Untersichten findet man bei Vor- und Rücksprüngen, aber auch bei Durchfahrten. (Quelle: VDPM)

Dämmstoffe 2024-04-09T07:00:00Z WDVS an Gebäude-Untersichten

Wärmedämm-Verbundsysteme ermöglichen eine effektive energetische Gebäudesanierung von außen. Der Dämmstoff wird dabei an der Fassade angebracht, man verklebt die Platten also meist senkrecht zum Baugrund. Viele Fassaden verfügen aber auch über Untersichten, in deren Bereich ein horizontales WDVS notwendig wird. Was dabei zu beachten ist, darüber informiert ein neues VDPM-Merkblatt.

Das im Februar veröffentlichte Merkblatt „WDVS an Untersichten: Hinweise für die Planung und Bemessung“ ist die erste Broschüre, die der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) zu diesem Spezialthema publiziert hat. Das Merkblatt dient zur Unterstützung bei der Planung und Bemessung von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) an Untersichten mit einer Tiefe von > 1 m entsprechend geltender abZ/aBG.

Die 24-seitige Broschüre wurde gemeinsam von einer VDPM-Projektgruppe und namhaften Ingenieurbüros erstellt und steht auf der Website des Verbands als kostenloses PDF zum Download bereit. Der VDPM repräsentiert nach eigenen Angaben die führenden Hersteller von Fassadendämmsystemen, Außen- und Innenputzen, Mauermörtel und Estrich.

Herausforderung durch dicke Dämmstoffe

WDVS sind keine allgemein genormten Produkte. In Deutschland dürfen seit 1995 nur solche WDVS zum Einsatz kommen, für die der Systemanbieter erfolgreich eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) beziehungsweise eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) beantragt hat. Diese Zulassungen aber machten lange Zeit keinen Unterschied zwischen vertikal oder horizontal montierten WDVS-Flächen.

Das Merkblatt gilt für Untersichten mit einer Tiefe von mehr als einem Meter. (Quelle: VDPM)

Warum? Früher waren die auf die Fassade geklebten und gegebenenfalls zusätzlich gedübelten Dämmstoffplatten noch relativ dünnschichtig und entsprechend leicht. Die Gefahr, dass die Standsicherheit des WDVS durch das Gewicht der Dämmstoffpakete und/oder durch Windsog Schaden nimmt, war daher sehr gering. Das galt nicht nur für den Bereich der klassischen Fassadenflächen, sondern auch für Untersichten. Unter Letzteren versteht man Horizontalflächen an Fassaden – also zum Beispiel Deckenunterseiten oder auch die Unterseiten von Balkonen und Loggien.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Dämmstoffdicke an WDVS-Fassaden erhöht – parallel zu den gestiegenen energetischen Anforderungen im Rahmen der Gebäudesanierung. Vor allem bei Untersichten, also in Fassadenbereichen, wo Dämmstoffe horizontal verlegt werden, stellt sich damit die Frage der Standsicherheit neu. Diese ist nun eher bedroht, zumindest wenn Faktoren wie das höhere Eigengewicht der Dämmstoffe, eine zu geringe Haftfestigkeit des Untergrundes und der vor Ort wirkende Windsog auf ungünstige Weise zusammenwirken.

Eigen- und Windsoglasten gesondert bemessen

Das Aufkommen dickschichtigerer Systeme hat bisher allerdings nicht dazu geführt, dass die abZ/aBG für WDVS nunmehr auch grundsätzlich auf die speziellen Anforderungen im Bereich von Untersichten eingehen würden. Nach Angaben des VDPM-Merkblatts ist es vielmehr so, dass sich seit 2008 viele Zulassungen auf die vertikale Verwendung beschränken. Der horizontale Anwendungsbereich sei bei solchen Zulassungen bauordnungsrechtlich nicht abgedeckt – schreiben die Autoren in der Einleitung des Merkblattes.

Die Broschüre steht auf der VDPM-Website als PDF zum Download bereit. (Quelle: VDPM)

Was heißt das für die Praxis? In einer Pressmitteilung zur neuen Broschüre empfiehlt der VDPM für die Fassadendämmung von Gebäuden mit Untersichten ausdrücklich die Wahl eines WDV-Systems, dessen abZ/aBG den Anwendungsfall „WDVS an Untersicht“ einschließt. Mit Untersicht ist in diesem Zusammenhang natürlich nicht jeder kleine Vor- oder Rücksprung gemeint, wie er etwa im Bereich von Fensterlaibungen oder generell als Gestaltungselement von Fassaden vielerorts üblich ist. Das VDPM-Merkblatt befasst sich ja ausdrücklich nur mit Untersichten, die mehr als 1 m tief sind.

Bei Ausführung eines WDVS an einer Untersicht > 1 m empfehlen die Autoren allerdings ausdrücklich „gesonderte Betrachtungen für die Bemessung von Eigen- und Windsoglasten“. Durch den Einsatz geeigneter und zugelassener Dübel – zusätzlich zur Verklebung der Dämmstoffplatten – sei es mittlerweile möglich, auch diesen spezifischen Anwendungsfall in abZ/aBG aufzunehmen. Übrigens: Weitere Infos zu WDVS-Dübeln – auch in vertikalen Fassadenbereichen – bietet der BaustoffWissen-Beitrag „Sind WDVS-Dübel notwendig?“.

Standsicherheit im Fokus

Das neue VDPM-Merkblatt soll über die Zulassungen hinaus eine Hilfestellung für das sichere Planen von WDVS an Untersichten mit einer Tiefe von > 1 m bieten. Die Infobroschüre enthält auch zahlreiche Praxishinweise für die professionelle Verarbeitung und wendet sich damit nicht nur an Planende, sondern auch an das ausführende Fachhandwerk.

Den inhaltlichen Schwerpunkt des Merkblattes bildet das für WDVS an Untersichten besonders relevante Kapitel zur Standsicherheit. Die Autoren gehen hier ausführlich auf die Einwirkung von Lasten und auf für die Berechnung relevante Widerstände ein. Der Anhang der Broschüre enthält ein Praxisbeispiel für die WDVS-Bemessung an Untersichten mit der Bestimmung der Belastungen aus dem Eigengewicht und aus Windsog.

zuletzt editiert am 04. April 2024