Im Gebäudebereich findet man Sichtbeton an Fassaden ebenso wie an Innenwänden und Decken. Da die Betonoberfläche auch nach Fertigstellung des Gebäudes ganz bewusst sichtbar bleibt, trägt sie meist maßgeblich zum Architekturstil bei. Die unterschiedlichen Muster, Strukturen und Farben von Sichtbetonoberflächen hängen in der Regel von der Beschaffenheit der Betonschalung und/oder von bestimmten Bearbeitungsverfahren ab.
Bei Sichtbeton-Bauteilen wird die Oberfläche des Betons weder verkleidet noch blickdicht beschichtet. Schutzbeschichtungen und Imprägnierungen sind zwar zulässig, werden aber nur in transparenter Form aufgebracht, sodass die Betonoptik erhalten bleibt. Zumindest bei Gebäudefassaden und Räumlichkeiten, die auch repräsentative Funktionen übernehmen, ist daher auch eine gewisse Ästhetik gefragt. Die Betonoptik ist in der Regel nicht egal. Die gestalterischen Anforderungen an Sichtbetonflächen sind trotzdem nicht überall gleich – es hängt vom jeweiligen Einsatzbereich ab.
Vier Sichtbetonklassen
Eine Möglichkeit, die unterschiedlichen gestalterischen Anforderungen an Sichtbetonoberflächen zu unterscheiden, finden Planer und Ausführende in dem 2004 erstmals veröffentlichten „Merkblatt Sichtbeton“, das in seiner aktuellen Auflage gemeinsam vom Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein (DBV) und vom Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) herausgegeben wird.

Das Merkblatt unterscheidet vier verschiedene Sichtbetonklassen (SB 1–4) und beschreibt die damit verbundenen Anforderungen an den oberflächennahen Beton und an die Beschaffenheit der Betonschalung. Dabei steht die Klasse SB1 für Sichtbeton-Oberflächen mit geringen gestalterischen Anforderungen. SB1-Flächen kommen zum Beispiel oft bei Kellerwänden zum Einsatz oder in Räumen, die überwiegend gewerblich genutzt werden.
Betonoberflächen der Klasse SB2 eignen sich für Bereiche mit normalen Anforderungen, etwa in Treppenhäusern und Nebenräumen oder auch für Stützwände. Sind dagegen hohe gestalterische Anforderungen gefragt, sollten die Oberflächen in der Sichtbetonklasse SB3 ausgeführt werden. Das ist bei Fassaden und bei Wohnraumwänden meist der Fall. Die Sichtbetonklasse SB4 schließlich steht für besonders hohe Anforderungen, wie sie vor allem bei repräsentativen Gebäuden oft üblich sind.
Der Einfluss der Schalung
Wie lassen sich die unterschiedlichen gestalterischen Anforderungen in der Praxis realisieren? Sehen Betonoberflächen nicht immer gleich aus? Was ist zu tun, um die unterschiedlichen Gestaltungsanforderungen für die verschiedenen Sichtbetonklassen zu realisieren?

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass man für Sichtbetonoberflächen in der Regel etwas mehr Zementmörtel verwendet als bei sonstigen Anwendungen im Hochbau. Der Anteil der Gesteinskörnungen ist also im Verhältnis geringer. Damit lassen sich die vielfältigen Varianten an Mustern, Strukturen und Farben bei Sichtbetonoberflächen freilich nicht erklären. Weniger die Betonrezeptur als vielmehr die Beschaffenheit der Schalung spielt hier eine große Rolle.
Auf https://www.beton.org – der gemeinsamen Informations-Website der deutschen Zement- und Betonhersteller – ist dazu folgendes zu lesen: „Zwar gibt es Sichtbetonflächen in vielen unterschiedlichen Ausprägungen und Herstellungstechniken (gefärbt, steinmetzmäßig bearbeitet, gesäuert, gewaschen, Stampfbeton usw.), dennoch sind alle diese Flächen im Ursprung „geschalte“ Flächen und zeigen ein mehr oder weniger durch die Schalungshaut mitbestimmtes Aussehen.“
Als Schalungshaut bezeichnet man die vom Traggerüst gehaltene Oberfläche des Schalungselements, die im direkten Kontakt mit dem Frischbeton steht. Diese besteht in der Regel aus Holz, Kunststoff oder Metall und beeinflusst mit ihrer jeweiligen Textur die Oberflächenstruktur des ausgehärteten Betonbauteils. Besteht die Schalungshaut beispielsweise aus Holzbrettern, prägt sich deren Textur dauerhaft in die Betonoberfläche ein. Auf diese Weise lassen sich nicht nur unterschiedliche Muster, sondern auch ganz grundsätzliche Oberflächeneigenschaften (rau, glatt, wellig, ...) im Beton verewigen.
Im Übrigen spielt nicht nur die Textur, sondern auch das Saugverhalten der Schalungshaut eine Rolle. Für eine glatte Sichtbetonfläche beispielsweise ist es – neben einer glatten Schalungshaut – wichtig, dass die Schalung das Wasser im Frischbeton nicht oder nur schwach aufsaugt. Bei solchen Schalungshauttypen entstehen zudem hellere Betonoberflächen, die zugleich aber auch relativ porös sind und eher eine ungleichmäßige Farbgebung aufweisen. Verwendet man dagegen eine saugende Schalhaut, dann wird die Sichtbetonoberfläche weniger glatt, dafür aber auch porenärmer und farblich gleichmäßiger.
Farben und Muster
Die Schalungshaut hat also häufig einen großen Einfluss auf die Optik der späteren Sichtbetonoberfläche. Deren Gestaltung ist aber auch noch durch viele andere Methoden beeinflussbar. Farbeffekte lassen sich zum Beispiel durch farbige Gesteinskörnungen im Beton herstellen oder man färbt den Zement mit Farbpigmenten ein. Alternativ kann man den ausgehärteten Beton nachträglich mit einer transparenten Farblasur streichen. Ein heller Beton ist zudem durch Verwendung von Weißzement möglich.
Eine Alternative zur strukturierten Schalungshaut sind Strukturmatrizen aus elastischem Kunststoff, die auf der Schalungshaut befestigt werden. Solche Matrizen sind heute problemlos in vielen unterschiedlichen Designs herstellbar – von Mustern aller Art über Firmenlogos bis hin zu dreidimensionalen Fotoabbildungen. Durch den Austausch von Matrizen kann man mit demselben Schalungselement immer wieder neue Sichtbetonflächen realisieren.
Schalungshaut und Strukturmatrizen kommen zum Einsatz, wenn der Beton noch flüssig ist. Doch auch das bereits ausgehärtete Material lässt sich im Nachhinein noch auf vielfältige Weise bearbeiten. Verfahren wie das Schleifen, (Sand)Strahlen, Absäuern oder Feinwaschen rauen die Oberfläche mehr oder weniger stark auf. Das so genannte Grobwaschen bewirkt den bekannten Waschbeton-Effekt. Die Grobkörner im Beton werden dabei mehr als 2 mm freigelegt.
Eine relativ hohe Arbeitstiefe und raue Oberflächen mit sichtbaren Gesteinskörnungen verbindet auch die steinmetzmäßigen Bearbeitungsverfahren wie das Spitzen (per Spitzeisen) und Stocken (per Stockhammer). Beim so genannten Scharrieren wird mit dem Scharriereisen eine Linienstruktur in den Beton gearbeitet.
Oberflächenschutzsysteme
Ist die Sichtbetonfläche fertig gestaltetet, wird sie meist noch mit einem (transparenten) Oberflächenschutzsystem behandelt. Die dafür üblichen bauchemischen Produkte auf Basis von Silan, Siloxan oder Acrylat sollen den Beton in der Regel wasser- öl- und schmutzabweisender machen und bieten oft auch einen besseren Graffiti-Schutz.