten die Römer das „opus caementitium“ und errichteten damit zahlreiche Bauwerke, von denen manche bis heute erhalten geblieben sind. Der antike Baustoff hatte bereits eine ähnliche Zusammensetzung wie der Beton unserer Tage.

Noch deutlich älter als Beton ist übrigens der Baustoff Mörtel. Untersuchungen an uralten Bauwerken haben ergeben, dass auf dem Gebiet der Türkei bereits vor 10.000 Jahren Mörtelgemische verarbeitet wurden. Sie bestanden aus feinen Gesteinskörnungen, dem Bindemittel Kalk und Wasser. Angesichts dieser Tatsache erscheint es dann doch nicht mehr so verwunderlich, dass die Römer vor 2.000 Jahren mit Beton bauten. Schließlich besteht der Unterschied von Mörtel zu Beton lediglich darin, dass Letzterer größere Steine enthält. Nach heutiger Definition spricht man von Mörtel, wenn die Korngröße maximal 4 mm beträgt. Jenseits dieser Grenze beginnt Beton.

Uraltes Rezept

Erhärteter Beton ist ein künstlicher Stein, der aus einem Bindemittel, Gesteinskörnungen wie Sand, Kies oder Splitt und Wasser besteht. Heute werden oft noch bauchemische Zusätze hinzugefügt, um bestimmte Betoneigenschaften zu erzielen oder zu verstärken. Meist wird Zement als Bindemittel verwendet. Dieser hat den Vorteil, dass er hydraulisch wirkt, das heißt, er erhärtet selbst unter Wasser und bleibt danach dauerhaft wasserunlöslich. Diese Eigenschaft gilt allerdings nicht nur für Zement. Auch aus vulkanischem Puzzolan lassen sich zum Beispiel hydraulische Bindemittel herstellen. Bindemittel aus Gips, Lehm oder normalem Kalk wirken dagegen unhydraulisch. Sie erhärten also nur an der Luft und sind wasserlöslich.

Letzteres ist vielleicht der Grund dafür, warum der Weg vom 10.000 Jahre alten Kalkmörtel zum römischen Beton so lang war. Beton aus Kalkmörtel wäre wasserlöslich und daher baulich nur sehr eingeschränkt nutzbar gewesen. Der entscheidende Durchbruch gelang erst, als die Römer um 200 v. Chr. auf die Idee kamen, Betonmischungen unter Zusatz von vulkanischem Gestein herzustellen. Damit hatten sie ein hydraulisches Bindemittel gefunden, mit dessen Hilfe sie wasserunlöslichen Beton produzieren konnten.

Römischer Beton

Vulkanisches Gestein auf Fuerteventura

Vulkanisches Gestein, hier auf der Kanareninsel Fuerteventura, war ein wesentlicher Bestandteil des antiken Betons. Foto: Grimm

Die Römer nannten diesen Beton „opus caementitium“ (etwa: „Werk aus Bruchsteinen“). Er hatte aber nichts mit dem heutigen Bindemittel Zement zu tun. Der römische Beton bestand aus Bruchsteinen, gebranntem Kalk, Sand, Wasser und eben aus Puzzolanen, die aus Vulkanasche beziehungsweise vulkanischem Gestein gewonnen wurden. Natürliche Puzzolane bestehen vor allem aus Siliciumdioxid, Tonerde, Kalkstein, Eisenoxid und alkalischen Stoffen.

Mit dem opus caementitium hatten die Römer einen Baustoff gefunden, der sich wegen seiner hohen Druckfestigkeit und Wasserunlöslichkeit ideal für den Bau von Gebäudefundamenten sowie für Wasserleitungen (Aquädukte), Brücken, Hafenanlagen, Tunnel oder Straßen eignete. Da Frischbeton weich und verformbar ist, wurden zudem neue Gebäudegeometrien möglich: etwa weit gespannte Gewölbe und Kuppeln, die sich mit den zuvor bekannten Baustoffen nicht realisieren ließen. So schufen die Römer nicht nur funktionale Nutzbauten aus Beton, sondern setzten den Baustoff auch bei vielen ihrer monumentalen Prunkbauten ein. Bestes Beispiel dafür ist das um 120 n. Chr. fertig gestellte Pantheon in Rom. Die gewaltige Dachkuppel dieses Tempels, die einen Durchmesser von rund 43 Metern hat, wurde aus römischem Beton gefertigt und ist bis heute erhalten.

Renaissance im 19. Jahrhundert

Mit dem Untergang des Römischen Reiches gerieten auch die Betonbauweisen der Römer zunehmend in Vergessenheit. Im Mittelalter spielte der Baustoff daher kaum noch eine Rolle. Erst in der Neuzeit setzten sich einzelne Betonbauweisen wieder verstärkt durch, insbesondere das so genannte Gussmauerwerk, eine Bauweise, bei der die äußeren Wandbegrenzungen mit echten Steinen gemauert werden, während man den Zwischenraum mit Beton auffüllt.

Erst im 19. Jahrhundert führte die Erfindung des modernen Zements zur Renaissance des Betons. Zwei Engländer waren dabei die Pioniere. Der Maurer Joseph Aspdin brannte 1824 erstmals Ton und Kalk zu Zement. Er tat dies auf der südenglischen Halbinsel Portland, weshalb man noch heute von Portland-Zement spricht. 20 Jahre später gelang es Isaac Charles Johnson die Rezeptur von Aspdin entscheidend zu verändern, indem er die Ausgangsstoffe Ton und Kalk bei höheren Temperaturen bis zum Schmelzpunkt brannte. Nach der Abkühlung entstanden dadurch steinartige Klinker. Das gemahlene Material ergab einen pulverförmigen Zement, der im Wesentlichen der Variante glich, die bis heute als Portland-Zement eingesetzt wird. Seitdem gibt es ein neues hydraulisches Bindemittel, das im Vergleich mit den Puzzolanen der Römer den großen Vorteil hat, dass es deutlich schneller trocknet.

Der Portlandzement leitete das moderne Betonzeitalter ein. Beton (mit Zement als Bindemittel) wurde nun im großen Maßstab wiederentdeckt. Ein alter Baustoff kam in veränderter Form neu in Mode. Die Renaissance eines Klassikers sozusagen.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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