RM Rudolf Müller
Bei dieser Münchner Dachbegrünung ermöglichen Substrat-Anhügelungen auch Stauden- und Gehölzpflanzungen.  Foto: BuGG

Bei dieser Münchner Dachbegrünung ermöglichen Substrat-Anhügelungen auch Stauden- und Gehölzpflanzungen.  Foto: BuGG

Dach
28. Juli 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Biodiversitätsgründächer?

Bei Gründächern unterscheidet man Extensiv- und Intensivbegrünungen. Irgendwo dazwischen liegt das so genannte Biodiversitätsgründach. Dabei handelt es sich um eine aufgewertete Extensivbegrünung mit erhöhter Pflanzenvielfalt und zusätzlichen Biodiversitätsbausteinen. Solche Flachdächer eignen sich gut als Lebensraum für Insekten und Bodentiere. Sie können insbesondere in Städten zu mehr Artenschutz und -vielfalt beitragen.

Gründächer haben viele Vorteile – auch für das Gebäude selbst. Ihre Vegetationsschicht schützt die darunterliegende Dachabdichtung vor Sonneneinstrahlung. Das hat einen doppelt positiven Effekt. Zum einen können sich die Bitumenbahnen oder Kunststoffabdichtungen im Sommer nicht mehr aufheizen. Dann erwärmen die Flachdächer nicht die Umwelt. Zum anderen halten die Dachabdichtungen auch einfach länger, wenn sie keiner direkten UV-Einstrahlung ausgesetzt sind. Es kommt nicht so schnell zur Ermüdung des Materials.

Vielfältige Vorteile

Indem Pflanzendecken die Dachbaustoffe von der Außenwelt abschirmen, werden aber nicht nur Aufheizungsprozesse gestoppt, sondern es kommt sogar zu einem spürbaren Abkühlungseffekt durch Verdunstungsprozesse (Verdunstungskälte). Außerdem binden die Pflanzen Kohlenstoff und setzen Sauerstoff frei, verbessern also auch auf diese Weise das Mikroklima rund ums Gebäude.

Die Bodensubstrate von Gründächern speichern zudem Regenwasser und sorgen somit für eine Entlastung von Entwässerungssystemen beziehungsweise tragen zur Verhinderung von Überschwemmungen bei. Schließlich hat die Pflanzenschicht natürlich auch eine dämmende Wirkung. Wärmeverluste über das Dach werden verringert. Und neben all diesen Vorteilen für Gebäude und Mikroklima sind Gründächer eben auch als Lebensraum für Insekten und Bodentiere ausgesprochen nützlich.

Intensiv- und Extensivbegrünung

Einfache Extensivgründächer lassen sich mit verschiedensten Biodiversitätsbausteinen aufwerten. Grafik: BuGG

Einfache Extensivgründächer lassen sich mit verschiedensten Biodiversitätsbausteinen aufwerten. Grafik: BuGG

Als Lebensraum für Tiere eignen sich natürlich besonders gut Intensivbegrünungen mit relativ dicken Substratschichten und hochwachsenden Sträuchern oder sogar kleinen Bäumen. Solche Flächen ziehen viele Bodentiere wie Schnecken, Regenwürmer, Asseln, Hundert- und Tausendfüßer an. Auch Vögel nutzen sie gerne zur sicheren Nahrungsaufnahme oder als Nistplätze. Solche – oft begehbaren – Dachgärten sind auf Deutschlands Flachdächern aber eher die Ausnahme – nicht nur, weil sie pflegeaufwändiger sind, sondern oft auch aus statischen Gründen.

Die klassische, am meisten verbreitete Gründachvariante ist die Extensivbegrünung mit niedrigwüchsigen, genügsamen Pflanzen wie Moosen oder Gras-Kraut-Begrünung. Sie erfordert nur geringe Schichtdicken und ist daher eine weit verbreitete Lösung für Flachdächer, die in der Regel nicht begangen werden. Einfache Extensivgründächer eignen sich aber nicht so gut als dauerhafter Lebensraum für Bodentiere. Nach Angaben des Bundesverbandes Gebäude-Grün (BuGG) werden sie oftmals nur temporär von mobilen Tierarten wie Spinnen, Heuschrecken oder Wildbienen besiedelt.

Fachinformation „Biodiversitätsgründach“

Doch was viele nicht wissen: Auch einfache Extensivbegrünungen lassen sich mit relativ wenig Aufwand und Kosten zu anspruchsvolleren Lebensräumen erweitern. Darauf weist der BuGG in seiner im März erschienenen Fachinformation Biodiversitätsgründach hin. Die kostenlos als PDF abrufbare Veröffentlichung fasst die wichtigsten Begriffe, Grundlagen und Handlungshinweise rund um das Thema zusammen und bietet zudem Listen mit passenden Pflanzen und Praxisbeispiele.

Mit der Fachinformation verfolgt der Verband das Ziel, Biodiversitätsgründächer bei Bauherren und Planern bekannter zu machen. Er will dafür sensibilisieren, dass sich einfache Extensivgründächer mit wenig Aufwand in Biodiversitätsgründächer verwandeln lassen, die aktiv zum Artenschutz beitragen. Nach Angaben des BUGG helfen solche Gründächer bestimmten Tierarten beim Überleben in der Stadt, da sie im Gegensatz zu ebenerdigen Biotopen relativ ungestörte Lebensräume mit geringerem Konkurrenzdruck darstellen.

Biodiversitätsbausteine

Die 30-seitige BuGG-Fachinformation ist als kostenloses PDF erhältlich. Foto: BuGG

Die 30-seitige BuGG-Fachinformation ist als kostenloses PDF erhältlich. Foto: BuGG

Der erste Schritt, um ein einfaches Extensivgründach aufzuwerten, ist natürlich die Erhöhung der Pflanzenvielfalt. Die BuGG-Fachinformation nennt hier „eine artenreiche Pflanzenauswahl aus Stauden, Geophyten, Gräsern und Zwerg-Gehölzen“, um die Blütezeit der Vegetation zu verlängern und das Nahrungsangebot für Tiere vielfältiger zu machen.

Darüber hinaus empfiehlt der Verband zusätzliche Biodiversitätsbausteine. Das können zum Beispiel kleinere Hügel aus Bodensubstrat sein. Solche Bereiche mit erhöhter Substratauflage haben einen mehrfachen Nutzen. Zum einen erlauben sie – je nach Aufbauhöhe – das Anpflanzen größerer Pflanzen wie etwa dauerhaft blühende Staudengewächse oder sogar anspruchslose Zwerg-Gehölze. Zum anderen bieten die Anhügelungen Rückzugsmöglichkeiten für frost- und trockenheitsempfindliche Bodentiere.

Als weitere geeignete Biodiversitätsbausteine nennt die Fachinformation unter anderem Totholz und Steine – zum Beispiel als Versteck oder Nisthilfe für Tiere. Auch industriell gefertigte Nisthilfen für Insekten und Vögel werden empfohlen. Schließlich können auch kleinere Mulden im Flachdach, die sich bei Regen mit Niederschlagswasser füllen, die Artenvielfalt erhöhen. Sie werden von Tieren zum Beispiel als Tränke genutzt.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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