RM Rudolf Müller
EPS als Dämmstoff

Marktführer: EPS ist der günstigste Dämmstoff für die Fassade. Foto: IVH

Dämmstoffe
22. Mai 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

EPS: Wärmedämmverbundsysteme recyceln ist möglich

In rund 80 Prozent der Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) an Deutschlands Hausfassaden steckt Styropor als Dämmstoff. Kritiker warnen vor riesigen Müllbergen, wenn die Erdölprodukte in Zukunft entsorgt werden müssen. Eine wissenschaftliche Recycling-Studie beurteilt die Sache weniger dramatisch.

Expandiertes Polystyrol (EPS) – besser bekannt unter dem Markennamen Styropor – ist deutlich günstiger als andere Dämmstoffe und deshalb meist die erste Wahl, wenn Hausbesitzer in ein WDVS investieren. Klar ist, dass die Lebensdauer von Fassadendämmungen nicht unendlich ist, irgendwann müssen sie erneuert werden. Die große Frage ist, was dann mit dem Alt-Styropor geschieht.

Industrie und Bund finanzieren Studie

Nach Angaben des Fachverbandes WDVS wurden in Deutschland zwischen 1960 bis 2012 bereits 900 Mio. m² Wärmedämmverbundsysteme verbaut, der Großteil davon (720 Mio. m²) entfiel auf EPS-Systeme. Seitdem ist die Menge natürlich weiter angewachsen. Angesichts dieser Größenordnung ist es sinnvoll, schon heute darüber nachzudenken, wie viel Alt-Styropor in Zukunft jährlich anfällt und welche Möglichkeiten zur Verwertung des Materials es gibt. Genau mit diesen Fragen haben sich die Autoren der Studie „Rückbau, Recycling und Verwertung von WDVS“ beschäftigt. Die Ergebnisse wurden im Rahmen der Messe BAU 2015 vorgestellt.

Erstellt wurde die Studie gemeinsam vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik und dem Forschungsinstitut für Wärmeschutz FIW München. Initiatoren waren der Fachverband WDVS und der Industrieverband Hartschaum. Da das Thema WDVS-Entsorgung aber auch von öffentlichem Interesse ist, haben die beiden Industrieverbände erfolgreich staatliche Zuschüsse für das Projekt beantragt. Die Gesamtkosten von 210.000 Euro wurden am Ende zur Hälfte vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) – also aus Steuergeldern – finanziert. Dafür hat die Behörde das Projekt allerdings auch mit beaufsichtigt. Es handelt sich also nicht um reine „Industrieforschung“.

Überraschend lange Lebensdauer

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass künftig keine unbeherrschbaren EPS-Müllberge aus WDV-Systemen zu erwarten sind. Das hängt unter anderem mit der überraschend langen Lebensdauer der Systeme zusammen. Das Dämmen mit WDVS begann in den 1960er-Jahren, größere Mengen wurden allerdings erst ab den 80er-Jahren verbaut. Während man anfangs von einer Lebensdauer von etwa 40 Jahren ausging, hat sich mittlerweile gezeigt, dass die Systeme an vielen Gebäuden selbst nach 50 bis 60 Jahren noch funktionstüchtig sind.

Wenn die ursprünglich gewählte Dämmstoffdicke nicht mehr den aktuellen energetischen Standards entsprach, hat man zudem in den letzten Jahrzehnten Alt-Styropor häufig nicht abgerissen, sondern das WDVS mit einer zusätzlichen Dämmstofflage „aufgedoppelt“. Auch deshalb fallen bisher nur sehr geringe Mengen an EPS-Abfall aus WDVS an. Die Wissenschaftler empfehlen daher auch für die Zukunft ausdrücklich die Ertüchtigung alter WDV-Systeme durch Aufdoppelung. Auf diese Weise könne sich die Nutzungsdauer einzelner Dämmfassaden bis hin zu 120 Jahren ausdehnen.

Für die Zeit um das Jahr 2050 prognostiziert die Studie jährliche EPS-Rückbaumengen bis zu 50.000 Tonnen. Diese könne man mit den derzeit vorhandenen kommunalen Müllverbrennungsanlagen problemlos „thermisch verwerten“ – so die Wissenschaftler. Die Dämmstoffe werden dabei zusammen mit anderem Restmüll verbrannt, als Nebenprodukt wird elektrischer Strom oder Heizwärme gewonnen. Diese Praxis wurde 2014 in einem Großversuch im Müllheizkraftwerk Würzburg auch wissenschaftlich untersucht. Der Versuch hat unter anderem gezeigt, dass die Schadstoffemissionen bei der Verbrennung unterhalb der gesetzlich zulässigen Grenzwerte bleiben, wenn der Anteil des EPS am gesamten Brenngutgewicht maximal zwei Prozent beträgt.

Recycling oder Verbrennung?

Anteil von EPS an Kunststoffproduktion

Gemessen an der gesamten Kunststoffproduktion in Deutschland ist der Anteil von EPS für WDV-Systeme allerdings verschwindend klein (Zahlen von 2011. Grafik: FV WDVS

Gleichwohl kann man fragen, ob Verbrennung wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Lässt sich Styropor nicht auch wiederwerten? Grundsätzlich lautet die Antwort: ja! Allerdings weisen die EPS-Sorten, die man bisher für WDVS eingesetzt hat, eine Besonderheit auf: Sie enthalten in der Regel das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD). Diese Substanz wird aber mittlerweile als Umweltgift eingestuft und darf ab 21.08.2015 weltweit nicht mehr hergestellt, verarbeitet und vermarktet werden.

Das aber bedeutet, dass man auch EPS mit HBCD nicht mehr einfach wiederverwerten darf. Zumindest darf die giftige Substanz in den recycelten Neuprodukten nicht erneut auftauchen. Nach derzeitigem Stand der Technik hat das HBCD-Verbot faktisch zu einem Recycling-Verbot für Fassaden-EPS geführt. Aus diesem Grund sehen die Autoren der Studie die Verbrennung derzeit als sinnvollste Verwertungsmethode. Das Flammschutzmittel zersetzt sich bei Temperaturen über 190 °C und wird dadurch unschädlich für Mensch und Umwelt.

Zukunftslösungen

Das Recycling-Verbot für EPS aus WDV-Systemen wird aber nicht für alte Zeiten gelten. HBCD ist ja nun verboten und wird bereits heute durch das neue Flammschutzmittel Polymer-FR ersetzt. Natürlich ist man für die Zukunft niemals vor bösen Überraschungen gefeit, aber derzeit heißt es, dass Polymer-FR nicht giftig ist und nicht in Organismen angereichert wird. Nach gegenwärtigem Wissenstand wird man EPS-Platten mit diesem Flammschutzmittel also künftig auch recyceln können.

Und auch für alte WDV-Systeme machen die Autoren der Studie zumindest Hoffnung auf künftige Alternativen zur Müllverbrennung. Ausdrücklich erwähnen sie das so genannte „CreaSolv“-Verfahren, das vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um eine technische Methode, bei der EPS mithilfe eines Lösemittels verflüssigt wird, und sich anschließend vom Flammschutzmittel HBCD trennen lässt. Das Ziel ist klar: Gelingt die Trennung beider Komponenten, dann kann man künftig auch HBCD-belastete Dämmstoffe recyceln. „CreaSolv“ wäre dazu schon heute eine machbare Lösung. Einziger Nachteil: Bisher ist das Verfahren für den flächendeckenden Einsatz einfach noch zu teuer.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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