
Der Transport ist heute nur ein kleiner Teil der umfassenden wirtschaftlichen Logistikprozesse. Foto: Thomas Siepmann/pixelio.de
Erklärt: Was meint „Logistik“?
Der Begriff „Logistik“ ist eines dieser Worte, die jeder kennt und von deren Bedeutung jeder zumindest eine vage Vorstellung hat. Irgendwas mit Transport eben. Auf Nachfrage können die meisten Menschen aber gar nicht so genau definieren, was Logistik eigentlich ist. Das liegt wohl daran, dass es sich um einen ziemlich abstrakten Oberbegriff handelt, der für viele unterschiedliche Prozesse im Wirtschaftsleben steht. So viel vorweg: Es geht nicht nur um Lkw, die von A nach B fahren.
Den wohl bekanntesten Lehrsatz zum Thema Logistik hat 1989 Reinhardt Jünemann geprägt. Seine berühmte 6-R-Regel lautet: „Der logistische Auftrag besteht darin, die richtige Menge der richtigen Objekte als Gegenstände der Logistik, am richtigen Ort, in der richtigen Qualität, zum richtigen Zeitpunkt, zu den richtigen Kosten zur Verfügung zu stellen.“
Jünemann lehrte lange Zeit als Professor an der Universität Dortmund und gründete auch das heutige Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik. 1995 erhielt er den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen – als „Begründer der Industriellen Logistik“ in Deutschland und für seine „friedvolle Definition der Logistik“. Um Letzteres zu verstehen, muss man wissen, dass der Begriff lange Zeit vor allem im Zusammenhang mit dem Militärwesen verwendet wurde.
Logistik und Militär
Zwar stammt das Wort Logistik ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet dort so viel wie „praktische Rechenkunst“, aber in den allgemeinen Sprachgebrauch ging es erst im 19. Jahrhundert ein. Ausschlaggebend waren damals neue Entwicklungen im Bereich der Militärstrategie, insbesondere im Zusammenhang mit den napoleonischen Kriegen. Napoleon hatte Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Feldzüge von so gigantischem Ausmaß geführt, wie es sie bis dahin nicht gegeben hatte. Da ihn seine Kriege bis nach Russland führten, war es im wahrsten Sinne des Wortes eine „generalstabsmäßige Aufgabe“, zur jeweils richtigen Zeit die Herstellung, Lagerung und den Transport der kriegsnotwendigen Güter zu organisieren.
Nachschub für die Truppen organisieren: Das verband man bis zum Zweiten Weltkrieg hauptsächlich mit dem Begriff Logistik. Erst in der Nachkriegszeit wurde das Wort zunehmend auf allgemeine Wirtschaftsprozesse angewandt – so wie in der 6-R-Regel. Wobei Jünemanns Definition eigentlich nur die Ziele von Logistik beschreibt und nicht darauf eingeht, mit welchen Mitteln diese Ziele erreicht werden. Die 6 R lesen sich wie eine Checkliste, die der Empfänger einer Ware durchgehen könnte, um zu prüfen, ob auch wirklich die richtigen Waren zu den vereinbarten Bedingungen geliefert wurden. Außerdem denkt man bei Jünemanns Satz in erster Linie an den Warentransport – doch das ist nur ein kleiner Teil von dem, was man heute unter Logistik versteht.
Ganzheitlicher Logistikbegriff

Lagerlogistik gehört zu den Kernkompetenzen eines Baustoff-Fachhändlers. Foto: Grimm
Auf der Website der Bundesvereinigung Logistik wird der Begriff – in Anlehnung an den Logistik-Experten Helmut Baumgarten – folgendermaßen definiert: „Logistik in Unternehmen beinhaltet die ganzheitliche Planung, Steuerung, Koordination, Durchführung und Kontrolle aller unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Güter- und Informationsflüsse.“
Diese Definition vermittelt immerhin eine Ahnung davon, worum es alles geht. Natürlich ist es immer das Ziel von Logistik, dass ein bestelltes Gut vom Absender beim Empfänger ankommt. Aber die logistischen Prozesse starten eben nicht erst dann, wenn die Gipsplatten auf den Lkw verladen sind, und sie enden auch nicht dann, wenn der Fahrer den Transport durchgeführt und die Ware beim Kunden abgeliefert hat. Logistik ist mehr: Sie umfasst sozusagen alle Bewegungen von Gütern, Personen, Informationen, Geld und Energie, die notwendig sind, damit der Gipsplattentransport von A nach B auch tatsächlich stattfindet.
Das beginnt streng genommen schon bei der Produktentwicklung und beim Marketing, das ein Unternehmen für seine Ware betreibt. Das setzt sich fort mit der Beschaffungs- und Produktionslogistik sowie natürlich mit der Lagerlogistik. Aber auch die Auftragsabwicklung – vom Auftragseingang über Auftragsbestätigung bis hin zur Rechnung an den Kunden und zu eventuellen Reklamationsbearbeitungen – wird in modernen Unternehmen als logistischer Prozess angesehen, der möglichst kostenoptimiert zu organisieren ist. Dasselbe gilt natürlich auch für Verpackung und Transport. Womit die Logistikprozesse, wie oben schon erwähnt, oft noch nicht enden. Es gibt ja schließlich noch die Entsorgungslogistik, mit der ein Unternehmen gegebenenfalls seine Rücknahme- und Recyclingpflichten organisiert.
Kostenoptimierung im Fokus
Viele der oben beschriebenen Prozesse – von der Auftragsabwicklung über die Verpackung bis hin zum Transport – wurden von Unternehmen auch schon vor Jahrhunderten organisiert, ohne dass man sie als logistische Prozesse bezeichnet hätte. Was die moderne Logistik aber vor allem von den Prozessen früherer Tage unterscheidet ist das ständige Streben nach Kostenoptimierung.
Heutige Unternehmen stehen oft in einem weltweiten Wettbewerb, in dem optimierte Kosten entscheidend fürs Überleben sind. In Gesellschaften mit weniger Konkurrenz oder Mangelwirtschaft ist der diesbezügliche Druck auf die Firmen geringer. In der DDR warteten die Menschen geduldig viele Jahre lang, bis ihr bestellter Trabi endlich eintraf. In Wettbewerbsgesellschaften hätten solche Autoproduzenten nicht den Hauch einer Chance.
Insofern hat die Globalisierung des Wettbewerbs in den vergangenen 50 Jahren entscheidend zur Geburt der modernen Logistik beigetragen. Es reicht heute nicht mehr aus, ein qualitativ gutes Produkt herzustellen. Die Unternehmen benötigen unter anderem auch ein funktionierendes Marketing, ein optimiertes Lager- und Transportwesen, einen attraktiven Internetauftritt oder einen guten Kundenservice. Kurzum: eine wettbewerbsfähige Logistik.