Kann die Umnutzung von ehemaligen Kaufhaus-Immobilien zu nennenswert mehr Wohnraum in Ballungsgebieten beitragen? Der Zentrale Immobilien Ausschuss hat diese Frage im Rahmen einer Empirica-Studie prüfen lassen. Enttäuschendes Ergebnis: Derartige Umnutzungen hätten in der Praxis nur einen geringen Effekt und wären zudem deutlich ineffizienter als ein kompletter Neubau von Wohnbauten.
Nach Schätzungen des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) fehlen in Deutschland bis 2025 bundesweit 720.000 Wohnungen, bis 2027 sollen es sogar 830.000 sein. Zugleich wurden hierzulande seit Ende der 1990er-Jahre 131 Warenhäuser von Ketten wie Karstadt, Kaufhof, Hertie und Horten geschlossen – meist in bester Innenstadtlage. Wäre eine Umnutzung solcher Immobilien zu Wohnraum nicht eine reizvolle Idee?
„Die Vorstellung, dass Kaufhäuser, über deren Nachnutzung sich Entscheider vielerorts den Kopf zerbrechen, bald im großen Stil zu Wohnungen umgemodelt werden, ist reizvoll, leider aber oft zu schön, um wahr zu sein“, kommentiert ZIA-Vizepräsidentin Iris Schöberl. Angesichts der riesigen Anzahl fehlender Wohnungen in Deutschland sei der mögliche Beitrag einer Umnutzung von Kaufhäusern überschaubar.
Neubau meist effizienter
Schöberls Einschätzung beruht nicht zuletzt auf der im Dezember 2023 erschienenen Studie „Nachnutzung von Kaufhäusern“, die von der Bonner Empirica AG unter Leitung von Prof. Dr. Harald Simons im Auftrag des ZIA erstellt wurde. Der ZIA ist übrigens der Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft und spricht durch seine Mitglieder (darunter 33 Verbände) für rund 37.000 Unternehmen der Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

„Welchen Beitrag könnte die Umnutzung von Warenhäusern zu Wohnraum leisten?“, lautete die Schlüsselfrage der Studie. Das Ergebnis des rund 40-seitigen Gutachtens ist eine Enttäuschung für all diejenigen, die auf große Chancen durch eine Umwandlung von Kaufhäusern in Wohnraum gehofft haben.
Den Tenor der Studie hat der ZIA in einer Pressemitteilung von Anfang März 2024 wie folgt zusammengefasst: „Es gibt Fälle, in denen Wohnen als Nachnutzung realisiert wurde, die Anzahl der Wohnungen, die so geschaffen werden können, ist aber äußerst begrenzt. Insgesamt sollte die Schubwirkung nicht überbewertet werden.“
Der ZIA weist ferner auf die hohen Investitionen hin, die eine Umnutzung alter Kaufhausgebäude zu neuem Wohnraum stets mit sich bringen würde. In die Bestandsobjekte große Mengen Geld zu investieren, hält der Spitzenverband aber für deutlich weniger effizient, als wenn man einfach ganz neue Wohnbauten errichten würde. Allenfalls Gründe wie der Erhalt stadtbildprägender Fassaden oder das Bewahren der in den Gebäuden gebundenen „grauen Energie“ könnten laut ZIA für den Erhalt und die Nachnutzung der Kaufhäuser sprechen.
Baurechtliche Hürden
Von den oben genannten bundesweit 131 Warenhäusern, die seit Ende der 1990er-Jahre schließen mussten, befanden sich 87 % in eigenständigen Gebäuden, die anderen waren Teil eines größeren Einkaufszentrums. Von den eigenständigen Gebäuden wurde laut Empirica-Recherche mittlerweile jedes fünfte Haus abgerissen. Von den restlichen 80 % waren zum Zeitpunkt der Recherche (Juli 2023) zwei Drittel bereits anderweitig genutzt oder befanden sich gerade im Umbau. Ein Drittel stand leer.

Leerstände gibt es allerdings fast nur bei Häusern, die erst vor Kurzem – in den 2020er-Jahren –geschlossen wurden. Kaufhäuser, die vor 2020 geschlossen wurden, stehen nach Empirica-Angaben selten leer. Ein Grund dafür ist, dass sich die meisten der betroffenen Immobilien – planungsrechtlich betrachtet – in „Kerngebieten“ der jeweiligen Städte befinden. Leerstände in diesen zentralen Bereichen schaden dem Image einer Stadt. Daher besteht seitens der Kommunen grundsätzlich eine hohe Motivation zur raschen Umnutzung der Gebäude.
Für die Umnutzung zu Wohnzwecken gibt es allerdings baurechtliche Hürden. Laut § 7 der deutschen Baunutzungsverordnung (BauNVO) dienen Kerngebiete nämlich „vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur“. Betriebswohnungen sind in solchen Gebieten zwar kein Problem, normale Wohnungen dagegen sind nur ausnahmsweise zugelassen. Solche Ausnahmen für „Teile eines Kerngebietes“ betreffen beispielsweise Wohnungen in höheren Stockwerken, „wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen“ (BauNVO, § 7, Absatz 4).
Unterm Strich lässt sich sagen, dass die Umnutzung zu Wohnzwecken in Kerngebieten zwar grundsätzlich möglich ist, durch das deutsche Planungsrecht aber behindert wird. „Vor dem Hintergrund, das 69 % der nachgenutzten Kaufhäuser in Kerngebieten liegen ist zu erwarten, dass Wohnen in ehemaligen Kaufhäusern selten realisiert wird“, heißt es dazu im Empirica-Gutachten.
Anders sei die Lage bei den 24 % der ehemaligen Kaufhaus-Immobilien, die in Mischgebieten stehen. Nach § 6 der BauNVO dienen Mischgebiete nämlich ausdrücklich „dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören“.
Aufwändig und teuer
Von den oben genannten 131 geschlossenen Kaufhaus-Immobilien wurden zum Zeitpunkt der Empirica-Analyse 56 bereits nachgenutzt. Nur in acht dieser Gebäude hat man allerdings auch Wohnungen realisiert. Dies hat neben den planungsrechtlichen Hürden natürlich auch andere Gründe. Die Autoren der Empirica-Studie haben neun Fallbeispiele geschlossener Warenhäuser genauer analysiert und kamen dabei zu dem Schluss, dass die Nachnutzung zu Wohnzwecken bisher nur selten umgesetzt wird, einfach weil sie sehr aufwändig und teuer ist.
Ein großer Kostentreiber sind zum Beispiel die Anforderungen an Wohnimmobilien in Bereichen wie Tageslicht und Belüftung. Große Kaufhaus-Immobilien verfügen in der Regel über große Raumtiefen. Die Flächen sind zwar riesig, aber sie eignen sich in der Regel eben nicht unmittelbar für Wohnzwecke. Dies zu ändern – gerade in Bezug auf Tageslicht-Verfügbarkeit und eine wohngerechte Belüftung, aber auch in Hinsicht auf Brand- und Schallschutzanforderungen – würde in vielen Fällen umfangreiche Umbauten voraussetzen, die teurer wären als die Alternative Abriss und Wohnneubau.
Auch deshalb werden die meisten Alt-Kaufhäuser heute eher als „Mixed-Use-Immobilien“ weitergenutzt. Wohnungen findet man dort allenfalls auf solchen Flächen, die sich dafür von vorneherein eignen. Die häufigsten Nutzungszwecke bei Mixed-Use-Immobilien sind laut Studie allerdings der Einzelhandel, Büros, Gastronomie und Dienstleistungen. Ein Umbau zu Wohnzwecken ist und bleibt wohl auch die Ausnahme.