RM Rudolf Müller
Der Offshore-Windpark Butendiek verbrauchte große Mengen Korrosionsschutzmittel.  Foto: Sika Deutschland GmbH

Der Offshore-Windpark Butendiek verbrauchte große Mengen Korrosionsschutzmittel.  Foto: Sika Deutschland GmbH

Bauchemie
21. September 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Korrosionsschutz für Stahlbauteile

Sind Stahlbauteile ständig Wasser und Salzen ausgesetzt, benötigen sie einen sicheren Korrosionsschutz. Mithilfe moderner Beschichtungssysteme ist mittlerweile eine Schutzdauer von mehr als 25 Jahren möglich – selbst unter extremen Umweltbedingungen wie etwa bei Offshore-Bauwerken, Brücken oder in Bereichen mit extremer Luftfeuchtigkeit.

Alle Beschichtungssysteme haben gemeinsam, dass sie eine Diffusionsbarriere für Wasserdampf errichten. Sie sorgen also dafür, dass Feuchtigkeit von außen nicht bis zum rostanfälligen Stahlkern vordringt. In Umgebungen mit hoher Korrosionsbelastung kommen heute meist mehrschichtige Schutzsysteme auf Kunststoffbasis zum Einsatz. Diese lassen sich manuell mit dem Pinsel oder der Rolle auftragen, meist werden sie aber maschinell per Airless-Spritzverfahren verarbeitet. Die organischen Beschichtungen ermöglichen eine sehr hohe Schutzdauer von mehr als 25 Jahren – auch dann, wenn man sie direkt auf rohen Stahl ohne Zinküberzug anwendet.

Duplex-Systeme

Alternativ lassen sich die Kunststoffbeschichtungen aber auch auf Stählen applizieren, die bereits feuerverzinkt sind. Derartige Kombinationen nennt man Duplex-Systeme. Sie bewirken eine besonders hohe Schutzdauer.

Der Grund dafür ist einfach: Bei der Feuerverzinkung mit geschmolzenem Zink entsteht eine harte, rostfreie Schutzschicht, die extrem fest auf dem Stahluntergrund haftet. Aber auch der widerstandsfähigste Zinküberzug nutzt sich irgendwann ab, wenn Bauteile im Außenbereich permanent Wind und Wetter oder auch mechanischen Beschädigungen ausgesetzt sind. Dieser Prozess lässt sich durch zusätzliche organische Beschichtungen verlangsamen. Außerdem kann man Stahloberflächen mithilfe von Kunststoffanstrichen auch farblich variabler gestalten.

Bei der Feuerverzinkung erhält der Stahl seinen schützenden Überzug durch Eintauchen in ein Becken mit geschmolzenem Zink. Aus diesem Grund ist das Verfahren nur für Bauteile einsetzbar, die nicht zu groß sind. Große Stahlbauwerke wie zum Beispiel Brücken bestehen oft aus so großen Einzelteilen, dass eine Korrosionsschutzbehandlung im Tauchbad von vorneherein ausscheidet. In solchen Fällen vertraut man daher in der Regel ausschließlich auf die genannten Kunststoffbeschichtungen.

Kunststoffbeschichtungssysteme

Die neue Neckarbrücke in Stuttgart-Bad Cannstatt wurde mit vier Schichten Korrosionsschutz behandelt. Foto: Sika Deutschland GmbH

Die neue Neckarbrücke in Stuttgart-Bad Cannstatt wurde mit vier Schichten Korrosionsschutz behandelt. Foto: Sika Deutschland GmbH

Doch wie gesagt: Eine hohe Schutzdauer ist auch ohne Feuerverzinkung – nur durch ein mehrschichtiges Kunststoffsystem – realisierbar. Zumal auch bei diesen Systemen Zink mit im Spiel ist: Sie beinhalten nämlich in der Regel eine zinkstaubpigmentierte Grundbeschichtung. Diese unterste Schicht ist durch ihre Pigmentierung für einen Großteil des Korrosionsschutzes verantwortlich. Sie übernimmt zudem eine Funktion als Haftbrücke zwischen Stahluntergrund und den weiteren Schichten. Die Gesamtschichtdicke des organischen Systems sowie die Schichtanzahl können je nach Einsatzbereich schwanken.

Bei höchsten Korrosionsbelastungen kommen in der Regel vierschichtige Systeme zum Einsatz. Neben der Grundbeschichtung bestehen sie meist aus zwei eisenglimmerhaltigen Zwischenschichten und einer farbgebenden Deckbeschichtung. Die Zwischenschichten erhöhen die Korrosionsschutzwirkung durch die in ihnen enthaltenden Pigmente, vor allem aber auch durch ihre bloße Schichtdicke, die als Diffusionsbarriere wirkt. Auch die Deckbeschichtung erhöht natürlich noch einmal die abschirmemde Wirkung des Gesamtsystems, in erster Linie übernimmt sie aber eine optische Funktion.

Vor dem Auftrag des Vier-Schicht-Systems muss die Stahloberfläche von eventuell vorhandenem Rost befreit sowie von Verunreinigungen oder alten Beschichtungsstoffen gereinigt werden. Anschließend raut man sie auf und erhält somit eine gestrahlte Stahloberfläche.

Stahlbrücke über den Neckar

Ein aktuelles Anwendungsbeispiel für den oben beschriebenen vierschichtigen Korrosionsschutz ist die Stahlsegelbrücke, die die Deutsche Bahn zurzeit in Stuttgart-Bad Cannstatt über den Neckar errichten lässt (siehe Foto oben). Dort soll der Zugverkehr ab Ende 2025 auf vier Gleisen rollen. Die insgesamt 20.000 m² Stahlflächen wurden mit Korrosionsschutzmitteln des Bauchemieherstellers Sika behandelt.

Als Grundierung kam dort eine zweikomponentige, hochpigmentierte, zinkstaubreiche, lösemittelarme Grundbeschichtung auf Epoxidharzbasis zum Einsatz. Bei der ersten Zwischenbeschichtung handelt es sich ebenfalls um ein zweikomponentiges Produkt auf Epoxidharzbasis, das zudem eisenglimmerhaltig ist. Für die zweite Zwischenbeschichtung verwendete man eine lösemittelarme, zweikomponentige Polyurethan-Beschichtung mit hohem Eisenglimmergehalt. Auf der Oberfläche schließlich wurde eine farbige, zweikomponentige Deckbeschichtung auf Acryl-Polyurethanbasis mit Eisenglimmer-Pigmentierung eingesetzt.

Extremfall Offshore-Windparks

Bei der gelben Beschichtung an diesem Offshore-Windradfundament handelt es sich um ein Korrosionsschutzmittel. Foto: Sika Deutschland GmbH

Bei der gelben Beschichtung an diesem Offshore-Windradfundament handelt es sich um ein Korrosionsschutzmittel. Foto: Sika Deutschland GmbH

Offshore-Windkraftanlagen sind ähnlich wie Bohrinseln besonders korrosionsbelastete Bauwerke, da sie mitten im Meer stehen. Das Fundament der Windräder besteht in der Regel aus Stahlpfählen, die man in den Meeresboden rammt und die mit ihrem oberen Ende aus dem Wasser herausragen. Der 2015 in Betrieb gegangene Offshore-Windpark Butendiek vor der Nordseeküste Schleswig-Holsteins umfasst 80 einzelne Windenergieanlagen und benötigte entsprechend große Mengen an Schutzbeschichtungen.

Insgesamt wurden im Windpark Butendiek 140.000 m2 Korrosionsschutzmittel von Sika verarbeitet. Im Unterwasserbereich kam eine lösemittelfreie und mechanisch robuste 2K-Beschichtung auf Epoxidharzbasis zum Einsatz. Die äußeren Flächen der aus dem Wasser herausragenden Stahlbauteile wurden mit einer mechanisch widerstandsfähigen, witterungsbeständigen 2K-Deckbeschichtung im Farbton RAL 1023 behandelt (Verkehrsgelb).

Der Windpark wurde für Standzeiten von 20 bis 30 Jahren geplant. Angesichts der extremen Umwelteinflüsse – Wasser, Salze, Wind, extreme Temperaturschwankungen, eine starke UV-Einwirkung sowie mechanische Einwirkungen – sind in diesem Zeitraum wiederholte Reparaturarbeiten an den Korrosionsschutzbeschichtungen unvermeidlich. Sika bietet daher auch eine Reparaturbeschichtung speziell für den Offshore-Bereich. Der 2K-Beschichtungsstoff aus der Koaxialkartusche härtet schnell aus und erlaubt die Anwendung auch in schwer zugänglichen Bereichen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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