
Urwüchsiges Kalksteingebirge im Nordosten Montenegros. Foto: Julian Nitzsche / www.pixelio.de
Kalk: Entstehung und Umwandlungsprozesse
Ohne Kalk wäre die Baustoffwelt um einiges ärmer. In Mauer- und Putzmörtel, Kalksandsteinen, Porenbeton sowie in vielen Farben – überall ist der Naturstoff enthalten. Nicht zu vergessen der größte Einsatzbereich: Zement. Denn auch der besteht ja meist aus Kalk und Ton. Der Bedarf ist also groß, das Angebot aber auch, denn immerhin fünf bis sieben Prozent der Erdkruste besteht aus Kalkstein. Schon frühzeitig hat der Mensch entdeckt, dass sich aus diesem Naturstoff ein vielseitig einsetzbares Bindemittel herstellen lässt, wenn man das zerkleinerte Gestein im Brennofen erhitzt und anschließend „löscht“.
Nach Angaben der Historiker nutzt der Mensch bereits seit über 14.000 Jahren Kalk als Baumaterial. Das Kalkgestein selbst ist noch weitaus älter. Die Gebirge in Deutschland etwa, wo der Rohstoff bis heute im Tagebau abgebaut wird, sollen bis zu 600 Millionen Jahre alt sein. Diese Vorkommen befinden sich vor allem in der heutigen Fränkischen Alb, der Schwäbischen Alb, im Rheinischen Schiefergebirge, im Thüringer Schiefergebirge, im Weserbergland und in der Westfälischen Bucht. In Urzeiten waren diese Gegenden noch kein Festland, sondern Meersgebiete.
Gestein aus Tierskeletten
Die Kalk-Ablagerungen in der Erdkruste sind ursprünglich aus den Überresten von Meerstieren entstanden. Der Stoff befindet sich unter anderem in den Skeletten und Schalen von Krebstieren, Korallen, Muscheln und Schnecken. Die Tierreste haben sich in hunderten von Millionen Jahren am Meeresboden abgelagert und dort immer mächtigere Sedimentschichten gebildet. Durch den zunehmenden Druck von oben verdichtete sich das Material immer mehr, bis es irgendwann zu Kalkstein wurde. Dieser ist von Natur aus grau-weiß, er kann aber auch andere Farben annehmen, wenn er mit zusätzlichen Elementen – meist natürliche Metallverbindungen – verunreinigt ist.
Kalkstein ist relativ weich und verwittert deutlich leichter als die meisten anderen Gesteine der Erde. Vor allem in saurem Wasser löst er sich schnell auf. Deshalb sieht man in Kalksteingebirgen stark zerklüftete Felsformationen mit vielen Höhlen, Rissen und Spalten. Die oft bizarr wirkenden Steinformationen verändern ihre Formen bis heute immer wieder von neuem, weil sich unaufhörlich Wasser durch die Gesteinsmassen frisst.
Übrigens gehören auch Marmor, Dolomitstein und Kreidegestein zu den natürlichen Kalksorten. Sie werden aber nicht wie der „normale“ Kalkstein zu Bindemitteln für die Baustoffindustrie verarbeitet. Chemisch betrachtet bestehen sie jedoch aus denselben Elementverbindungen – der Hauptunterschied liegt nur in der jeweiligen Größe der Mineralkristalle. So verfügt Marmor über besonders große Kristalle, während Kreide besonders feinkörnig ist. Gleichwohl handelt es sich bei all diesen Stoffen um Kalk beziehungsweise Kalkgestein.
Branntkalk

Zerkleinerter Kalkstein im Tagebau. Foto: weber.advisory / www.pixelio.de
Überhaupt wird der Begriff Kalk nicht besonders trennscharf verwendet. Man beschreibt damit eine relativ große Bandbreite an Materialien. Nicht nur die natürlichen Gesteinsvorkommen auf Basis von Calciumcarbonat werden als Kalk bezeichnet, sondern auch die industriell veredelten Produkte Branntkalk und Löschkalk. Das sind die künstlichen Kalkformen, die der Mensch zu Bauzwecken herstellt. Das mag ein wenig verwirrend sein, ist andererseits aber auch folgerichtig. Denn auch bei dem Kalk, den wir als Bindemittel zum Beispiel in Zement und Mörtel verwenden, handelt es sich trotz vieler Verarbeitungsschritte am Ende wieder um Calciumcarbonat. Um das zu verstehen, müssen wir uns etwas genauer anschauen, was bei der Herstellung von Kalkbindemitteln eigentlich passiert.
Die Kalkindustrie zerkleinert zunächst das abgebaute Naturgestein und erhitzt es in Brennöfen bei Temperaturen zwischen 900 und 1.200 °C. Dabei entweicht sowohl Wasser als auch Kohlendioxid und es entsteht Branntkalk (Calciumoxid). Aufgrund des verdampften Kohlendioxids ist dieses Material nicht mehr graufarben, sondern schneeweiß und außerdem deutlich leichter. Zugleich ist der entstandene Branntkalk aber auch stark alkalisch. Direkter Hautkontakt ist deshalb unbedingt zu vermeiden. Die Substanz führt zu Hautverätzungen und kann bei Augenkontakt sogar Erblindungen auslösen.
Löschkalk
Branntkalk zeigt außerdem heftige Reaktionen, wenn man ihm Wasser zusetzt. Es kommt zu einer starken Hitzefreisetzung. In der Industrie wird dieser Vorgang kontrolliert durchgeführt, privat sollte man es nicht nachmachen. Fügt man Wasser zu Branntkalk, so entsteht Löschkalk. Je nach Menge der Wasserzugabe entsteht so ein breiiger, mehliger oder pulveriger Stoff. Das Calciumoxid hat sich in Kalkhydrat (chemisch: Calciumhydroxid) verwandelt.
Doch das ist noch nicht das Ende der Umwandlungsprozesse. Während er gelagert wird, trocknet der Löschkalk und erhärtet dabei. Es entsteht eine Substanz, deren Konsistenz an Backpulver erinnert. Beim Erhärtungsprozess gibt das Kalkhydrat Wasser ab und nimmt zugleich Kohlendioxid aus der Luft auf. Dabei entsteht – chemisch betrachtet – erneut Calciumcarbonat, also die gleiche Elementverbindung, aus der auch der ursprüngliche Kalkstein besteht. Man spricht daher auch vom technischen Kalkkreislauf.
Allerdings liegt der industrielle Kalk nun in einer anderen Konsistenz vor: als weißes, pulverig-mehliges Bindemittel. Vermischt man dieses mit Sand, dann hat man einen Kalk-Trockenmörtel. Fügt man Wasser hinzu, erhält man eine breiige Mörtelsubstanz zum Mauern oder für den Putzauftrag.