Auch Fliesenklebern wurde früher mitunter Asbest beigemischt. (Quelle: Pixabay)

Bauchemie 2023-11-23T16:14:42.995Z Was ist PSF-Asbest?

Auch 30 Jahre nach dem Verbot steckt Asbest weiterhin– häufig unerkannt – in vielen Altbauten. Der Gefahrstoff war früher nämlich nicht nur Bestandteil von Faserzementplatten für Dach und Fassade, sondern wurde auch in unterschiedlichsten Mörtelprodukten verwendet. In diesem Zusammenhang ist oft von so genanntem PSF-Asbest die Rede. Was das ist, und was beim Umgang mit belasteten Baustoffen beachtet werden sollte, verrät der folgende Beitrag.

In Deutschland trat bereits zum 31. Oktober 1993 ein generelles Verbot in Kraft, asbesthaltige Produkte herzustellen und zu verarbeiten. In der Europäischen Union gilt dies erst seit 2005. In den Jahrzehnten zuvor war der anfängliche Verdacht allmählich zur Gewissheit geworden, dass Asbestfasern, wenn sie in die Raumluft gelangen, vom Menschen eingeatmet und schwere Atemwegserkrankungen bis hin zu Lungen- und Kehlkopfkrebs verursachen können.

Gleichwohl sind in Altbauten nach wie vor Millionen Tonnen Asbest verbaut. Zudem erscheint es realistisch, dass auch nach 1993 – trotz Verarbeitungsverbot – für einen gewissen Zeitraum weiterhin asbesthaltige Lagerware im Gebäudebereich zum Einsatz kam. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und der Gesamtverband Schadstoffsanierung haben deshalb in einem gemeinsamen Diskussionspapier von 2015 eine Asbest-Prüfpflicht für alle Gebäude angeregt, die vor 1995 errichtet wurden. Es war dieses Papier, das hierzulande auch die Diskussion um PSF-Asbest überhaupt erst ins Rollen gebracht hat.

Unterschätze Gefahr

Wie wir kürzlich im BaustoffWissen-Beitrag „Asbest im Wohnungsbestand“ berichtet haben, schätzt die IG BAU, dass in Deutschland noch rund 9,4 Millionen Wohnhäuser asbestbelastet sind. Es handelt sich dabei überwiegend um Gebäude, die zwischen 1950 und 1990 gebaut wurden, und in vielen dieser Altbauten stehen nun Sanierungen an. Dabei ist höchste Vorsicht geboten. Denn Asbest lauert keineswegs nur in alten Faserzementplatten („Eternit-Platten“), sondern versteckt sich auch in vielen bauchemischen Produkten, in denen es viele gar nicht erwarten würden.

Asbestfasern in der Raumluft können unter anderem Lungen- oder Kehlkopfkrebs verursachen. (Quelle: Pixabay)

Selbst Handwerker wissen oft nicht, dass der Gefahrstoff Asbest früher auch häufig als Zusatzstoff in mineralischen Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern beigemischt wurde. Es sind diese – im Zusammenhang mit Asbest lange Zeit übersehenen – Produktgruppen, die gemeint sind, wenn wir von PSF-Asbest sprechen. Damit betroffene Hausbewohner nun nicht gleich in Panik geraten, sei an dieser Stelle betont: Im eingebauten, unversehrten Zustand gehen von diesen asbesthaltigen Baustoffen in der Regel keine gesundheitlichen Gefahren aus. Für gewöhnlich wurde Asbest in PSF-Produkten – wenn überhaupt – zudem nur in geringen Konzentrationen beigemischt.

Bei Sanierungsarbeiten beziehungsweise bei sämtlichen Aktivitäten, in deren Rahmen asbesthaltige Baustoffe gesägt, gefräst, geschliffen, durchbohrt oder mit dem Abbruchhammer zerschlagen werden, gilt gleichwohl keine Entwarnung. Wo etwa alte Fliesenbeläge oder Putzschichten großflächig entfernt werden sollen, drohen durchaus gesundheitliche Gefahren für die Verarbeiter. VDI und Gesamtverband Schadstoffsanierung verweisen im oben bereits erwähnten Diskussionspapier auf Messergebnisse bei stark staubenden Arbeiten, die gezeigt hätten, dass auch Produkte mit Asbestgehalten von weniger als 0,1 % „teilweise sehr hohe Asbestfaserkonzentrationen“ verursachen können.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Nach § 6 der deutschen Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) müssen Arbeitgeber im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung feststellen, ob ihre Beschäftigten „Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können“. Ist dies der Fall, dann müssen die in der Verordnung näher beschriebenen Schutzmaßnahmen eingeleitet werden.

Bei Sanierungen sind belastbare Informationen über potenzielle Asbestvorkommen essenziell. (Quelle: Pixabay)

Beides – Gefährdungsbeurteilung und ausreichender Arbeitsschutz – wurde im Zusammenhang mit dem Thema PSF-Asbest in der Baubranche lange Zeit vernachlässigt. Das lag vor allem daran, dass bis vor einigen Jahren das Wissen um Asbest in PSF-Produkten kaum verbreitet war. Im Grunde hat erst das oben erwähnte Diskussionspapier von 2015 dieses Thema hierzulande auf die Tagesordnung gesetzt. Seitdem gibt es immer mal wieder Aufklärungsaktionen von baunahen Verbänden und Berufsgenossenschaften.

Die bestehende Gefahrstoffverordnung wird den neuen Erkenntnissen allerdings schon seit Längerem nicht mehr gerecht. Eine Überarbeitung ist deshalb schon seit Jahren in Arbeit. Nach Angaben der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) gibt die aktuelle Rechtslage in der GefStoffV Bauunternehmen noch „keine ausreichende Handhabe, um von den Auftraggebenden der Gebäude belastbare Informationen über potenzielle Asbestvorkommen zu erhalten“. So steht es in der „Branchenlösung Asbest beim Bauen im Bestand“, die die BG BAU herausgegeben hat.

Diese Branchenlösung ist als eine Art Übergangslösung gedacht. Sie bietet ausführenden Unternehmen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit asbesthaltigen Baumaterialien, solange bis die rechtlich verbindliche GefStoffV sowie die Technischen Regeln für Gefahrstoffe 519 endlich aktualisiert worden sind. Zum Hintergrund: Die TRGS 519 soll den Stand der Technik zum Schutz von Beschäftigten bei Tätigkeiten mit asbesthaltigen Materialien in den Bereichen Abbruch, Sanierung und Instandhaltung wiedergeben.

Empfehlungen der Branchenlösung

Die Branchenlösung legt zunächst einmal fest, dass „Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit Asbest nur von Fachbetrieben durchgeführt werden dürfen, deren personelle und sicherheitstechnische Ausstattung für diese Tätigkeiten geeignet ist“. Das gilt nicht nur für gesichert asbesthaltige Baustellen, sondern auch dann, wenn „keine gesicherten Erkenntnisse über die Asbestfreiheit der zu bearbeitenden Materialien vorliegt.

Die Branchenlösung rät also zur Vorsicht. Solange nicht sicher ist, dass nicht mit asbesthaltigen Baustoffen gearbeitet wird, sollte man die Schutzmaßnahmen am besten so streng halten wie bei nachgewiesenem Asbestgehalt der Baustoffe. Ein definitiver Nachweis lässt sich letztlich nur durch die Entnahme von Materialproben und anschließender Laboranalyse feststellen.

Die genannten Vorsichtsmaßnahmen erscheinen folgerichtig, wenn man bedenkt, dass man den in Altbauten verarbeiteten PSF-Produkten äußerlich leider absolut nicht ansehen kann, ob sie Asbestfasern enthalten oder nicht. Selbst wenn der Hersteller beziehungsweise die Marke des verwendeten Produkts noch bekannt sind, gibt das keine abschließende Sicherheit. Laut Branchenlösung wurde Asbest nämlich früher manchmal auch erst auf der Baustelle zugemischt.

Die Branchenlösung weist darauf hin, dass die geplante neue GefStoffV den Auftraggebenden von Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten künftig Informations- und Mitwirkungspflichten aufbürden wird. Beauftragte Handwerker sollen also besser vor potenziellen Gefahren geschützt werden, indem zum Beispiel der Bauherr vor Arbeitsbeginn anhand der Bau- und Nutzungsgeschichte des Gebäudes ermitteln muss, ob Gefahrstoffe vorhanden beziehungsweise zu vermuten sind.

zuletzt editiert am 20. März 2024