Ein orangefarbene Klettverbindung wird auf eine Betonoberfläche gedrückt.
Die innovative Klettverbindung gibt es bislang nur im Labormaßstab. (Quelle: IAT – TU Graz)

Forschung 2025-10-14T07:00:00Z Klettverschluss für Gebäudebauteile

An der Technischen Universität Graz wurde ein Klettsystem entwickelt, mit dem sich tragende Gebäudebauteile und kurzlebigere Elemente wie Installationen, Oberflächen, Fußböden oder nicht-tragende Innenwände sicher verbinden, bei Bedarf aber auch einfach und sauber wieder voneinander trennen lassen.

Das Klett-Verbindungssystem für Gebäude entstand im Rahmen des interdisziplinären Projekts „ReCon“ (Laufzeit: 11/2022 bis 04/2025), bei dem das Institut für Architekturtechnologie (IAT), das Labor für Konstruktiven Ingenieurbau (LKI) sowie das Institut für Biobasierte Produkte und Papiertechnik (BPTI) der TU Graz mit dem Grazer Software-Unternehmen Axtesys und der Firma NET-Automation – einem österreichischen Hersteller elektronischer Geräte – zusammengearbeitet haben.

„Das zentrale Prinzip von ReCon ist die Rückbaubarkeit von Gebäuden durch klar definierte, trennbare Schnittstellen“, sagt Projektleiter Matthias Lang-Raudaschl vom Institut für Architekturtechnologie. „Dadurch sind im Falle einer Renovierung oder neuen Nutzung nur jene Bauteile zu tauschen, die abgenutzt sind oder neuen Anforderungen entsprechen müssen. Das verlängert die Gesamtlebensdauer eines Gebäudes erheblich, da statt eines Abrisses ein einfacher Teiletausch genügt. Dadurch lassen sich viel Bauschutt und Materialverbrauch verhindern.“

Reversible Verbindungen

Bei ReCon legten die Forschenden den Fokus auf die Verbindung von Bauteilen mit unterschiedlicher Lebensdauer im Innenraumbereich. Ziel war die Entwicklung einer Verbindungstechnik, die es erlaubt, langlebige Tragstrukturen eines Gebäudes resilient mit kurzlebigeren Elementen zu verbinden, die gleichzeitig aber auch jederzeit eine einfache und sortenreine Trennung der verbundenen Elemente ermöglicht.

Die Verbindung überzeugt mit guter Haftzugfestigkeit, ist zugleich aber reversibel.
Die Verbindung überzeugt mit guter Haftzugfestigkeit, ist zugleich aber reversibel. (Quelle: LKI – TU Graz)

Das entwickelte System funktioniert wie ein Klettverschluss – nur in etwas größerer Dimension. Direkt in die langlebigen tragenden Bauteile, die zum Beispiel aus Beton bestehen, werden Pilzköpfe oder Haken eingearbeitet. Das geschieht mithilfe spezieller Wachsschalungen, die sich nach dem Aushärten des Betons einfach herauslösen lassen, ohne dass die Pilzköpfe oder Haken dabei zerstört werden.

Die erhabenen Elemente im Beton sind so designt, dass sie sich mit dem Klettelement verhaken, das auf dem kurzlebigeren Element – zum Beispiel eine nicht-tragende Gipskartonplatten- oder Holzwand – verklebt wird. Die Verbindungen sind wie bei herkömmlichen Klettverschlüssen reversibel, die auf dem Beton aufgebrachten Bauteile lassen sich also problemlos wieder zurückbauen.

Markteinführung noch ungewiss

Die im Projekt verwendeten Klettelemente bestehen aus elastischem Kunststoff und wurden per 3D-Druck hergestellt. Die damit realisierten Verbindungen hat das Labor für Konstruktiven Ingenieurbau getestet. Nach Angaben der TU Graz ergab sich eine gute Haftzugfestigkeit, die mit industriellen Produkten vergleichbar ist. Eine weitere Steigerung der Haftzugfestigkeit versprechen sich die Forschenden, wenn das Klettelement aus Spritzguss oder gestanztem Metall bestehen würde.

Grundsätzlich eignet sich der ReCon-Klettverschluss besonders gut für punktuelle Befestigungen, wie sie etwa bei Installationsleitungen der technischen Gebäudeausrüstung üblich sind. Doch flächige Wand- und Fußboden-Oberflächen oder sogar komplette nicht-tragende Innenwände sollen mithilfe der Technik ebenfalls fixiert werden können. Die Befestigung erfolgt kinderleicht durch einfaches Anpressen. Verschraubungen sind nicht notwendig. Zudem werden die Bauteile nicht beschädigt, es gibt keine Bohrlöcher.

Trotz der genannten Vorteile ist die Innovation der TU Graz bislang noch weit davon entfernt, als fertiges Produkt auf den Markt zu kommen. Es handelt sich im gegenwärtigen Stadium um Grundlagenforschung, viele Fragen sind noch offen. Bisher existieren die Klettbetonelemente nur im Labor-Maßstab. Für die Herstellung der Betonschalungen fehlt noch ein wirtschaftliches Verfahren im Industriemaßstab.

Immerhin: Schaustücke aus dem Projekt ReCon kann man sind noch bis Ende 2026 im Rahmen der Sonderausstellung „More Than Recycling – Die Ausstellung zur Kreislaufwirtschaft“ im Technischen Museum Wien anschauen.

Digitalisierung der Teiledaten

Neben dem Klettsystem entwickelten die Forschenden auch zwei Methoden, um digitale Daten zu den verwendeten Baustoffen direkt an den Verbindungselementen zu speichern. Zum einen integrierten sie RFID-Chips in die Bauteile, wodurch Informationen zu deren Zusammensetzung und zum Einbaudatum direkt vor Ort auslesbar sind. Zum anderen untersuchten sie den Einsatz von QR-Codes, die auf das jeweilige Element gedruckt oder gestanzt werden und ebenfalls Daten zum Bauteil enthalten.

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Eine derartige Digitalisierung der Teiledaten soll die Wiederverwendung von Bauteilen erleichtern und damit die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen voranbringen. Durch die Speicherung der Daten am Baukörper sind diese bei einem späteren Rückbau problemlos verfügbar. Das wird künftigen Generationen helfen, den Zustand und die Werthaltigkeit der Bausubstanz besser einzuschätzen beziehungsweise mögliche Schadstoffe zu erkennen. So kann etwa ein prüfendes Labor schon viele Risiken erkennen, wenn das Herstellungsjahr eines Bauprodukts bekannt ist.

zuletzt editiert am 14. Oktober 2025