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Aller guten Dinge sind drei: Zeugnisse zum Ausbildungsende
Mit Zeugnissen wird in der dualen Berufsausbildung nicht gegeizt. Wenn du deine Abschlussprüfungen bestanden hast, gibt es gleich drei auf einmal: das Prüfungszeugnis, das Berufsschulzeugnis und das betriebliche Ausbildungszeugnis.
Das Prüfungszeugnis stellt die für deinen Beruf „zuständige Stelle“ aus. Bei den Ausbildungsberufen im Baustoff-Fachhandel ist das die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Das Zeugnis ist deshalb mit „IHK-Prüfungszeugnis“ überschrieben, man spricht aber auch oft einfach vom „Kammerzeugnis“.
IHK-Prüfungszeugnis
Dieses Zeugnis ist eine Urkunde, in der festgehalten wird, dass du die Abschlussprüfung an der IHK bestanden und welchen Beruf du überhaupt erlernt hast. Die Berufsbezeichnung wird gegebenenfalls noch mit deiner Schwerpunktwahl konkretisiert. Das Kammerzeugnis enthält ferner das Gesamtergebnis deines Abschlusses (Punktanzahl und Note). Kurzum: Es handelt sich um ein sehr wichtiges Dokument für spätere Bewerbungen.
Außerdem stehen in der Urkunde auch die Ergebnisse der einzelnen Prüfungsteile. Beim Beruf Kaufmann/-frau im Groß- und Einzelhandel mit Schwerpunkt Großhandel bedeutet das zum Beispiel, dass die Ergebnisse der drei schriftlichen Prüfungsfächer „Großhandelsgeschäfte“, „Kaufmännische Steuerung und Kontrolle, Organisation“ und „Wirtschafts- und Sozialkunde“ sowie das Ergebnis der mündlichen Prüfung („Praktische Übungen“) aufgelistet werden. Außerdem kannst du bei der IHK beantragen, dass auch der Notendurchschnitt deines Berufsschulzeugnisses in das Kammerzeugnis eingetragen wird.
Berufsschulzeugnis
Von deiner Berufsschule bekommst du am Ende der Ausbildung ebenfalls ein Abschlusszeugnis. Darin stehen die jeweils letzten Noten für alle Unterrichtsfächer, die dir während der Berufsschulzeit erteilt wurden. Außerdem ist auf dem Zeugnis vermerkt, dass du die Berufsschule mit Erfolg besucht hast. Bei zu schlechten Noten in den Unterrichtsfächern kann es nämlich auch sein, dass man den Berufsschulabschluss nicht erreicht!
Wenn du den Abschluss wegen zu schlechter schulischer Leistungen nicht schaffst, dann bekommst du nur ein so genanntes Abgangszeugnis. Da stehen ebenfalls die letzten Noten der Unterrichtsfächer drin, aber es fehlt eben der Hinweis, dass die Schule erfolgreich besucht wurde. Ganz wichtig: Ein fehlender Berufsschulabschluss bedeutet nicht, dass du von der IHK-Prüfung ausgeschlossen wirst! Du kannst diese bestehen und damit einen Berufsabschluss erwerben – auch dann, wenn du keinen Berufsschulabschluss hast.
Heißt das nun, dass das Berufsschulzeugnis egal ist? Ganz so kann man das nicht sagen. Nur ein Abgangszeugnis zu haben, kann beispielsweise ein Nachteil bei Bewerbungen sein. Und es kommt noch etwas anderes hinzu: Mit einem erfolgreichen Berufsschulabschluss kann man auch fehlende Schulabschlüsse nachholen. Die genauen Bedingungen dafür unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, aber grundsätzlich gilt: Mit einem Berufsschulabschluss kann man sowohl einen Hauptschulabschluss nachholen als auch – bei guten Noten – die Fachhochschulreife erlangen. Es wäre dumm, wenn du eine solche Chance verschenkst, weil du meinst, dass man sich in der Berufsschule nicht anstrengen müsse.
Betriebliches Ausbildungszeugnis
Schließlich gibt es noch das Zeugnis, dass dein Betrieb dir ausstellt: das betriebliche Ausbildungszeugnis. Darauf hast du nach §16 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) einen gesetzlichen Rechtsanspruch. Dort ist ferner festgelegt, dass das Zeugnis Angaben über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Auszubildenden enthalten muss.
Allerdings ist ein Zeugnis, das nur die genannten Pflichtinhalte enthält, für deine Bewerbungen nicht besonders gut geeignet. Es handelt sich eben nur um ein einfaches Ausbildungszeugnis, in dem jegliche Bewertung deiner Leistung fehlt. Du solltest daher deinen Betrieb darauf hinweisen, dass du kein einfaches, sondern ein qualifiziertes Ausbildungszeugnis wünschst. Darauf hast du nämlich ebenfalls einen Rechtsanspruch, denn in §16 BBiG heißt es auch: „Auf Verlangen Auszubildender sind auch Angaben über Verhalten und Leistung aufzunehmen.“
Wenn du dich nur mit einem einfachen Ausbildungszeugnis bewirbst, lesen die meisten Unternehmen zwischen den Zeilen. Es wird dann oft unterstellt, dass deine Leistungen schlecht waren oder dass du im Streit mit deinem Betrieb auseinandergegangen bist. In den meisten Fällen macht es daher Sinn, auf ein qualifiziertes Zeugnis zu pochen, auch wenn deine Leistungen vielleicht nicht ganz so toll waren.
Qualifiziertes Zeugnis
In einem qualifizierten Ausbildungszeugnis bewertet dein Betrieb auch deine Leistung und dein Verhalten. Zu einer ausführlichen Beurteilung der Leistung gehören Angaben über die Ausbildungsbereitschaft (Engagement, Fleiß) und die Ausbildungsbefähigung (Denk- und Urteilsvermögen, Belastbarkeit, Kreativität, Geschicklichkeit) des Azubis. Auch die Lern- und Arbeitsweise (Selbständigkeit, Sorgfalt, Zuverlässigkeit) und der Arbeitserfolg (Arbeitsmenge und -qualität) sollten angesprochen werden. Und natürlich dürfen – wie beim einfachen Ausbildungszeugnis – auch Angaben über die erworbenen Fertigkeiten und Kenntnisse nicht fehlen.
Ferner gehört eine Verhaltens-Beurteilung in ein qualifiziertes Ausbildungszeugnis. Dabei geht es nicht um Punkte wie Engagement, Fleiß, Geschicklichkeit und Zuverlässigkeit, die ja bereits im Rahmen der Leistungsbeurteilung bewertet werden, sondern um das Sozialverhalten des Azubis am Arbeitsplatz. Hier spielen also Kriterien wie Teamfähigkeit, Anpassungsvermögen, Kooperationsbereitschaft und das allgemeine Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Kunden und Geschäftspartnern eine Rolle.
Indirekte Benotung
Ein qualifiziertes Ausbildungszeugnis kann für einzelne Fertigkeiten und Kenntnisse zwar auch Schulnoten (1–6) enthalten, aber das ist keine Pflicht. Meist werden Formulierungen in der üblichen Zeugnissprache verwendet, hinter denen sich indirekt eine Benotung verbirgt.
Da Ausbildungszeugnisse wohlwollend zu formulieren sind, um die Zukunftschancen der Betroffenen nicht unnötig zu belasten, lesen sie sich auf den ersten Blick eigentlich immer positiv. Selbst negative Tatsachen – zum Beispiel das Nichtbestehen der Abschlussprüfung oder eine Kündigung durch den Ausbildungsbetrieb – dürfen im Ausbildungszeugnis nicht direkt erwähnt werden!
Aber der Teufel steckt im Detail: Schon kleinste Unterschiede bei der Wortwahl oder bestimmte Auslassungen verändern die Bedeutung des Geschriebenen nämlich entscheidend. So steht der Satz „Er lernte und arbeitete stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ für ein „sehr gut“ (Note 1), aber schon eine minimale Veränderung („zu unserer vollen Zufriedenheit“) macht daraus nur noch ein „gut“ (Note 2). Ein weiteres Beispiel: „Er lernte und arbeitete im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ hört sich nicht gerade schlecht an. In der Zeugnissprache entspricht diese Formulierung aber einem „mangelhaft“ (Note 5).
Es ist deshalb wichtig, dass du dein Ausbildungszeugnis nach Erhalt genau prüfst und im Zweifelsfall auch von einem Experten beurteilen lässt. Wenn du dich nämlich ungerecht beurteilt fühlst, kannst du vom Betrieb eine Berichtigung des Zeugnisses verlangen.
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Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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