Den automatischen Wechselprozess veranschaulicht ein Youtube-Video (Link siehe unten). (Quelle: Fraunhofer IVI)

Plus 2024-04-03T08:00:00Z Batteriewechselstation für Lkw eröffnet

Baustofftransporte finden meist auf der Straße statt. Der Fernverkehr mit Verbrennungsmotoren verursacht aber leider viele CO2-Emissionen. Elektrisch betriebene Lkw dagegen haben es bislang schwer, weil ihre Batterieladung für größere Distanzen nicht ausreicht und die Speditionen lange Zeiten zum Aufladen scheuen. Und wenn das gar nicht nötig wäre? In Brandenburg wird seit ein paar Monaten eine vollautomatische Batteriewechselstation für schwere Lkw getestet.

Die Eröffnung der Batteriewechselstation für schwere Elektro-Nutzfahrzeuge fand am 23. November im brandenburgischen Lübbenau statt – etwa 80 km südöstlich von Berlin. Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz entstand dort die europaweit erste Station dieser Art. Sie wird aktuell von zwei am Projekt beteiligten Logistik-Unternehmen getestet. Die Partner nutzen die Station auf Strecken zwischen Berlin und Dresden mit ihren 40-Tonnen-Lkw, die mit Wechselbatterien ausgestattet sind.

Entwickelt wurde das Batteriewechselsystem im Forschungsprojekt „eHaul“ – unter Leitung des Fachgebiets „Fahrerverhaltensbeobachtung für energetische Optimierung und Unfallvermeidung“ (FVB) an der TU Berlin. Neben Praxispartnern aus den Bereichen Logistik, Systemtechnik, Software, Automobiltechnik und Energie gehörte auch das Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (Fraunhofer IVI) zu den Projektbeteiligten. Das Institut liefert das Monitoringsystem für Station und Test-Fahrzeuge. Damit werden wertvolle Daten aus dem Probebetrieb erhoben.

Wechseln statt aufladen

Wie kann man mit großen E-Lkw schon in naher Zukunft hohe Tagesfahrleistungen erreichen, wie sie etwa im Fernverkehr oder im Mehrschichtbetrieb benötigt werden, ohne dass es zu deutlichen Mehrkosten beziehungsweise zu Zeit- und Flexibilitätseinbußen auf Seiten der Logistik-Unternehmen kommt? Wie kann die dafür notwendige Energie ohne Überlastung des Stromnetzes „an die Straße“ gebracht werden? Aus Sicht der Forschenden am eHaul-Projekt ist der Batteriewechsel ein interessanter Lösungsansatz für die zentralen Probleme bei der Elektrifizierung des schweren Straßengüterverkehrs.

Die Batteriewechselstation in Lübbenau am Tag ihrer Eröffnung. (Quelle: Fraunhofer IVI)

„Da man die Batterie nicht endlos vergrößern kann, ohne gleichzeitig andere Verbrauchsfaktoren negativ zu beeinflussen, schauen wir uns die Option des Batteriewechsels an“, erläutert Jens-Olav Jerratsch, Teamleiter am Fachgebiet FVB der TU Berlin. „Eine weitere Möglichkeit wäre eine Schnellladefunktion, wie sie auch von Pkw genutzt wird. Für Lkw würde das aber zum einen eine sehr hohe Ladeleistung bedeuten – also eigentlich ein Kraftwerk neben der Ladestation –, wenn man bedenkt, dass im Regelbetrieb mehrere Lkw gleichzeitig geladen werden müssten“. Zum anderen wirke sich das Schnellladen negativ auf die Lebensdauer der Batterien aus.

In der eHaul-Batteriewechselstation ist das Schnellladen dagegen komplett überflüssig. Stattdessen werden die entladenen Antriebsbatterien der Lkw in wenigen Minuten gegen geladene Batterien aus dem Lager der Station ausgetauscht. Dies geschieht vollautomatisch mithilfe eines eigens entwickelten Wechselroboters. Der Wechselvorgang soll selbst bei großen 40-Tonnen-Lkw und 440 kWh fassenden Fahrzeugbatterien innerhalb von nur rund zehn Minuten abgeschlossen sein. Wie der Wechselprozess im Detail funktioniert, veranschaulicht dieses Youtube-Video des Fraunhofer IVI.

Höchstmaß an Flexibilität

Anschließend kann das Fahrzeug mit vollen Batterien sofort wieder auf die Straße. Derweil wird die entleerte Batterie mit geringer Leistung wieder aufgeladen. Dieses Vorgehen schont die Batterien, erfordert nur vergleichsweise geringe Netzanschlussleistungen und reduziert die durch die Elektrifizierung des Güterverkehrs entstehende Zusatzbelastung des Stromnetzes. Für das langsame Aufladen genügen in der Regel bereits vorhandene Netzanschlüsse.

So sieht das Logo des eHaul-Projekts aus. (Quelle: www.ehaul.eu)

Während in Deutschland und Europa der Batteriewechsel bei großen Lkw noch ein Forschungsthema ist, hat er sich in China bereits in der Praxis bewährt. Die eHaul-Projektverantwortlichen sind daher überzeugt davon, dass die Nutzungskosten eines Batteriewechsel-Fahrzeuges vergleichbar mit denen anderer Antriebs- und Ladetechnologien sein werden. Für Logistikunternehmen hat das System nicht zuletzt den Vorteil, dass sie nicht an die räumliche und zeitliche Koppelung von Ladestopp und gesetzlich vorgeschriebener Pause gebunden sind. Der Batteriewechsel ermöglicht ihnen ein Höchstmaß an Flexibilität in der Distribution.

Gleichwohl erfordert die Lösung nicht nur entsprechende Batteriewechselstationen, sondern auch eine angepasste Technik auf Seiten der Fahrzeuge und Batterien. „Wir beschäftigen uns damit, wie die Batterien am Lkw zu befestigen und kontaktieren sind, damit sie schnell und unkompliziert gewechselt werden können“, nennt Jens-Olav Jerratsch einen Aspekt. Um das Austauschprinzip künftig mit vielen Wechselstationen in die Praxis umsetzen zu können, ist zudem eine Standardisierung der Wechselbatterien notwendig. Darum soll es nun im Nachfolgeprojekt „UniSwapHD“ gehen.

Dieser Text ist eine Aktualisierung des BaustoffWissen-Beitrags „E-Lkw: Automatischer Batteriewechsel“ von Juni 2021.

zuletzt editiert am 03. April 2024