RM Rudolf Müller
Grünwand mit austauschbaren Pflanzkassetten im Büroumfeld.  Foto: Mobilane

Grünwand mit austauschbaren Pflanzkassetten im Büroumfeld.  Foto: Mobilane

Boden und Wand
14. Februar 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Innenraum-Grünwände und Raumluftqualität

Die meisten Menschen haben mehr oder weniger viele Topfpflanzen in ihren Wohnungen. Die sind hier aber nicht das Thema. Stattdessen geht es um großflächige vertikale Grünwände. Als Indoor-Pendant zu Grünfassaden sind diese in den letzten Jahren verstärkt im Trend – in Büros, Shops und Restaurants, aber auch in Privatwohnungen. Sie sehen nicht nur gut aus, sondern können auch die Raumluftqualität verbessern.

Bei Innenraum-Grünwänden lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Arten unterscheiden. Auf der einen Seite stehen die wirklich „lebenden“ Pflanzenwände – also vertikale Beete mit Pflanzensubstrat, die sich im Laufe der Zeit verändern, weil sie eben wachsen. Diese Grünwände müssen regelmäßig bewässert sowie beschnitten werden und erfordern somit einen gewissen Pflegeaufwand. Je nach Lichtverhältnissen ist unter Umständen sogar eine künstliche Beleuchtung notwendig. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einfache Wandplatten mit sehr genügsamen Pflanzen (vor allem Moose), die nicht wachsen und praktisch gar keinen Pflegeaufwand erfordern.

Einfache Moosplatten

Eingefärbtes und konserviertes Wandmodul aus Kugelmoos im Stahlrahmen. Foto: Stylegreen

Eingefärbtes und konserviertes Wandmodul aus Kugelmoos im Stahlrahmen. Foto: Stylegreen

Bei den Moosplatten handelt es sich in gewisser Weise um „eingefrorene“ Pflanzenskulpturen, die meist auf Holzwerkstoffplatten befestigt sind und sich wie ein Gemälde an die Wand hängen lassen (siehe Foto). Das Moos selbst ist zwar schon natürlich, es wächst aber aufgrund eines speziellen Konservierungsverfahren nicht mehr. Dafür muss man die Pflanzen nicht gießen.

Trotzdem bleiben sie dauerhaft grün, aber nur, weil sie mit Lebensmittelfarben eingefärbt wurden! Im Naturzustand sind die Moose nämlich eher grau-cremefarben. Anbieter wie die deutsche Firma Kreos bieten Moosbilder in unterschiedlichsten Farben an – von grünen Naturtönen über Rot, Orange, Pink und Blau bis hin zu dunklen Tönen wie „Aubergine“ oder sogar Schwarz. Da wird dann nicht mal mehr die Illusion von Natürlichkeit erzeugt. Aber erlaubt ist bekanntlich, was gefällt.

Derartige Moosplatten benötigen praktisch keine Pflege. Alles was sie brauchen, um nicht komplett auszutrocknen, liefert die Raumluftfeuchtigkeit. Die muss allerdings mindestens 50 % betragen. Die meisten Hersteller bieten Platten in Form kleinerer Moosbilder, die sich als Einzelmodule auch zu kompletten Mooswänden zusammenfügen lassen.

„Lebende“ Grünwände

Die Trägerkassetten haben Mulden, in die man Pflanzenbehälter einsetzt. Foto: Mobilane

Die Trägerkassetten haben Mulden, in die man Pflanzenbehälter einsetzt. Foto: Mobilane

Deutlich aufwändiger in Konstruktion und Pflege sind lebende Innenraum-Grünwände. Dafür kommen zum Beispiel Farne und großblättrige Philodendron-Arten zum Einsatz, die sich bei Zimmertemperaturen gut entwickeln. In der Regel handelt es sich nicht um bodengebundene Kletterpflanzen, wie man sie von klassischen Fassadenbegrünungen kennt, sondern um wandgebundene Systeme. Die Pflanzen werden samt einer wasserdichten Unterkonstruktion, die auch das Pflanzensubstrat aufnimmt, an den Innenwänden befestigt.

Solche vertikalen Indoor-Pflanzenbeete gibt es in unterschiedlichen Varianten. Manche Anbieter setzen zum Beispiel auf an der Wand befestigte Trägerkassetten, die sich mit Pflanzkästen oder -töpfen bestücken lassen. Das System Live-Panel Indoor des Anbieters Mobilane ist zum Beispiel ein solches modulares Pflanzenwandsystem mit austauschbaren Pflanzkassetten. Die Trägerkassetten haben Mulden, in die man Pflanzenbehälter einsetzt.

Mobilane bietet das System in verschiedenen Varianten: Bei einer davon müssen die Nutzer die Pflanzen von Hand bewässern, während eine andere Variante mit einer automatischen Bewässerungsanlage ausgestattet ist, die an das Gebäude-Wassernetz angeschlossen wird. Das System „Live-Panel Tank“ wiederum erlaubt eine kontinuierliche Bewässerung auch ohne Anschluss an das Leitungs- und Abwassernetz. Es verfügt über spezielle Tanks unterhalb der Pflanzenbehälter, die manuell mit Wasser befüllt werden. Durch Kapillarwirkung nehmen die Pflanzen Wasser aus diesem Reservoir auf.

Ein anderes stark verbreitetes System für vertikale Indoor-Pflanzenbeete basiert auf textilen Vlies-Trägermaterialien, die mehrlagig so miteinander verbunden sind, dass sie taschenartige Behälter bilden, die das Bodensubstrat und die Pflanzen aufnehmen. Ein solches System wurde bereits im BaustoffWissen-Beitrag „Wie funktionieren Fassadenbegrünungen?“ beschrieben. Diese Vliestaschen lassen sich zudem optional mit Tropfrohren durchziehen, die man an eine vollautomatische Bewässerungsanlage anschließen kann. Wird das System in Innenräumen verwendet, ist aber auch eine manuelle Bewässerung möglich.

Positive Raumeffekte

Indoor-Grünwände sehen nicht nur gut aus, sondern haben auch eine schalldämmende Wirkung. Außerdem verbessern sie das Raumklima. Die Pflanzen nehmen nämlich überschüssige Feuchtigkeit aus der Luft auf und können umgekehrt – bei trockener Raumluft – auch zu einer gewünschten Luftbefeuchtung beitragen. Sie bieten im Sommer einen Kühlungseffekt durch Verdunstungskälte, verringern die schädliche CO2-Konzentration und erhöhen den Sauerstoffgehalt im Raum. Auch Schadstoffe und Staub werden reduziert.

Nicht zuletzt hat das Grün eine wohltuende Wirkung auf die menschliche Seele. Es beruhigt und hilft Stress abzubauen. Eine zu große Grünwand in einem verhältnismäßig kleinen Raum kann aber auch das Gegenteil bewirken. Wenn die Luftfeuchtigkeit über ein gewünschtes Maß hinaus ansteigt, sind negative Folgen für die menschliche Gesundheit beziehungsweise für die Innenbaustoffe (Schimmelgefahr!) nicht auszuschließen. Unter Umständen bedarf es dann automatischer Lüftungstechnik, um eine „Überfeuchtung“ zu vermeiden.

Überfeuchtung vermeiden

„Living Wall“ im Forscherhaus von Brüninghoff. Foto: Brüninghoff

„Living Wall“ im Forscherhaus von Brüninghoff. Foto: Brüninghoff

Mit diesem Thema hat sich jüngst Nadine Dalhoff in ihrer Masterarbeit näher auseinandergesetzt. Die Studentin der Technischen Hochschule Köln hatte die Möglichkeit, in einem Holzhaus des Projektbau-Spezialisten Brüninghoff den Einfluss einer großflächigen vertikalen Innenraumbegrünung auf die Raumluftqualität zu untersuchen.

Ausführliche Infos zu der Masterarbeit hat Brüninghoff im Dezember 2021 in dieser Pressemitteilung veröffentlicht. Hier gibt es nur eine Zusammenfassung ausgewählter Ergebnisse. Die wissenschaftliche Untersuchung erfolgte mit einer 9 m2 großen Grünwand – zum Einsatz kam das vliesbasierte „Living-Wall“-System des Herstellers Vertiko – in einem 110 m2 großen Besprechungsraum mit Holzrahmenbau-Wänden und einer Holzmassivbau-Decke. Alle Holzoberflächen waren unbehandelt und unverputzt.

Die Feuchtemessungen fanden zwischen Anfang März und Anfang August 2021 statt. Nach dem Einbau der Grünwand ergab sich in dem Versuchsraum ein durchschnittlicher Anstieg der relativen Luftfeuchtigkeit um 26,7 Prozentpunkte. Damit wären – ohne Lüftungskonzept – die normativen Grenzwerte nach DIN EN 15251 überschritten. Die Masterarbeit folgert daraus, dass Innenraum-Grünwände in Bezug auf die Raumgröße sinnvoll dimensioniert werden müssen und zusammen mit der technischen Gebäudeausrüstung bereits in der Planung betrachtet werden sollten. Beim nachträglichen Einbau sei eine Überarbeitung des Lüftungskonzepts notwendig.

Dieser Text ist eine Aktualisierung und Erweiterung unseres Beitrags „Lebende Wände – Neuer Designtrend Indoor-Begrünung“ von Oktober 2015.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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