Der Begriff Kaskade stammt eigentlich aus der Gartenbaukunst und meint dort einen künstlich angelegten Wasserfall, der über mehrere Stufen fließt. Im Zusammenhang mit Holz bedeutet Kaskadennutzung, dass man den Rohstoff über mehrere Stufen zu unterschiedlichen Zwecken immer wieder von Neuem nutzt, anstatt ihn nach einmaliger Nutzung – zum Beispiel als Baustoff oder Möbelmaterial – einfach verbrennt.
Holz gewinnt man bekanntlich aus Bäumen, und die sind gut für das Weltklima – unter anderem, weil in ihrem Stammholz große Mengen CO2 gebunden sind. Die Pflanze nimmt das Treibhausgas durch Photosynthese aus der Atmosphäre auf und speichert es in Form von Kohlenstoff. Wird ein Baum gefällt und sein Holz zu Produkten verarbeitet, bleibt der größte Teil des Kohlendioxids weiterhin im Material gespeichert. Verheizt man den Naturrohstoff dagegen als Brennholz, wird das CO2 wieder in die Atmosphäre freigesetzt.
Möglichst viele Produktleben
Verbrennen ist die typische Endnutzung für Holz und muss auch nicht generell verteufelt werden. Immerhin ist Holz auf diese Weise selbst im Moment seiner Vernichtung noch wertschöpfend. Denn beim Verbrennen entsteht Wärme, die sich zu Heizzwecken nutzen lässt. Wer mit Holz heizt, spart dadurch unter Umständen andere klimaschädliche Brennstoffe wie Öl und Gas ein.

Unstrittig bleibt dennoch, dass es nachhaltiger und klimafreundlicher ist, wenn man Holz erst verbrennt, nachdem es nicht nur einziges, sondern möglichst viele Produktleben durchlaufen hat. Wenn also eine Kaskadennutzung realisiert wird, bei der das im Holz gespeicherte Kohlendioxid dort so lange wie möglich verbleibt.
Im „Glossar zum Ressourcenschutz“, das vom Umweltbundesamt (Deutschlands zentrale Behörde für den Umweltschutz) Anfang 2012 veröffentlicht wurde, findet sich folgende Definition des Begriffs Kaskadennutzung:
„Eine Strategie, Rohstoffe oder daraus hergestellte Produkte in zeitlich aufeinander folgenden Schritten so lange, so häufig und so effizient wie möglich stofflich zu nutzen und erst am Ende des Produktlebenszyklus energetisch zu verwerten. Dabei werden sogenannte Nutzungskaskaden durchlaufen, die von höheren Wertschöpfungsniveaus in tiefere Niveaus fließen. Hierdurch wird die Rohstoffproduktivität gesteigert.“
Das Gegenteil von Kaskadennutzung wäre es demnach, wenn Holz aus dem Wald nach der Ernte direkt als Energieholz genutzt, also ohne vorherige stoffliche Nutzung direkt verbrannt wird. Nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) galt das im Jahr 2020 immerhin noch für 25 bis 28 % des jährlichen Holzeinschlags im deutschen Wald.
Stand der Kaskadennutzung
Die FNR, die in Deutschland Forschungsprojekte im Bereich nachwachsender Rohstoffe für das Bundeslandeswirtschaftsministerium koordiniert, verweist darauf, dass Kaskadennutzung bei Holzprodukten nicht nur Klimaschutz bedeutet, sondern auch zur Versorgungssicherheit in der Holzwirtschaft beiträgt. Angesichts einer steigenden Nachfrage nach Holz bei gleichzeitig begrenzten Anbauflächen sei Kaskadennutzung nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch vorteilhaft. Sie helfe, die Ressourceneffizienz der Holzernte zu steigern, den Nutzungsdruck auf den Wald zu reduzieren und die Holzversorgung auch für künftige Generationen sicherzustellen.
Nach Angaben der FNR lag der so genannte Kaskadenfaktor für Holzprodukte im gesamteuropäischen Markt 2022 bei einem Wert von 1,57. Der Kaskadenfaktor drückt aus, wie oft das direkt aus dem Wald geerntete Primärholz durch mehrfache Nutzung von sekundärem Material (Rest- und Recyclingholz) verwendet wurde. In Europa war das 2022 also mehr als anderthalbmal der Fall. Immerhin – könnte man sagen. Aber es geht sicher noch viel mehr.
Im deutschen Holzmarkt lag der Kaskadenfaktor im Jahr 2020 bei 2,21. Demnach wurden hierzulande aus einem Kubikmeter Primärholz zwei Kubikmeter sekundäre Holzprodukte hergestellt. Die Zahl haben wir der Website der FNR entnommen, die sich dabei auf Ergebnisse des Forschungsprojekts „Systematisches Rohstoffmonitoring Holz“ beruft, in dem Stoffströme aller Holzrohstoffe in Deutschland über den Zeitraum von 1990 bis 2020 erfasst wurden.
Typische Kaskadenstufen
Wenn ein Holzprodukt am Ende seines Produktlebenszyklus steht, ist davon auszugehen, dass das übrigbleibende Altholz nicht mehr von gleich hoher Qualität ist wie zu Beginn des Produktlebens. Insofern überrascht es nicht, dass Kaskadennutzung meist Downcycling bedeutet.
Aber auch aus Vollholz von verminderter Qualität lassen sich oft noch sinnvolle Nachfolgeprodukte herstellen, und in jedem Fall kann man das Material ja noch zerkleinern und daraus Span- oder Faserplatten herstellen. Diese Holzwerkstoffe finden sowohl im Möbelbau als auch im Innenausbau sowie als Trägermaterial für viele Boden- und Wandbeläge breite Anwendung.
Die Weiternutzung als Holzwerkstoff erlaubt sogar mehrere Kaskadenstufen hintereinander. Zunächst kann man Holzspäne aus Altholz gewinnen und daraus Spanholz herstellen. Die bei dieser Variante mit einem Bindemittel zusammengehaltenen Späne sind noch mit bloßem Auge gut erkennbar. Haben die Spanholzplatten irgendwann ihren Produktlebenszyklus vollendet, kann man die Späne weiter bis auf die Ebene der Holzfasern zerkleinern. Daraus lassen sich dann zum Beispiel Faserholzplatten herstellen, bei denen eine Holztextur gar nicht mehr erkennbar ist, die aber dennoch vielfältige Einsatzbereiche haben.
Die im Holz enthaltenen Pflanzenfasern sind aber auch für ganz andere Produkte nutzbar. Bekanntestes Beispiel ist Papier, das zu großen Teilen aus Zellulosefasern besteht, wie sie in Holz vorkommen. Ein weiteres Einsatzfeld sind Zellulose-Dämmstoffe. Auch die Holzbestandteile Lignin und Hemicellulose können als chemische Bestandteile auf vielfältige Weise in die Herstellung unterschiedlichster neuer Produkte einfließen.
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Übrigens ist Kaskadennutzung zwar oft, aber längst nicht immer Downcycling. So hat gut erhaltenes Altholz für viele Menschen ja einen ganz besonderen Charme und wird daher nicht selten als durchaus hochwertiges Re-Use-Material für zum Beispiel Vollholz-Möbel, Parkettböden oder auch Wandvertäfelungen verwendet. Und selbst mit eher minderwertigem Holz ist durchaus auch ein Upcycling möglich – beispielsweise, wenn aus alten Holzpaletten neue Möbel werden.