Die gemeinschaftliche PV-Nutzung auf Mehrfamilienhäusern wurde deutlich entbürokratisiert. (Quelle: Pixabay)

Plus 2024-07-03T07:00:00Z Wohngebäude: Was bringt das Solarpaket?

Mit dem Mitte Mai in Kraft getretenen „Solarpaket I“ verfolgt die Bundesregierung das Ziel, den Photovoltaik-Ausbau in Deutschland deutlich zu beschleunigen – auch im Mietwohnungsbau. Vereinfachte Regeln sollen dafür sorgen, dass künftig auch Mieter und Wohnungseigentümer häufiger Solarstrom nutzen können, der direkt auf dem Haus produziert wird, in dem sie leben.

Schon vor einem Jahr hatte sich die Bundesregierung ein ambitioniertes Ziel beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) gesetzt. Die Anfang 2023 in Kraft getretene Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) sieht vor, dass bis 2030 mindestens 80 % der deutschen Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen stammen muss. Ein beträchtlicher Anteil dieses Stroms soll durch zusätzliche PV-Anlagen bereitgestellt werden – einerseits durch neue Freiflächenanlagen, andererseits aber auch durch mehr Gebäude-PV.

Das EEG fordert konkret, dass ab 2026 jedes Jahr mindestens 22 Gigawatt zusätzliche PV-Anlagenleistung hinzukommen, die Hälfte davon im Gebäudebereich. Von Anfang an war klar, dass das ohne neue Anreize für Hausbesitzer kaum umzusetzen sein wird. Mit dem Solarpaket I hat die Bundesregierung daher nun neue Rahmenbedingungen gesetzt. Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sollen die neuen Regeln „die Weichen für eine Beschleunigung des Ausbaus der Photovoltaik“ stellen. Im Fokus steht dabei der Abbau von Bürokratie.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Das Solarpaket enthält auch neue Regeln für den Ausbau anderer erneuerbarer Energien wie Windkraft und Biomasse. In diesem Beitrag interessiert uns aber nur die Photovoltaik und hier speziell die Solarstromerzeugung im Wohngebäudebereich.

Solarstrom vom eigenen Gebäudedach ist für die Bewohner günstiger als normaler Netzstrom. (Quelle: Pixabay)

Die Bundesregierung wollte insbesondere die Nutzung von PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern vereinfachen. Hausbesitzer sollen ihren Mietern oder Wohnungseigentümern ohne viel bürokratischen Aufwand die Nutzung von Solarstrom anbieten können, der mithilfe von PV-Modulen auf dem eigenen Gebäudedach (oder an der Fassade) lokal produziert wird. Das Solarpaket I enthält zu diesem Zweck das neue Modell „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“.

Bei diesem Modell können interessierte Gebäudebewohner freiwillig Solarstrom direkt von der Gebäude-PV beziehen – also ohne den Umweg über die Einspeisung des PV-Stroms ins allgemeine Stromnetz. Vorteil: Der Solarstrom ist für die Abnehmer günstiger als der Netzstrom. Netzentgelte und sonstige Umlagen und Abgaben, die ansonsten für Verbraucher fester Bestandteil des Strompreises sind, entfallen. Außerdem handelt es sich um besonders klimafreundlich erzeugten lokalen Strom.

Ganz wichtig: Wer die Gebäude-PV nutzen möchte, schließt mit dem Anlagenbetreiber zwar einen Gebäudestromliefervertrag ab, behält zugleich aber auch noch einen eigenen Netzstromliefervertrag, für den er auch individuell zumindest die Grundgebühr zahlen muss. Über diesen herkömmlichen Vertrag ist die Lieferung des Reststroms gesichert, die die Gebäude-PV nicht decken kann.

Für den Anlagenbetreiber hat das Modell den Vorteil, dass er von der Pflicht zur Reststromlieferung und allen sonstigen Lieferantenpflichten nach §§ 40 ff. des Energiewirtschaftsgesetztes weitgehend befreit ist. Es muss übrigens nicht zwangsläufig der Gebäudeeigentümer sein, der die PV-Anlage betreibt. Auch Externe sind dazu berechtigt. Das kann auch ein Zusammenschluss von Mietenden oder Wohnungseigentümern sein, die gemeinsam in die PV-Anlage investiert haben.

Bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist es im Übrigen Pflicht, dass sich die Anlage direkt am Gebäude oder an einer Nebenanlage des Gebäudes befindet. Zu den technischen Voraussetzungen des Modells gehört laut BMWK, dass sich die lokal erzeugte PV-Strommenge und der Verbrauch jedes teilnehmenden Gebäudebewohners viertelstundenscharf messen lassen.

Dafür muss das Gebäude bereits über intelligente Messsysteme (Smart Meter) verfügen. Smart Meter bestehen aus zwei Komponenten: einem digitalen Stromzähler sowie einem „Smart-Meter-Gateway“. Letzteres ist eine Kommunikationseinheit mit Schnittstelle zum Internet, die regelmäßig Informationen zum Stromverbrauch, aber auch zur Stromeispeisung durch PV-Anlagen an den Energieversorger und den Stromnetzbetreiber sendet.

Unterschied zum Mieterstrom

Anfang 2017 haben wir auf BaustoffWissen schon einmal über das Thema „Mieterstrom“ informiert (siehe Beitrag „Energiewende: Was ist Mieterstrom?“). Nun könnte man meinen, die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sei nur eine neue, bürokratisch entschlackte Variante des Mieterstrommodells. Die Bundesregierung sieht das allerdings anders. Das BMWK spricht von einem „eigenständig fortbestehenden Mieterstrommodell“.

Was ist der Unterschied zwischen den beiden Gebäude-PV-Modellen? Zunächst einmal: Das Mieterstrom-Modell ist nicht auf ein Gebäude und seine Nebenanlagen beschränkt. Wohnungsgesellschaften, die über mehrere Mietwohngebäude verfügen, können diese also auch mit einer zentralen Kundenanlage versorgen.

Betreiber von Mieterstromanlagen sind zudem nicht von der Pflicht zur Reststromlieferung befreit. Sie müssen also die komplette Strommenge zur Verfügung stellen, die die Mieter benötigen. Liefert die PV-Anlage vorübergehend nicht ausreichend Solarstrom, müssen sie für die Mieter den zusätzlich benötigten Strom aus dem Netz dazukaufen. Die Mieter schließen also einen vollständigen Stromliefervertrag mit dem Betreiber der Mieterstromanlage ab. Anders als bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung haben sie keine separaten Netzstromlieferverträge.

Als Ausgleich für die administrativen Mehrkosten, die dem Anlagenbetreiber durch die Vollstrombelieferung entstehen, erhält dieser beim Mieterstrommodell einen Mieterstromzuschlag, der ihm vom jeweiligen Netzbetreiber ausgezahlt wird. Bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung gibt es eine derartige „Förderung“ nicht. Dafür entfallen die Lieferantenpflichten. Für Anlagenbetreiber und Mieter gleichsam von Vorteil ist, dass nur eine einzelne Grundgebühr für den gemeinsamen Netzanschluss des Gebäudes anfällt.

Unbürokratische Balkon-PV

Das Solarpaket I soll zudem die rechtmäßige Inbetriebnahme von kleinen PV-Anlagen erleichtern, die man einfach per Stromstecker anschließt. Dank solcher Balkon-Photovoltaik können sich auch Mieter oder Wohnungseigentümer ganz individuell mit ihrem eigenen Solarstrom versorgen. Sie müssen allerdings vorab das Einverständnis des Vermietenden oder der Wohnungseigentümergemeinschaft einholen.

Ein moderner Balkon eines Stadthauses mit einem installierten Solarpanel, umgeben von grünen Pflanzen, mit einer Aussicht auf eine urbane Skyline im Hintergrund bei Tageslicht.
Miko-PV auf dem Balkon ist nun wesentlich einfacher zu realisieren – auch für Mieter. (Quelle: Pixabay)

Für Balkon-PV ist nun nur noch eine Anmeldung im Marktstammdatenregister bei der Bundesnetzagentur notwendig. Die bisher geforderte Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt. Laut BMWK wurde der Anmeldeaufwand beim Marktstammdatenregister zudem auf wenige, einfach einzugebende Daten beschränkt.

Das Solarpaket I erlaubt nunmehr Mikro-PV-Anlagen auch dann, wenn die jeweilige Wohnung noch nicht über einen Zweirichtungszähler verfügt. Auch die alten rückwärtsdrehenden Zähler werden also geduldet – zumindest vorübergehend. Das BMWK verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in Deutschland bis 2032 im Rahmen des Smart-Meter-Rollouts ohnehin sämtliche alten Zähler gegen moderne Messeinrichtungen ausgetauscht werden.

Die Bundesregierung verfolgt zudem das Ziel, Balkon-PV auch an normalen Steckdosen zu ermöglichen. Die entsprechenden technischen Normen würden derzeit durch den VDE (Verband der Elektrotechnik) überarbeitet. Die technische Normung sieht für Balkonsolaranlagen bislang den Anschluss an eine „Energiesteckdose“ vor, deren Einbau durch eine Fachkraft des Elektrohandwerks zu erfolgen hat. Für die Zukunft ist nun damit zu rechnen, dass die Normen dahingehend geändert werden, dass der Anschluss von Mikro-PV unter bestimmten Bedingungen auch an ganz normale Haushaltssteckdosen erfolgen darf.

zuletzt editiert am 28. Juni 2024