RM Rudolf Müller
Kalkputz

Kalkputze fördern ein behagliches Raumklima. Foto: Knauf

Boden und Wand
20. Mai 2014 | Artikel teilen Artikel teilen

Warum sind Kalk- und Lehmputze wohngesund?

Zu den ältesten Baustoffen der Menschheit zählen Kalk- und Lehmputze. Für den Außenbereich werden sie heute kaum noch verwendet, da sie eine relativ geringe Festigkeit haben und zudem nicht witterungsresistent sind. Aber auch für Innenräume hat man sie in der Vergangenheit oft verschmäht, weil sie aufwändig zu verarbeiten sind und lange Trocknungszeiten erfordern. In den letzten Jahren allerdings erleben gerade diese Putzarten eine Renaissance. Ursache ist das Trendthema Wohngesundheit. Denn Kalk und Lehm eignen sich hervorragend zur Regulierung der Raumluftfeuchte.

Im Fachwissenbeitrag zum Thema Raumluftfeuchtigkeit war bereits von der Fähigkeit mancher Baustoffe die Rede, Wasserdampf zwischenzeitlich aufzunehmen und sie zeitversetzt wieder abzugeben, wenn die Raumluft trockener wird. Diese feuchtigkeitsregulierende Eigenschaft verbessert das Raumklima und dient damit der Wohngesundheit. Man findet sie insbesondere bei Holz und bei vielen anderen Materialien, die aus pflanzlichen Fasern bestehen. So haben zum Beispiel auch Tapeten aus Baumwolle eine gewisse Eignung als „Puffer“ für Wasserdampf. Wobei man von Tapeten in dieser Hinsicht aber nicht zu viel erwarten sollte, denn zur Feuchteregulierung bedarf es schon einer gewissen Schichtdicke der Materialien.

Holz ist grundsätzlich einer der besten Feuchtigkeitspuffer überhaupt. Es ist diffusionsoffen, kann also viel Wasserdampf und flüssiges Wasser aufnehmen und zeitversetzt wieder abgeben. Trotzdem ist bei diesem Material Vorsicht geboten. Denn bekanntermaßen bereitet Holz, wenn es feucht wird, auch viele Probleme – vom Schimmelpilzbefall über die Zersetzung durch Insekten, Pilze oder Bakterien bis hin zum Quellen und Schwinden (siehe Fachwissenbeitrag Holzeigenschaften). Für die Feuchtigkeitsregulierung eignet sich Holz daher nur in normalen Wohnbereichen, nicht aber in stark belasteten Feuchträumen.

Versiegeln verboten

Materialien mit einer dichten Oberflächen wie etwa Kunststoffe und Metalle oder auch Normalbeton sind für die Feuchtigkeitsregulierung ungeeignet. Poröse Mauerwerksteine wie Ziegel oder Leichtbeton sind dagegen diffusionsoffen. Als Wasserdampf-Puffer können sie allerdings auch nur dann dienen, wenn sie nicht mit diffusionsdichten Oberflächenbeschichtungen versiegelt werden. Das Prinzip funktioniert also nur, wenn die diffusionsoffene Wand mit ebenfalls diffusionsoffenen Farben, Tapeten oder Putzen beschichtet wird. Diesbezüglich sollte man sich vor der Verarbeitung genau informieren. Viele klassische Wandfarben sind nämlich nicht diffusionsoffen. Das gilt ebenso für Zementputz. Und auch Holzoberflächen sind nur diffusionsoffen, wenn sie unbehandelt sind oder mit diffusionsoffenen Holzpflegemitteln beschichtet werden. Bei Tapeten schließlich muss man differenzieren: Die aus Zellulosefasern bestehende Raufaser ist diffusionsoffen, PVC- und Glasfasertapeten sind es nicht.

´Angesichts der geschilderten Anforderungen für die Diffusionsfähigkeit von Bauteilen überrascht es nicht, dass Kalk- und Lehmputze in den letzten Jahren wieder zunehmend gefragt sind. Denn diese mineralischen Produkte können hervorragend Wasserdampf zwischenspeichern und gelten zudem als schimmelresistent. Außerdem lassen sie sich ideal mit mineralischen Farben kombinieren, die ebenfalls diffusionsoffen sind.

Vorteile von Kalkputz …

Lehmputz und Lehmfarben

Zur Endbeschichtung von Lehmputzen gibt es heute auch attraktive Lehmfarben. Foto: Claytec / Huppertz

Fast 7 % der Erdkruste bestehen aus Kalkstein (Calciumcarbonat). Der wichtigste Rohstoff für Kalkputz ist also in riesigen Mengen natürlich vorhanden. Ursprünglich ist er im Verlauf der Erdgeschichte aus den Schalen und Skeletten ehemals lebender Organismen entstanden.

Kalkputze haben aufgrund ihrer offenporigen Struktur gute Diffusionseigenschaften, die noch deutlich größer sind als bei Gipsputz. Außerdem können sie wegen ihrer Saugfähigkeit bis zu einem gewissen Grad auch flüssiges Wasser gefahrlos aufnehmen. Später wird die Feuchtigkeit wieder gleichmäßig an die Raumluft abgegeben. Kalkputze dunsten zudem keinerlei Schadstoffe aus und sind aufgrund ihres hohen pH-Werts unempfindlich gegen Schimmelpilzbefall. Damit die feuchtigkeitsregulierende Wirkung funktioniert, darf der Putz allerdings nicht mit diffusionsdichten Farben oder Tapeten beschichtet werden. Außerdem sollte er nicht zu dünn aufgetragen werden. In der Regel verarbeitet man Kalkputz in zwei Schichten, wobei die erste 10 bis maximal 20 mm und die zweite Schicht noch einmal 3 bis 10 mm dick ist.

… und Lehmputz

Lehmputz kann sogar noch mehr Feuchtigkeit zwischenspeichern als Kalkputz. Dass er dennoch seltener zum Einsatz kommt, hängt unter anderem mit dem höheren Preis und der noch geringeren Festigkeit zusammen. Lehmputz besteht aus Ton, Sand und feinen Sanden (Schluff) und härtet allein durch Verdunstung von Wasser aus. Für bewitterte Außenbereiche eignet sich das Material nicht, da Lehmputz wasserlöslich ist.

Die Fähigkeit Wasserdampf zu speichern, hängt bei Lehmputz stark von der Fläche der verputzten Wand ab. Die Schichtdicke ist nicht so wichtig, da rund 80 % der Feuchtigkeit in den oberen zwei Millimetern der Lehmschicht gebunden wird. Nach Angaben des Herstellers Claytec kann ein guter Lehmputz bei 1,5 cm Dicke bis zu 70 g Wasser pro Quadratmeter aufnehmen. Als Oberflächenfinish bieten sich diffusionsoffene Lehmfarben an.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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