Holz, Lehm, Felssteine: Theoretisch braucht der Mensch gar keine Baustoffindustrie, um bauen zu können. Ein Dach überm Kopf kann man sich schließlich auch aus Stoffen basteln, die von der Natur frei zur Verfügung gestellt werden. Jahrtausende lang hat der Mensch es auch genau so gemacht. Doch irgendwann begann er, mit dem Ausgangsmaterial der Natur zu experimentieren und durch stoffliche Reaktionen künstliche Baustoffe mit größerer Leistungsfähigkeit zu erschaffen. Das war die Geburtsstunde der Bauchemie.
Was Bauchemie ist, lässt sich in einem einfachen Merksatz leider nicht definieren. Schon deshalb nicht, weil der Begriff verschiedene Bedeutungsebenen hat, je nachdem, in welchem Zusammenhang er verwendet wird. Schaut man in Lehrbücher zum Thema, findet man viel Fachwissen zur Zusammensetzung und zum chemischen Reaktionsverhalten von Stoffen, die im Bauwesen häufig verwendet werden: etwa Metalle, Minerale und Gesteine, Holz, Zement, Beton und natürlich auch Kunststoffe. In diesem Fall steht Bauchemie vor allem für die Chemie der Baustoffe im Sinne einer Materialkunde auf Molekularebene. Dabei wird eben gerade nicht zwischen natürlichen und künstlichen Baustoffen unterschieden. Auch Holz ohne Holzschutzmittel hat schließlich „eine Chemie“.
Bauchemische Sortimente
In der Baustoffbranche wird der Begriff aber meist in einem etwas anderen Zusammenhang verwendet. Man spricht von Bauchemie, wenn es um Produkte oder Zusatzstoffe für das Bauen geht, die zu einem wesentlichen Teil aus (künstlichen) Chemikalien bestehen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Beton oder Beton-Zusatzmittel, um Fließestriche, Holzschutzmittel, Flammschutzmittel, Fliesenkleber, Fugenmörtel, Fugendichtstoffe, Flüssigabdichtungen, Grundierungen, Haftbrücken oder um die verschiedenen Baustoffe auf Kunststoffbasis. Diese Aufzählung erhebt aber keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Bauchemie ist eben ein weites Feld.
Alle bauchemischen Produkte und Zusatzstoffe haben gemeinsam, dass sie keine Naturstoffe sind, sondern vom Menschen durch chemische Reaktionen künstlich erzeugt wurden. Es sind entweder „komplette“ Baustoffe – wie zum Beispiel Stahlbeton, ohne den Wolkenkratzer nicht möglich wären. Oder eben chemische Zusatzstoffe, die als ein Bestandteil von Baustoffrezepturen zur Optimierung der Produkte beitragen. Man denke nur an bauchemische Stoffe, die beispielsweise die Erhärtung von Beton, Fließestrich und Fliesenkleber beschleunigen oder verzögern. Nicht zuletzt steht der Begriff Bauchemie auch für Chemikalien, mit deren Hilfe sich Gebäudebestandteile schützen, abdichten oder sanieren lassen – etwa Anstrichmittel für Hölzer, Dichtungsstoffe für erdberührte Bauteile oder spezielle Sanierputze.
Unverzichtbare Optimierer
„Wer Häuser, Straßen, Brücken, Tunnel planen und errichten will, muss die Baustoffe mit Hilfe der bauchemischen Trickkiste optimieren und vor der frühzeitigen Zerstörung schützen“, heißt es auf der Website des Industrieverbandes Deutsche Bauchemie ( www.deutsche-bauchemie.de ). Und weiter: „Ohne Bauchemie wäre kein modernes Gebäude denkbar. Jedem Beton, jedem Mörtel werden bauchemische Zusätze beigemengt.“ Anders ausgedrückt: Die Bauchemie trägt auf vielfältige Weise dazu bei, dass heute leistungsfähige, belastbare, sichere und dauerhafte Bauwerke auf wirtschaftliche Art und Weise hergestellt werden können. Außerdem ermöglicht sie – vor allem durch den Betonbau – spektakuläre Gebäudegeometrien, von denen frühere Menschheitsgenerationen nur träumen konnten.
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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen . Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis . Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com