
Die Fassade dieses Einfamilienhauses besteht aus großformatigen Faserzement-Tafeln. Foto: Eternit
Asbest ade: Faserzement gilt heute als unbedenklich
Vor allem als Dach- und Fassadenplatten sind Baustoffe aus Faserzement heute weit verbreitet – auch im Neubau. Das war vor noch gar nicht so langer Zeit nicht zu erwarten, denn die Asbestproblematik hatte den Ruf des Materials massiv beschädigt. Doch der Industrie gelang eine Imagekorrektur. Der Einsatz von Asbest ist mittlerweile längst verboten, aber asbestfreie Faserzement-Produkte haben überlebt.
Es war der Österreicher Ludwig Hatschek, der die Faserzementplatte Ende des 19. Jahrhunderts erfunden hat und ab 1903 den Vertrieb unter dem Markennamen Eternit startete. Rasend schnell entwickelte sich das Material zu einem beliebten Baustoff für Dacheindeckungen und Fassadenbekleidungen.
Viele Vorteile
Die schnelle Verbreitung des Produkts hing einerseits damit zusammen, dass es Hatschek gelang, weltweit Lizenzen für sein Produktionsverfahren an andere Hersteller zu verkaufen. Und andererseits hat Faserzement eben einfach auch viele Vorteile: Er ist leicht und zugleich stabil, feuerfest, dampfdurchlässig, wasserdicht, frostbeständig und nicht zuletzt ziemlich günstig herzustellen.
Preislich ist Faserzement gerade im Vergleich zu Produkten wie Schieferplatten oder Tonziegel günstiger, weil er zum größten Teil nur aus dem Bindemittel Zement besteht. Einen Dach- und Fassadenwerkstoff aus reinem Zement konnte natürlich auch Hatschek nicht herstellen, ein solches Material wäre zwangsläufig zu brüchig und instabil. Aber dem Entwickler gelang es, dem Zement vieles von seiner Sprödigkeit zu nehmen, indem er ihn mit Fasern vermischte. Dieser Zusatz (etwa 10 Vol.-%) sorgte dafür, dass sich die Biege-, Zug- und Druckfestigkeit der getrockneten Platten deutlich erhöhte. Hatschek entschied sich damals für Asbestfasern – eine fatale Wahl, wie sich allerdings erst später herausstellen sollte.
Abschied vom Asbest
Als 1976 nachgewiesen wurde, dass Asbestfasern gesundheitsgefährdend sind und beim Menschen unter anderem Krebs auslösen können, war das der Anfang vom Ende des Asbestzements. Allerdings zog sich dieses Ende dann doch noch etwas hin. Die Eternit AG in Deutschland hatte zwar bereits 1980 mit der Herstellung erster asbestfreier Produkte begonnen, aber erst seit 1990 verzichtet man komplett auf die umstrittene Substanz. Ein generelles Asbestverbot wurde in Deutschland sogar erst 1993 verabschiedet, in anderen europäischen Ländern dauerte es teilweise noch deutlich länger.
Auch nachdem klar war, dass Asbestfasern grundsätzlich krebserregend sind, blieb es lange Zeit durchaus umstritten, in wieweit das in Faserzementprodukten gebundene Asbest tatsächlich eine Gefahr darstellt. Auch heute noch hört man vielfach, dass die Produkte im Prinzip ungefährlich seien, solange sie nicht beschädigt werden. Das mag stimmen, ist aber wenig beruhigend. Schließlich sind Asbestzementprodukte auf dem Dach und an der Fassade dauerhaft Wind und Wetter ausgesetzt, und durch Verwitterung können die gefährlichen Fasern durchaus freigesetzt werden. Die gleiche Gefahr droht, wenn die Platten bearbeitet, also zum Beispiel gesägt oder gebohrt werden.
Moderner Faserzement

Faserzement-Wellplatten mit Polyurethan-Dämmung. Foto: Eternit
Heutige Faserzementprodukte gelten als gesundheitlich unbedenklich. Auf jeden Fall sind sie asbestfrei. Hauptbestandteil des Materials ist mit etwa 70 Vol.-% Portlandzement geblieben – inklusive etwa 30 Vol.-% Luftporen. Hinzu kommen Wasser (12 Vol.-%) und verschiedene Zusatzstoffe (11 Vol.-%). Statt Asbestfasern enthält der Zement nun ungefährliche Zellulose-Fasern (5 Vol.-%) und verschiedene Kunststofffasern (2 Vol.-%). Letztere sind größer als Asbestfasern und daher nicht lungengängig. Sie sind also zu groß, um in die menschlichen Lungenbläschen gelangen zu können. Deshalb können sie dort keinen Krebs auslösen.
Einsatzbereiche
Mithilfe der asbestfreien Produkte hat sich die Faserzement-Industrie nach den teilweise massiven Umsatzrückgängen in Folge der Asbestenthüllungen Schritt für Schritt wieder erholt. Durch den Verzicht auf Asbest hat Faserzement übrigens keines seiner positiven Eigenschaften verloren. Im Gegenteil: Das heutige Material ist sogar deutlich stoßfester als der alte Asbestzement.
Inzwischen haben Faserzementplatten wieder den Nimbus eines ganz normalen Baustoffs. Nicht zuletzt im mehrgeschossigen Wohnungsneubau haben sie sich als relativ günstige, aber schicke Alternative zur Fassadengestaltung etabliert. Die bedeutendsten Produktgruppen sind dünne Platten (4 mm) für kleinformatige Dacheindeckungen und Fassadenbekleidungen sowie dickere Tafeln (bis zu 25 mm) zur Wandbeschichtung im Innen- und Außenbereich. Daneben werden auch großformatige Wellplatten für Dach und Fassade hergestellt.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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