Dr. Andrea Burdack-Freitag streicht das Adsorber-Gel auf einen kontaminierten Holzbalken. (Quelle: Fraunhofer IBP)

Plus 2024-03-20T08:00:00Z Giftige Holzschutzmittel entfernen

Im Rahmen des Projekts „Cyclo-Plasma“ haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik ein neuartiges Verfahren entwickelt, das Schadstoffe aus giftigen Holzschutzmitteln rückstandsfrei und gesundheitlich unbedenklich entfernen soll − sowohl in der Luft als auch in den kontaminierten Holzkonstruktionen.

In Deutschland gibt es etwa 3 Mio. Gebäude, die mit den giftigen Holzschutzmitteln Lindan und Pentachlorphenol (PCP) belastet sind. Vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren kamen diese zum Einsatz, um insbesondere Holzbalken und Holzverkleidungen in Innenräumen sowie im Dachstuhlbereich vor Pilz- und Insektenbefall zu schützen. Seit 1989 sind beide Substanzen in Deutschland verboten, da sie sich als krebserregend und neurotoxisch erwiesen. Von den kontaminierten Holzkonstruktionen geht aber auch heute noch eine Gesundheitsgefahr aus.

Projekt Cyclo-Plasma

Bei bisherigen Maßnahmen zur Minimierung der Schadstoffbelastung ging es in der Regel darum, die betroffenen Bereiche vom Innenraumbereich zu isolieren. Alternativ wurden die Holzbaustoffe auch komplett als Sondermüll entsorgt. Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (Fraunhofer IBP) sind beide Methoden weder nachhaltig noch kostengünstig. Versuche, Belastungen durch giftige Holzschutzmittel durch eine erhöhte Luftwechselrate in Innenräumen zu verringern, sind wiederum keine grundsätzliche Problemlösung.

Das Cyclodextrin-Gel adsorbiert die giftigen Holzschutzmittel. (Quelle: Fraunhofer IBP)

Im Projekt Cyclo-Plasma hat das Institut daher ein ganz neues Verfahren entwickelt. Es soll die auch nach Jahrzehnten noch vorhandenen Schadstoffe rückstandsfrei, nachhaltig und gesundheitlich unbedenklich entfernen − sowohl in der Luft als auch in den kontaminierten Holzkonstruktionen. Die Lösung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kombiniert ein innovatives Adsorber-Gel, das sich wie eine Lasur auf die Holzoberflächen auftragen lässt, mit einem Verfahren zur Raumluftreinigung auf Basis der Plasmatechnologie.

In Laboruntersuchungen ist es den Forschenden bereits gelungen, vorhandene Schadstoffe mit dem Verfahren komplett abzubauen. Derzeit findet die praktische Erprobung der Technologie im kontaminierten Dachgeschoss der historischen Thürlmühle im Freilichtmuseum Glentleiten (Oberbayern) statt.

Dort hat man durch Auftragen des Adsorber-Gels die Schadstoffbelastung auf ein Drittel der Ausgangskonzentration gesenkt. Allerdings wurde die Rezeptur bisher nur dünn aufgebracht, bei einem dickeren Auftrag erwarten die Forschenden eine weitere Senkung der Schadstoffkonzentration. Im Januar 2024 starteten darüber hinaus auch die Tests mit der kombinierten Adsorber- und Plasmatechnologie.

Breites Anwendungsspektrum

Sollte aus dem Cyclo-Plasma-Projekt ein marktreifes Produkt hervorgehen, gäbe es dafür ein breites Anwendungsspektrum sowohl in privaten als auch in öffentlichen Gebäuden. Vor allem Häuser aus den 70er- und 80er-Jahren dürften betroffen sein, darunter auch viele kommunale Behörden oder auch Kindergärten und Schulen.

„Denkbar ist auch die Restaurierung von Holzmöbeln und Holzobjekten“, fügt Dr. Andrea Burdack-Freitag vom Fraunhofer IBP hinzu. Der Adsorber-Anstrich eigne sich zudem möglicherweise auch für andere Baumaterialien wie Beton und Estriche, sofern diese ebenfalls Lindan und/oder PCP enthalten. Für die Anwendung bei diesen Baustoffen stünden Tests mit potenziellen Industriepartnern allerdings noch aus.

Doch warum kamen Holzschutzmittel gegen Pilz- und Insektenbefall eigentlich überhaupt in Innenräumen zum Einsatz? Schließlich ist ein Befall durch Holzschädlinge in wettergeschützten Bereichen eher unwahrscheinlich. Tatsächlich waren Biozid-haltige Holzschutzmittel in Innenräumen auch früher eher die Ausnahme. Allerdings schrieb die DIN 68800 in den 70er- und 80er-Jahren noch ausdrücklich vor, dass statisch tragende Holzbauteile mithilfe von Holzschutzmitteln vor Zersetzung durch Insekten und Pilze zu schützen sind.

Die damalige DIN-Regelung erklärt, warum kontaminierte Holzkonstruktionen in Altbauten besonders häufig bei freiliegenden Dachbalken und Dachsparren zu finden sind. Bis in die 1980er-Jahre hinein wurden tragende Gebäudeteile aus Holz – insbesondere im Fertighausbau – mit Holzschutzmittel behandelt, die Fungizide wie PCP und Insektizide wie Lindan enthielten. Mittlerweile fordert die DIN 68800 übrigens, auf chemische Holzschutzmittel in Wohngebäuden – auch bei tragenden Bauteilen – möglichst ganz zu verzichten. Weitere Infos zu diesem Thema bietet auch der BaustoffWissen-Beitrag „Holzpflegemittel für den Innenbereich“.

Adsorber-Gel und Luftreinigung

Doch zurück zum Cyclo-Plasma-Projekt. Das von den Forschenden entwickelte Adsorber-Gel enthält Cyclodextrine-Moleküle (CD) als wirksame Substanz. Diese sind in der Lage, Schadstoffe wie Lindan und PCP einzufangen und zu binden. „Bei den Cyclodextrinen handelt es sich um ringförmige Dextrosemolekül-Ketten, die enzymatisch aus der Stärke gewonnen werden“, erläutert Dr. Andrea Burdack-Freitag. „Die Ringstrukturen aus Zuckerketten umschließen das Lindan und PCP in einem Hohlraum und kapseln sie somit komplett ein.“

Raumluftprobenahme in der historischen Thürlmühle des Freilichtmuseums Glentleiten. (Quelle: Fraunhofer IBP)

Cyclodextrine liegen für gewöhnlich als weißes Pulver vor und wurden bereits vor 100 Jahren entdeckt. Man setzt sie bereits seit Längerem bei der Sanierung von Erdboden ein, wenn dieser durch Schwermetalle oder Öl verunreinigt ist. In der Medizin verwendet man sie, um Wirkstoffe verzögert freizusetzen. Das Fraunhofer IBP hat nun aus CD eine gelartige Rezeptur formuliert, die sich zerstörungsfrei auf Holzflächen auftragen lässt.

Die farblose Substanz ist ungiftig, biologisch abbaubar sowie abwaschbar und bietet keinen Nährboden für Schimmelbildung. „Die Rezeptur sickert in die Poren des Holzes ein, wo sie die Schadstoffe wie ein Schwamm aufsaugt“, sagt Burdack-Freitag. Sind zu viele giftige Substanzen vorhanden, können sie allerdings nicht komplett adsorbiert werden. Die überschüssigen Schadstoffe werden dann in die Innenraumluft abgegeben.

Deshalb sieht das Cyclo-Plasma-Verfahren auch eine Raumluftreinigung mithilfe der Plasmatechnologie vor. Plasmageräte saugen schädliche Stoffe aus der Luft auf und machen sie unschädlich. Dr. Andrea Burdack-Freitag: „Elektroden im Gehäuse erzeugen ein Plasmagas, durch das der Luftstrom mit den Schadstoffen durchgezogen wird. Das Plasmagas baut das Lindan und PCP chemisch ab. Zusätzlich verhindern Aktivkohlefilter, dass gasförmige Abbauprodukte aus dem Gerät entweichen können“.

zuletzt editiert am 15. März 2024