Letzten Donnerstag veranstaltete das Verbändebündnis Wohnungsbau den 15. Wohnungsbau-Tag in Berlin. Am Vormittag präsentierten die Veranstalter im Rahmen einer Pressekonferenz gleich zwei neue Wohnungsbau-Studien. Am frühen Nachmittag folgte dann der Polit-Talk – unter anderem mit Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Beide Veranstaltungen kann man sich unter https://www.impulse-fuer-den-wohnungsbau.de in voller Länge anschauen.
Die vorgestellten Studien zeichnen ein düsteres Bild der Lage im deutschen Wohnungsneubau. Die aktuelle Krise werde der Volkswirtschaft in diesem Jahr Milliarden-Verluste und dem Staat erhebliche Rückgänge bei den Steuereinnahmen bescheren. Gleichzeitig erlebe Deutschland einen neuen Rekord-Wohnungsmangel: Aktuell fehlten bereits mehr als 800.000 Wohnungen. Das sei sozialer Sprengstoff und lasse politische Unzufriedenheit wachsen.
23 Mrd. Euro Sonderförderung
Vor allem aber halte fehlender Wohnraum auch dringend gebrauchte Fachkräfte aus dem Ausland zunehmend davon ab, nach Deutschland zu kommen. Dies sei eine „fatale Entwicklung, bei der die Krise im Wohnungsbau einen Dominoeffekt und damit massiven Schaden für weite Teile der Wirtschaft auszulösen droht“, so das Verbändebündnis Wohnungsbau, dem neben dem Deutschen Mieterbund und der IG BAU Verbände der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie der Mauerstein-Industrie und des Baustoff-Fachhandels angehören.

Die Verbände fordern die Bundes- und Landespolitik daher zu einer sofortigen Sonderförderung des Wohnungsneubaus auf. Konkret würden jährlich 23 Mrd. Euro an Subventionen benötigt: 15 Mrd. für 100.000 neue Sozialwohnungen und zusätzlich noch einmal 8 Mrd. Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen. Das geht aus Berechnungen hervor, die Wissenschaftler des schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstituts ARGE (Kiel) in ihrer Studie zum Wohnungsbau-Tag gemacht haben (Studie als PDF-Download).
Die ARGE-Studie fordert neben mehr Förderung auch, dass künftig deutlich einfacher gebaut wird – also einen Abbau überzogener Standards. Nur so könne Deutschland den Weg aus der Wohnungsbau-Krise schaffen. „Wir müssen anders bauen, sonst bauen wir bald gar nicht mehr“, sagte ARGE-Studienleiter Prof. Dietmar Walberg auf dem Wohnungsbau-Tag.
Wohnungsbau-Bedeutung ermittelt
In der zweiten vorgestellten Studie hat das Beratungsunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Econ) zum ersten Mal gezielt die wirtschaftliche Bedeutung des Wohnungsbaus untersucht – also unabhängig vom restlichen Bausektor. Die Studie trägt den Namen „Die Wirtschaftskraft hinter dem Wohnungsbau“ und steht hier als kostenloses PDF-Download zur Verfügung.
DIW Econ ermittelte für die Wohnungsbaubranche eine Bruttowertschöpfung von insgesamt rund 537 Mrd. Euro im vergangenen Jahr. Der Wohnungsbau stecke damit – quer durch alle Wirtschaftsbereiche – hinter jedem siebten Euro der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland. Außerdem habe jeder siebte Arbeitsplatz mit dem Wohnungsbau zu tun: Hier sei es im vergangenen Jahr um die Jobs von knapp 6,6 Mio. Menschen gegangen – 2,3 Mio. davon mit einem Arbeitsplatz direkt in der Wohnungsbaubranche.
Auch finanzpolitisch habe der Wohnungsbau Gewicht: Hinter ihm steckten im vergangenen Jahr Steuereinnahmen von 141 Mrd. Euro – immerhin 17 % der gesamten Steuereinnahmen in Deutschland. Angesichts solcher Zahlen sehen die Wissenschaftler den Wohnungsbau als ein „Zugpferd der deutschen Wirtschaft“ – ähnlich wie die Automobilbranche. Aktuell allerdings lahmt dieses Zugpferd. Schon drei Jahre in Folge sind die Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau rückläufig, 2024 erwartet das DIW sogar einen nominalen Rückgang von 5,4 % beim Wohnungsbauvolumen.
DIW-Studienleiter Prof. Martin Gornig sieht daher im Wohnungsbau aktuell eine „Achillesferse der deutschen Wirtschaft“, die deutlich angeschlagen sei. Vor diesem Hintergrund warnt das Wohnungsbau-Bündnis in einer Pressemitteilung zum Wohnungsbau-Tag: „Es gibt kein Wachstum der Gesamtwirtschaft ohne Wachstum im Wohnungsbau. Passiert jetzt nichts, dann erlebt Deutschland einen Bumerangeffekt der Wohnungsbau-Krise, der die gesamte Wirtschaft empfindlich treffen wird“.