RM Rudolf Müller
Ist die Kanalisation überlastet, dann drohen Überschwemmungen. Foto: ACO/Ritchie Herbert

Ist die Kanalisation überlastet, dann drohen Überschwemmungen. Foto: ACO/Ritchie Herbert

Entwässerung
18. August 2016 | Artikel teilen Artikel teilen

Starkregen-Studie: Schäden und Vorsorgemaßnahmen

Auch in Deutschland kommt es immer häufiger zu Starkregenereignissen. Viele der dabei entstehenden Schäden könnten allerdings verhindert werden, wenn es bessere Vorsorge- und Schutzmaßnahmen gäbe. Das ist ein Ergebnis der im Mai 2016 veröffentlichten Studie „Urbane Sturzfluten“, die vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) in Auftrag gegeben wurde.

Der Deutsche Wetterdienst spricht von Starkregen, wenn in fünf Minuten mehr als fünf Liter Regen pro Quadratmeter fallen oder in einer Stunde mehr als 17 Liter pro Quadratmeter. In der Realität wurden diese Werte in der jüngeren Vergangenheit sogar häufig deutlich übertroffen. Starkregen ist in Deutschland kein seltenes Naturereignis mehr, sondern fast schon ein Stück Normalität.

Schäden nehmen zu

Wenn in kurzer Zeit gewaltige Regenmengen vom Himmel stürzen, dann sind die vorhandenen Entwässerungsvorrichtungen vielerorts überlastet. Das Wasser kann nicht mehr schnell genug in die öffentliche Kanalisation abfließen, und auch auf nicht versiegelten Flächen kommt es zum Versickerungsstau. Die Folge sind Überschwemmungen, die zum Beispiel zur Flutung tief liegender Kellerräume und Garagen führen und dort dann erhebliche Schäden anrichten. In der von Prof. Wolfgang Günthert vom Institut für Wasserwesen an der Bundeswehr-Universität München erstellten Studie „Urbane Sturzfluten – Hintergründe, Risiken, Vorsorgemaßnahmen“ heißt es: „Lokale extreme Niederschläge, ohne nennenswerte Vorwarnzeit, führen im urbanen Raum zu hohen Schäden an Gebäuden, Infrastruktur und gestalteter Natur. Diese Schäden machen inzwischen 50 % der Überflutungsschäden aus.“

Vor diesem Hintergrund fordert die „Initiative Verantwortung Wasser und Umwelt“ Kommunen, Grundstückseigentümer und die Wasserwirtschaft auf, aktiver zu werden. Um die negativen Folgen von Starkregen abzuschwächen, sei ein ganzheitlicher Überflutungsschutz notwendig, zu dem auch eine verbesserte Datenerhebung gehöre. Die „Initiative Verantwortung Wasser und Umwelt“ ist aus der Arbeitsgruppe Tiefbau des Gesprächskreises Baustoffindustrie im BDB hervorgegangen und setzt sich seit 2014 für die Sanierung des Kanalnetzes und ein verantwortungsvolles Wassermanagement in Deutschland ein.

Mehr Niederschlagsdaten notwendig

Versickerung, Rückhalt, Verdunstung: Ein ganzheitliches Regenwassermanagement umfasst viele Komponenten. Grafik: BDB

Versickerung, Rückhalt, Verdunstung: Ein ganzheitliches Regenwassermanagement umfasst viele Komponenten. Grafik: BDB

Laut der Studie „Urbane Sturzfluten“ treten Starkregenereignisse überall in Deutschland auf, wobei Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen stärker gefährdet sind als die anderen Bundesländer. Ein wesentliches Problem besteht darin, dass es bisher kaum möglich ist, vor Starkregen im Voraus zu warnen. „Um die genauen Risikogebiete erkennen zu können, sind Niederschlags- und Abflussmessungen erforderlich“ erklärt Studien-Autor Prof. Wolfgang Günthert.

Für eine örtliche Prognose von Starkregenereignissen müssten in Siedlungsgebieten Niederschlags-Messstationen in Kombination mit Radarmessungen betrieben werden – heißt es in der Studie weiter. Eine solche Datenerhebung werde von vielen Kommunen bisher nicht in ausreichendem Maße durchgeführt. Sie wäre aber notwendig, um Grundstückseigentümer in betroffenen Gebieten früher vor voraussichtlichen Starkregenereignissen warnen zu können. Doch bisher gibt es bei Starkregen – anders als bei Flusshochwasser – keine längere Vorwarnzeit, die den Anwohnern Gelegenheit bieten würde, ihr Eigentum zu schützen.

Mit einem genaueren Wissen über lokale Überflutungsereignisse wäre es künftig möglich, bei Bedarf auch die Aufnahmefähigkeit der lokalen Kanalisation angemessen zu erhöhen. Die Kanalnetze in unseren Städten sind nämlich bewusst nur für mittlere Regenereignisse ausgelegt. Das soll Rohrverstopfungen vorbeugen. Wären die Abwasserrohre nämlich deutlich größer, dann wäre der Wasserdruck bei schwachem Wasseraufkommen so gering, dass sich vermehrt Feststoffe an den Rohrwänden festsetzen würden.

Ganzheitlicher Überflutungsschutz

Die Studie „Urbane Sturzfluten“ legt bei den Vorsorgemaßnahmen gegen Starkregenschäden keinen einseitigen Fokus auf eine aufnahmefähigere Kanalisation. Vielmehr wirbt sie für einen ganzheitlichen Überflutungsschutz, bei dem Grundstückseigentümer sowie kommunale und staatliche Behörden und Ämter eng zusammenarbeiten müssten.

Für eine effektive und möglichst schadensfreie Beseitigung von Niederschlagswasser bedarf es neben einer ausreichenden Abflussleistung der öffentlichen Kanalisation eben auch angemessener Entwässerungs- und Schutzsysteme auf privaten Grundstücken. Dabei geht es neben dem konkreten Objektschutz von zum Beispiel Kellerabgängen und Lichtschächten auch um ein effektives Regenwassermanagement. Die Studie fordert in diesem Zusammenhang, dass zur Entlastung der Kanalisation alle Möglichkeiten des örtlichen Regenwassermanagements genutzt werden (Versickerung, Rückhalt, Verdunstung). Die komplette Studie sowie der Forderungskatalog stehen hier zum Download bereit.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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