Einfaches Bauen: Ein konkretes Konzept zum Gebäudetyp E steht noch aus. (Quelle: Pixabay)

Baurecht 2024-03-05T08:00:00Z Was ist der Gebäudetyp E?

Durch die Baubranche geistert in letzter Zeit immer häufiger der Begriff „Gebäudetyp E“. Das E steht für einfach – aber auch für experimentell. Inhaltlich geht es um neue Wege, Kostensenkungspotenziale beim Bauen zu heben. Letztes Jahr schaffte es die Wortschöpfung sogar in den 14-Punkte-Plan der Bundesregierung. Höchste Zeit also, der Frage nachzugehen, was der Gebäudetyp E eigentlich sein soll.

Anlässlich des letzten Wohnungsgipfels Ende September 2023 im Bundeskanzleramt hatte die Bundesregierung einen 14-Punkte-Plan veröffentlicht, der verschiedene Maßnahmen „für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft“ enthält. In diesem Dokument macht sich die Politik auch den Begriff Gebäudetyp E zu eigen, der erst ein Jahr zuvor aus dem Kreis der Architektenkammern ins Spiel gebracht wurde.

Warten auf die Leitlinie

Unter Punkt 8 des 14-Punkte-Plans heißt es konkret:

Das Konzept richtet sich vor allem an fachkundige Bauherren und Planende. (Quelle: Pixabay)

Bauen muss zukünftig einfacher, schneller und günstiger werden. Dazu soll das Bauen im Sinne des Gebäudetyps E befördert werden, indem die Vertragspartner Spielräume für innovative Planung vereinbaren, auch durch Abweichen von kostenintensiven Standards. Die Länder beabsichtigen, dazu Änderungen der Musterbauordnung und der Landesbauordnungen vorzunehmen. Die Bundesregierung wird (...) eine ‘Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E’ bis Ende des Jahres vorlegen, um dafür zu sorgen, dass für die Beteiligten vereinfachtes Bauen rechtssicher gelingen kann.

Die von der Bundesregierung bis Ende 2023 angekündigte Leitlinie sollte vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) entwickelt werden. Bis zur Veröffentlichung dieses Beitrags (5. März 2024) war das Dokument allerdings immer noch nicht veröffentlicht. BaustoffWissen hat beim Ministerium nachgehakt, worauf das BMWSB Ende Januar mitteilte, die Arbeit an der Leitlinie sei „gegenwärtig noch nicht abgeschlossen und wird sich noch in das Jahr 2024 erstrecken“.

Um die Frage zu erörtern, was mit dem Gebäudetyp E eigentlich gemeint ist, müssen wir uns also bis auf Weiteres mit den Vorstellungen begnügen, die von den ursprünglichen Ideengebern bisher veröffentlicht wurden. Ins Spiel gebracht wurde das Konzept vor zwei Jahren von der Bayerischen Architektenkammer. Diese wollte mit ihrer Initiative erreichen, dass in die Bayerische Bauordnung ein zusätzlicher Gebäudetyp E aufgenommen wird, wobei das E für „Einfaches Bauen“, aber auch „Experimentelles Bauen“ stehen sollte.

„Schneise in das Dickicht der Normen“

Dabei machte die Bayerische Architektenkammer von Anfang an klar, dass das Bauen nach Gebäudetyp E ein zusätzliches Angebot sein sollte, dass sich vor allem an fachkundige Bauherren und Planende richtet. Man wolle diesen die Freiheit geben, „ihr Projekt auf den eigentlichen Kern der Schutzziele der Bayerischen Bauordnung (Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz) zu reduzieren“ – heißt es auf der Website der Bayerischen Architektenkammer. Verzichtet werden könne dagegen auf „darüberhinausgehende Normen und Standards“.

Lydia Haack fordert ein nachhaltiges und qualitätvolles Bauen, das gleichwohl bezahlbar bleibt. (Quelle: Tobias Hase / ByAK)

Ebenfalls auf der Website der Bayerischen Architektenkammer fasst deren Präsidentin Lydia Haack das Konzept wie folgt zusammen: „Die Einführung des Gebäudetyps E schlägt eine Schneise in das Dickicht der Normen beim Planen und Bauen. Und das heißt, sich auf das Wesentliche zu reduzieren, suffizient, nachhaltig und qualitätsorientiert zu handeln. Dafür stehen die Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen mit ihrer Innovationskraft und Expertise bereit. Dabei haben sie als gesellschaftliche Aufgabe vor allem auch den Gebäudebestand im Blick, der nicht nur nachhaltig und qualitätvoll weiterentwickelt, sondern auch weiterhin bezahlbar bleiben muss.“

Diese Idee gefiel nicht nur bayerischen Architekten. Bereits am 15. September 2022 beschloss die Bundeskammerversammlung, das oberste Gremium der Bundesarchitektenkammer, eine „Erklärung für mehr Spielraum für Innovationen beim Planen und Bauen“, in welcher der Begriff Gebäudetyp E bereits zitiert wird. Die Architekten betonen darin ausdrücklich, dass das Bauen in Deutschland vereinfacht werden müsse, um die dringend notwendigen erhöhten Neubauzahlen im Wohnungsbau erreichen zu können.

Breite Zustimmung

Von einer bayerischen Regionalinitiative hat sich die Idee des Gebäudetyps E also in wenigen Monaten zu einer Forderung des Dachverbands der deutschen Architektenschaft gemausert. Von da an ging es nicht mehr nur um die Bayerische Bauordnung, sondern um Änderungen in den Landesbauordnungen aller 16 Bundesländer. Ein Jahr später landete das Konzept dann sogar im 14-Punkte-Plan – wurde also zum baupolitischen Instrument der Bundesregierung geadelt.

Ein Logo für den Gebäudetyp E gibt es schon. (Quelle: ByAK)

Auch die Bundesarchitektenkammer betont in ihrer Erklärung übrigens, dass der Gebäudetyp E selbstverständlich den originären Schutzzielen der Bauordnungen entsprechen müsse und sich nur an „sachkundige Bauherren“ richten solle. Diesen indes sollte „die Möglichkeit eröffnet werden, von der zwingenden Beachtung der so genannten technischen Baubestimmungen dann absehen zu können, wenn Bauherr und Architekt oder Ingenieurin dies ausdrücklich vereinbaren“.

Für die Idee des Gebäudetyps E hat sich zwischenzeitlich auch die Bundestiftung Baukultur ausgesprochen. Diese unabhängige Einrichtung für hochwertiges Planen und Bauen legt der Bundesregierung und dem Bundestag alle zwei Jahre einen Bericht zur Lage der Baukultur in Deutschland vor. In einer Pressemitteilung der Stiftung vom 27. Oktober 2023 heißt es: „Bauen kann nur dann einfacher und kostengünstiger werden, wenn nicht die Vielzahl aller allgemein anerkannten Regeln der Technik und DIN-Normen automatisch wirksam werden. Es reicht vollkommen aus, in Form des so genannten Gebäudetyps E die bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit zu gewährleisten und weniger aufwändig zu bauen.“

„Bislang wenig Konkretes“

Damit das einfach-experimentelle Bauen möglichst bald rechtssicher starten kann, muss die allgemeine Konzeptidee nun schnell konkretisiert werden. Entsprechende Regeln sind in die Landesbauordnungen aufzunehmen. Als Grundlage dafür wird die „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“ der Bunderegierung sehnsüchtig erwartet.

„Viel gesagt und geschrieben wurde zum Gebäudetyp E, nur bislang wenig Konkretes, Substanzielles“, äußerte sich Martin Wittjen, Bundesgeschäftsführer des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB), im November 2023. „Wir erwarten gespannt die Leitlinie und Prozessempfehlung des BMWSB in dieser Sache, die mit realistischen und umsetzbaren Vorschlägen versehen eine große Hilfe sein kann. Gerade die kleinen und mittelständischen Planungsbüros benötigen dringend eine solche Handreichung des (auch rechtlich) Machbaren.“

zuletzt editiert am 01. März 2024