Erstmaliger Einbau der HBV-Decken in Amstetten. (Quelle: fischer)

Plus 2024-11-14T08:00:00Z Geklebte Holz-Beton-Verbunddecke

Im österreichischen Amstetten wurde ein besonderes Pilotprojekt umgesetzt. Bei der Sanierung eines Wohnhauses in der Villenstraße kam eine Holz-Beton-Verbunddecke zum Einsatz, bei der die unterschiedlichen Materialien nicht mechanisch, sondern per Klebeverfahren zusammengefügt wurden.

Holz und Beton miteinander zu Decken zu verkleben, ermöglicht, die Effizienz im Herstellungsprozess enorm zu steigern. Der Befestigungsspezialist Fischer und die Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) haben daher gemeinsam ein neues Herstellungsverfahren für Holz-Beton-Verbunddecken (HBV-Decke) entwickelt, bei dem ein Epoxidharz-Klebstoff von Fischer zum Einsatz kommt.

Prototypischer Einbau

An der BOKU ist Prof. Benjamin Kromoser für das gemeinsame Projekt verantwortlich. Er ist ein alter Bekannter der Unternehmensgruppe Fischer, hatte er doch von 2018 bis 2022 die Fischer-Stiftungsprofessur für „Biobasiertes Konstruieren“ an der Wiener Universität inne. Auch danach blieb er an der BOKU, wo er heute als Professor für ressourceneffizienten Hochbau und Leiter des neu gegründeten Instituts für Hochbau, Holzbau und kreislaufgerechtes Bauen arbeitet.

Prof. Kromoser erprobt das HBV-Bausystem bei einem privaten Sanierungsvorhaben. (Quelle: fischer)

Um die gemeinsam mit Fischer entwickelten geklebten HBV-Verbunddecken praktisch erproben zu können, stellte Prof. Kromoser seine eigene Immobilie zur Verfügung. Bei der Sanierung des 94 Jahre alten Wohnhauses in Amstetten (Niederösterreich) wurden die werkseitig bereits vollständig vorgefertigten Deckenelemente im 1. Quartal 2024 zum ersten Mal prototypisch eingebaut. Produziert hat sie die MMK Holz-Beton-Fertigteile GmbH aus Wöllersdorf. Den Einbau übernahmen Zimmerer vom Lagerhaus Meister-Center Zwettl.

In dem viergeschossigen Haus mit seinen 48 cm dicken Außenmauern, das über eine Grundfläche von 10,5 m x 12 m und insgesamt 280 m2 Nutzfläche verfügt, wurden HBV-Decken in zwei Geschossen auf rund 150 m2 verbaut. Die hoch tragfähigen Elemente wurden zusätzlich mit einer werksseitig installierten Bauteilaktivierung zum Kühlen und Heizen der Räume ausgestattet. In einer benachbarten Garage verbauten die Zimmerer zudem auf 45 m2 eine Flachdecke, die aus einer durchgehenden Beton- und einer Brettsperrholz-Platte hergestellt wurde.

Beim Einbau wurde unterschiedliche Montageverfahren umgesetzt. Zum einen verankerten die Zimmerer die Decken in die Bestandswand, zum anderen wurden sie wie im Neubau auf den Mauerkranz aufgelegt. „Dass ich nachhaltiges Bauen im konstruktiven Kontext nicht nur in der Lehre vermittle, sondern auch lebe und tue, das ist meine Profession und Leidenschaft“, sagt Prof. Kromoser. „Mein eigenes Objekt ist daher ideal für die erste prototypische Praxisanwendung unseres HBV-Bausystems und wird zum Erkenntnisgewinn über die Innovation beitragen.“

Effizient und nachhaltig

Nach Angaben der Partner Fischer und BOKU ermöglicht ihr Verfahren nicht nur die effizientere Herstellung von HBV-Decken, sondern ist auch nachhaltiger als die Verwendung mechanischer Verbindungsmittel. Da sich die verklebten Fugen zwischen den Materialien Beton und Holz später wieder sauber trennen lassen, werde eine anschließende Zerkleinerung der Betonplatte ermöglicht. Geklebte HBV-Decken hätten zudem den Vorteil, dass sich die Holz- und Betonelemente separiert voneinander herstellen lassen. Dies führe zu einem geringeren Feuchteeintrag ins Holz sowie eine höhere Flexibilität des gesamten Fertigungs- und Lagerungsprozesses.

Die geklebte Verbunddecke wird im Werk komplett vorgefertigt. (Quelle: fischer)

Eine HBV-Decke ist im Prinzip eine Holzbalkendecke mit einer zusätzlichen Betonplatte auf der Oberseite. Die Verbindung zwischen den Materialien Holz und Beton erfolgt bisher meist mithilfe von Verbundschrauben. Oder man befestigt im Holz spezielle Verbindunganker (so genannte Schubverbinder), die oben aus den Balken herausragen und zusammen mit der Stahlbewehrung einbetoniert werden. Letzteres erfordert dann aber den Einsatz von Frischbeton auf der Baustelle. Beide mechanischen Verfahren haben zudem Nachteile: Die Verschraubung der HBV-Elemente ist sehr zeitaufwändig, und durch den Einsatz von Frischbeton ergeben sich ein erhöhter Feuchteeintrag und eine längere Bauzeit.

Aufgrund dieser Nachteile waren HBV-Elemente im Vergleich zur reinen Betonbauweise bisher bei vielen Bauobjekten nicht konkurrenzfähig. Durch neue Klebetechniken könnte sich das ändern, weil dadurch aufwändige Verschraubungen und zugleich der Eintrag von Frischbeton ins Bauwerk entfallen. Deshalb wird zu geklebten HBV-Elementen derzeit viel geforscht – nicht nur in Österreich, sondern zum Beispiel auch am deutschen Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI. Über ein entsprechendes Projekt am Fraunhofer WKI haben wir im Januar 2021 bereits im BaustoffWissen-Beitrag „Holz-Beton-Verbund: Neue Klebtechnik“ informiert.

Bauweise der Zukunft?

„Gerade im mehrgeschossigen Wohnbau ist das gute Verhältnis der Steifigkeit, Bauhöhe und Nachhaltigkeit der geklebten Holz-Beton-Verbunddecken als Bauweise für die Zukunft attraktiv“, meint Prof. Kromoser. „Holz sorgt dabei für die Zug- und Beton für die Druckfestigkeit. Durch den Klebeverbund dieser Materialien in der Fuge werden eine hohe Tragfähigkeit und eine verbesserte Steifigkeit und damit geringere Durchbiegungen des gesamten Elements im Vergleich zu punktuellen Befestigungen erzielt.“

HBV-Decken ermöglichen durch ihre Materialkombination zugleich eine geringere Bauhöhe und somit schlankere Bauweisen als reine Holzkonstruktionen, wodurch Räume effizienter genutzt und Gebäude insgesamt niedriger ausgeführt werden können. Zudem lässt sich der Einsatz von Beton reduzieren, was zu einer besseren CO2-Bilanz führt. „Durch den neuen Klebeverbund gestaltet sich nun zusätzlich der Herstellungsprozess effizienter“, ergänzt Prof. Kromoser.

zuletzt editiert am 12. November 2024