RM Rudolf Müller
Garantiert nachhaltig - der Woodcube in Hamburg

Definitiv ökologisch nachhaltig: Das „Woodcube“ in Hamburg besteht aus Massivholzelementen, die ohne Klebstoffeinsatz verbunden wurden. Foto: Bernadette Grimmenstein

Energetisches Bauen
04. September 2014 | Artikel teilen Artikel teilen

Die ökologische Dimension des nachhaltigen Bauens

Wenn es um Nachhaltigkeit im Bauwesen geht, denken die meisten sofort an ökologische Baustoffe. Das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Natürlich gehört dieser Aspekt dazu, aber einerseits hat das nachhaltige Bauen nicht nur eine ökologische Dimension, sondern es werden gleichberechtigt auch ökonomische und soziale Kriterien herangezogen (siehe dazu Mehr als nur „öko“). Und andererseits lässt sich die ökologische Dimension auch nicht auf Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen beschränken. Auch hier steckt mehr dahinter.

Der Begriff „ökologisch“ steht in diesem Zusammenhang für die Anforderung, dass der Bau und Betrieb von Gebäuden möglicht umweltfreundlich zu organisieren ist. Häuser sollen wenig nicht erneuerbare Ressourcen verschlingen (für Baumaterialien und Energieträger) und sie sollen die Umwelt möglichst wenig schädigen (z. B. durch Flächenversiegelung, Abgase oder Schadstoffausdünstungen).

Energiesparen beim Gebäudebetrieb

In Deutschland wurden in den letzten Jahrzehnten bereits große Fortschritte bei der Einsparung der Energie gemacht, die für den Betrieb von Gebäuden notwendig ist. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) zwingt Bauherren bei Neubauten und Modernisierungen zu weitgehenden Baumaßnahmen, um den Energieverbrauch für Heizung, Kühlung, Warmwasseraufbereitung und Lüftung zu senken. Das hat insbesondere einen Trend zur Wärmedämmung ausgelöst.

Am Thema Wärmedämmung lässt sich übrigens gut demonstrieren, wie vielschichtig das Konzept des nachhaltigen Bauens ist und wie differenziert man dabei oft argumentieren muss. Selbst Dämmstoffe kann man nach den Maßstäben der Nachhaltigkeit nämlich nicht vorbehaltlos als „gut“ bezeichnen. Sie senken zwar den Energieverbrauch, aber um wirklich im Sinne des Drei-Säulenmodells nachhaltig zu sein, muss sich ihr Einsatz auch ökonomisch lohnen. Und ihr Einbau muss so ausgeführt werden, dass Raumklima und Wohngesundheit nicht darunter leiden (soziale Dimension).

Man kann sogar noch weiter gehen: Bei Gebäuden, in denen der gesamte Energiebedarf durch Solartechnik gedeckt werden kann, ist Wärmedämmung eigentlich überflüssig. Denn Sonnenenergie ist ja erneuerbar, und ihre Erzeugung verursacht keine Umweltschäden. Wo solche Energie im Überfluss vorhanden ist, gibt es keine Notwendigkeit zum Einsparen. Daran erkennt man: Die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales, die beim Konzept des nachhaltigen Bauens „unter einen Hut“ gebracht werden, machen das Konzept zwar irgendwie ganzheitlich, aber dadurch ist es manchmal auch schwer, eindeutige Handlungsanweisungen für die Baustelle abzuleiten.

Lebenszyklusanalyse

Wie gesagt: In Deutschland wird der Gedanke des nachhaltigen Bauens intensiv umgesetzt, soweit es um die Energieeinsparung bei der Gebäudenutzung geht. Dafür gibt es sogar verpflichtende Regelungen. Nachhaltigkeit ist hier quasi Gesetz. Aber bei der ökologischen Nachhaltigkeit geht es eigentlich um viel mehr. Entscheidend ist auch die Reduzierung der Energie, die bereits für die Herstellung der Baustoffe und für den Bauprozess selbst benötigt wird, und außerdem sollte eine korrekte Nachhaltigkeits-Bilanz auch den Energieaufwand bewerten, der irgendwann einmal für den Rückbau eines Gebäudes anfallen wird.
Ökologische Nachhaltigkeit im Bauwesen betrifft also den gesamten Energieverbrauch, der während der Lebensdauer eines Gebäudes anfällt: von der Baustoffherstellung bis zur Baustoffentsorgung oder besser: bis zum Baustoffrecycling. Mit Zahlen hinterfüttert wird dieser Blick aufs Ganze mithilfe von Lebenszyklusanalysen. Die werden heute in der Regel für alle am Bau verwendeten Materialien ermittelt und beziffern den Energieverbrauch der Produkte „vom der Wiege bis zur Bahre“.

Bei vielen Baustoffen zeigen solche Analysen, dass es noch ein gewaltiges energetisches Einsparpotenzial zu heben gibt. Das Energiesparen durch Wärmedämmung ist mittlerweile im Trend, in einem „Energiesparhaus“ oder gar „Energieplushaus“ zu wohnen, ist für viele schon zum Statussymbol geworden. In den Bereichen Produktion und Rückbau ist das Energieeinsparen in der Baubranche dagegen noch nicht so stark in der Praxis verankert.

Ressourcenschonung und Recycling

Produktlebenszyklus am Beispiel Mineralwolle

Stationen eines Produktlebenszyklus am Beispiel von Mineralwolle. Foto: Ursa

Außerdem bedeutet ökologische Nachhaltigkeit beim Gebäudebau nicht nur, fossile Energieträger einzusparen, sondern es geht auch darum, möglichst wenig natürliche Ressourcen zu verbrauchen. Am besten geht das, indem man erneuerbare Rohstoffe verbaut. Wenn man diese verwendet, „verbraucht“ man sie zwar auch, aber es wächst auch wieder Ersatz nach. Unterm Strich werden so die natürlichen Ressourcen der Erde geschont.

Wobei man auch hier wieder differenzieren muss: Der Baustoff Holz etwa ist zwar nachwachsend, aber man wird ihn kaum als nachhaltigen Baustoff bezeichnen können, wenn er aus illegalem Raubbau gewonnen wird. Und selbst wenn das Holz aus nachhaltig bewirtschaften Wäldern kommt, muss das Endprodukt nicht mehr unbedingt nachhaltig sein, wenn es beim Verbraucher ankommt: zum Beispiel dann nicht, wenn es zuvor um den halben Erdball transportiert oder mit giftigen Holzschutzmitteln behandelt wurde.

Der Blick aufs Ganze bedeutet auch, dass ökologische Nachhaltigkeit schon bei der Grundstücksplanung beginnt. Hier gilt es beispielsweise, die Versiegelung von Flächen zu minimieren. Auch kann man Großareale wie Industrieflächen, Einkaufszentren oder Flughäfen von vorneherein so planen, dass eine spätere Umnutzung – beispielsweise zu Wohngebäuden – erleichtert wird. Solche Umnutzungen sind ganz im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens, weil sie der Ressourcenschonung dienen.

Wo so etwas nicht möglich ist, sollte der Rückbau von Gebäuden mit einer möglichst hohen Recyclingquote einhergehen. Auch hier steht die Baubrache noch weitgehend am Anfang. Zwar haben viele Baustoffhersteller bereits Recyclingkonzepte für ihre Produkte entwickelt und nehmen diese auch zurück, wenn der „Abfall“ sortenrein angeliefert wird. Aber genau da liegt oft das Problem. Die Materialien werden meist zusammen mit anderen Baustoffen und Klebstoffen verarbeitet und lassen sich dann oft nur noch schwer voneinander trennen. Um hier Fortschritte im Sinne einer ökologischen Nachhaltigkeit zu erreichen, müssten sich Planer und Architekten bereits beim Gebäudeentwurf bewusst für Konstruktionsformen entscheiden, die ein späteres Recycling der Einzelbaustoffe erleichtern.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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