Gipskartonplatten: Der Klassiker im Trockenbau
Die USA sind das Mutterland des modernen Trockenbaus. Dort hatte der Erfinder und Unternehmer Augustine Sackett im Jahr 1894 das Patent für einen neuartigen Plattenwerkstoff angemeldet. Dieser bestand aus einem Gipskern, der beidseitig mit mehreren Lagen Karton beschichtet war. Damit war die Gipskartonplatte geboren.
Sackett hatte die Platte als Verkleidung für die Innenseiten von Gebäude-Außenwänden erfunden- und damit als eine neue Form von Trockenputz. Im 19. Jahrhundert hatten die Amerikaner ihre Häuser noch oft von innen mit Holzbrettern verkleidet, die dann mit Gips beschichtet wurden. Sacketts Erfindung versprach eine Vereinfachung bei der Verarbeitung, da die neuen Gipskartonplatten fix und fertig aus der Fabrik kamen und nur noch mithilfe von Gipsbatzen auf den Wanduntergrund geklebt werden mussten. Außerdem hatte das Material Vorteile gegenüber dem Werkstoff Holz – insbesondere, weil der Gipskern nicht brennbar ist.
Bei Feuchtebelastung quillt Gips zudem weniger stark auf als Holz, und es droht kein Schädlingsbefall wie bei feuchtem Holz. Gleichwohl eignen sich auch Gipskartonplatten nicht für stärkere Feuchtebelastungen und sollten daher nur im Innenbereich verwendet werden. Bei starker Feuchtigkeit kommt es zur Zersetzung des Gipskerns, und die Kartonschicht bildet schon bei hoher Luftfeuchtigkeit einen Nährboden für Schimmel aus.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Gipskartonplatten werden auch heute noch oft als Trockenputz direkt auf Massivwände aufgeklebt. Darüber hinaus haben sich die Platten als universell einsetzbare „Allrounder“ für unterschiedlichste Trockenbaukonstruktionen etabliert. Ein Haupteinsatzgebiet ist der Bau von leichten, nicht tragenden Innenwänden, bei denen das Material als Beplankung auf Unterkonstruktionen verwendet wird. Auch abgehängte Decken und Dachschrägen werden sehr häufig mit den Platten verkleidet.
Weitere Anwendungen sind zum Beispiel so genannte Verkofferungen für die Verkleidung von Stützen, Trägern, Elektroleitungen oder Sanitärinstallationen. Oft werden für solche Anwendungen spezielle Gipskartonplatten eingesetzt, die zum Beispiel besondere Feuer-, Schall- oder Feuchteschutzanforderungen erfüllen. Auch als Unterbodenmaterial kommen Gipskartonplatten gelegentlich zum Einsatz, allerdings bestehen „Trockenstriche“ weitaus häufiger aus den stabileren Gipsfaserplatten.
Später Durchbruch in Europa
Wer heute von Trockenbau spricht, hat meist Gipskartonplatten im Kopf. Das Material hat andere Beplankungswerkstoffe – insbesondere die auf Holzbasis – weitgehend verdrängt. Augustine Sackett musste allerdings lange auf den Durchbruch seiner Erfindung warten. Er wurde selbst zum Unternehmer und betrieb eine Plattenfabrik – jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Erst um 1910 war der Markt reif für die industrielle Produktion im größeren Rahmen. Ein paar Jahre später verkaufte Sackett seine Produktionsanlagen an die Firma US-Gypsum (USG), wo er als Direktor angestellt wurde. USG ist heute der größte amerikanische Gipsplattenhersteller.
Auf dem europäischen Festland begann die industrielle Produktion von Gipskartonplatten sogar erst 1938 mit einem Werk im lettischen Riga. Aus dem Begriff „Rigaer Gips“ wurde später der Firmen- und Markenname Rigips. In Deutschland begann der Siegeszug des kartonummantelten Gipses sogar erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.