Noch rollen die Lkw, doch der Fahrermangel nimmt hierzulande stetig zu.  Foto: Pixabay (Quelle: Pixabay)

Panorama 2023-05-03T07:30:51Z Studie zum Fahrermangel

Im deutschen Straßengüterverkehr ist der zunehmende Fahrermangel schon lange bedrohliche Realität. Die Folgen spüren fast alle Wirtschaftsbereiche – auch der Baustoffhandel. Allein 2022 verursachte der Engpass zusätzliche Kosten von etwa 10 Mrd. Euro für die deutsche Wirtschaft. Dieses Jahr fehlen hierzulande voraussichtlich mehr als 70.000 Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer. Das steht in einer aktuellen Studie zum Fahrermangel, die aber auch Lösungsmöglichkeiten aufzeigt.

Die Anfang 2023 veröffentlichte Studie „ Begegnung von Kapazitätsengpässen im Straßengüterverkehr – Fokus Personal “ analysiert die Ursachen und Auswirkungen des Fahrermangels und fragt zugleich, mit welchen Maßnahmen die Engpässe überwunden werden könnten. Die Konsortialstudie wurde von zahlreichen Unternehmen und Verbänden der Logistikbranche unterstützt und entstand unter Leitung der Professoren Wolfgang Stölzle von der Logistics Advisory Experts (Spin-off der Universität St. Gallen), Thorsten Schmidt von der TU Dresden und Christian Kille vom Institut für Angewandte Logistik der TH Würzburg-Schweinfurt.

Ein erhebliches Problem

Nur 2 % der Fahrer sind aktuell 20 Jahre alt oder jünger, 39 % sind bereits über 50. Grafik: Studie

Für die betroffenen Unternehmen bedeutet der Fahrermangel, dass sie ihre geplanten Frachten entweder nicht mehr im vorgesehenen Zeitrahmen oder nur noch zu steigenden Kosten realisieren können. Für das Fahrpersonal bedeutet er noch mehr Stress.

Die Autoren der Studie haben insgesamt 32 Auswirkungen des Fahrermangels identifiziert, von denen 15 einen direkten Effekt auf die Kosten für den Straßengüterverkehr haben. Zu diesen Auswirkungen zählen – neben höheren Löhnen – zum Beispiel ausgefallene oder unvollständige Transporte, die zusätzliche Transporte notwendig machen. Kostensteigernd wirkt aber beispielsweise auch die zunehmende Notwendigkeit für viele Unternehmen, sich am Spotmarkt oder im Ausland mit den benötigten Fahrern/Frachten zu versorgen.

Laut Studie sind die Kosten der Logistikbranche in Deutschland (Transport, Lager, Administration) 2022 um etwa 8 % gestiegen. Davon seien etwa 3 % auf den Mangel an Fahrpersonal zurückzuführen. Das entspricht rund 10 Mrd. Euro Zusatzkosten, die nicht angefallen wären, wenn die Nachfrage nach Fahrern/Frachten auf ein ausreichendes Angebot stoßen würde.

Anhand von Statistiken der Bundesagentur für Arbeit, aber auch darüber hinausgehender Daten haben die Forscher in einer Modellrechnung den Fahrpersonal-Mangel in Deutschland für das Jahr 2021 beziffert: Demnach fehlten damals 36.000 Fahrerinnen und Fahrer. Auf dieser Basis und unter Einbezug der Ein- und Austritte in diesem Berufsfeld errechnet die Studie für 2022 bereits eine Fahrpersonal-Lücke von 53.000. Hintergrund: Seit Jahren gehen hierzulande mehr Berufskraftfahrer in Rente als neue nachfolgen.

Für 2023 liegt die Prognose bereits bei rund 70.000 fehlenden Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern. Und Besserung scheint mittelfristig nicht in Sicht: Die Studie geht vielmehr davon aus, dass der Fahrermangel bis auf Weiteres jährlich um rund 20.000 Fahrer zunehmen wird.

Vielfältige Ursachen

Die Studie liefert auch einen umfangreichen Katalog an Ursachen für den Fahrpersonalmangel. Natürlich haben die oft schwierigen Arbeitsbedingungen und das eher negative Bild des Berufs in der Öffentlichkeit eine große Auswirkung auf das geringe Interesse potenzieller Nachwuchskräfte, aber es gibt eben noch viele weitere Ursachen.

Die von den Forschern herausgearbeiteten, rund 40 Ursachen können wir an dieser Stelle nicht alle aufführen. Sie werden auf Seite 21/22 der Studie in tabellarischer Form inklusive Beschreibungen dargestellt. Das Spektrum der dort zu findenden Gründe für den Fahrermangel umfasst natürlich auch hinlänglich bekannte Punkte wie die geringe Reputation und Bezahlung des Jobs, seine oft schlechte Vereinbarkeit mit dem Privat- und Familienleben sowie den zunehmenden Leistungsdruck. Auch die Tatsache, dass der demografische Wandel in Deutschland eine ausreichende Versorgung mit Nachwuchsfahrern erschwert, bleibt nicht unerwähnt.

Es geht aber auch um Faktoren, die eher indirekt den Mangel an Fahrpersonal beziehungsweise an Frachtangeboten verstärken. Das sind zum Beispiel ineffiziente Laderaumauslastungen, die aufgrund des Trends zu kleineren Sendungsgrößen und streng getakteten Lieferanforderungen zunehmen. Vermehrte Staus durch Baustellen oder Parkplatzmangel sowie höhere Kosten für Transportfahrzeuge mit alternativen Antrieben sind zwei weitere Beispiele für indirekte Ursachen des Mangels an Fahrpersonal.

Was kann die Branche tun?

Auch die zunehmenden Staus tragen faktisch zum Fahrermangel bei. Foto: Pixabay (Quelle: Pixabay)

Eine im Rahmen der Studie durchgeführte Befragung von 10.000 Fahrerinnen und Fahrern lieferte übrigens durchaus überraschende Ergebnisse. Demnach sind nämlich 90 % des Fahrpersonals mit der Wahl ihres Berufs grundsätzlich zufrieden und wollen diesen nicht wechseln.

Die Befragung verweist im Übrigen bereits auf einige konkrete Verbesserungsmöglichkeiten. So gaben die Befragten überwiegend an, dass ihnen mehr Wertschätzung durch berufliche Perspektiven sowie ein attraktives Arbeitsumfeld wichtiger seien als monetäre Anreize. Ebenfalls interessant ist, dass immerhin 28 % der Befragten ihren Job über heutige Kollegen gefunden hat. Das unterstreicht, wie wichtig zufriedene Angestellte für die Nachwuchswerbung sein können.

Was kann die Logistikbranche sonst noch tun, um vorhandenes Fahrpersonal besser zu binden und neues verstärkt hinzuzugewinnen? Die Studie hat insgesamt 19 Maßnahmen herauskristallisiert, die aus Sicht der Autoren ein hohes Potenzial haben und zudem besondere Popularität genießen würden. Darunter fallen politische Maßnahmen wie der Ausbau von Parkplätzen und Rastanlagen, der Führerschein mit 17, eine vereinfachte Berufsanerkennung von Fahrpersonal aus Drittstaaten, eine staatlich geförderte Image- und Ausbildungsinitiative, aber auch die Ausweitung des Einsatzes von Lang-Lkw.

Auf Unternehmerseite empfiehlt die Studie zum Beispiel den Einsatz spezieller Verantwortlicher für die Belange des Fahrpersonals, eine verstärkte Personalrekrutierung aus dem Ausland oder auch Fahrer-wirbt-Fahrer-Prämien. Ein großes Potenzial sehen die Autoren zudem in der verstärkten Nutzung digitaler Logistik-Plattformen. Mit digitalen Lösungen seien schon jetzt vorhandene Kapazitäten besser planbar. Dieses Potenzial müsse nur besser genutzt werden.

Autonomes Fahren noch keine Lösung

Vom autonomen Fahren dagegen erwarten die Autoren frühestens in 20 Jahren Entlastung für den angespannten Fahrermarkt. Aktuell berge eine fehlerhafte Kommunikation zu diesem Thema sogar das Risiko, dass potenziell interessierte Nachwuchsfahrer sich am Ende doch gegen die Ausbildung entscheiden, weil sie irrtümlich glauben, dass menschliches Fahrpersonal in absehbarer Zeit gar nicht mehr benötigt würde.

zuletzt editiert am 22. November 2023