RM Rudolf Müller
Dringend benötigt: Mehrgeschossiger Wohnungsneubau in Lübeck-Moisling. Foto: Knabe + Horn, Lübeck

Dringend benötigt: Mehrgeschossiger Wohnungsneubau in Lübeck-Moisling. Foto: Knabe + Horn, Lübeck

Forschung, Technik und Trends
03. Mai 2018 | Artikel teilen Artikel teilen

Fakten-Check: Studie zum Wohnungsbau

Auf dem 10. Wohnungsbautag in Berlin wurde Anfang März die Studie „Das Baujahr 2018 im Fakten-Check“ präsentiert. Ein zentrales Ergebnis: In Deutschland herrscht Wohnungsmangel, weil der Wohnungsbau seit Jahren quantitativ und qualitativ nicht dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Die Studie fordert unter anderem mehr staatliche Förderung für den Wohnungsbau, bezahlbares Bauland in den Städten sowie einen Verzicht auf weitere kostentreibende Energiesparvorschriften.

Die 30-seitige Studie wurde gemeinsam vom Pestel-Institut (Hannover) und der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE Kiel) erarbeitet. Auftraggeber war das 2004 gegründete Verbändebündnis Wohnungsbau, dem sieben Organisationen und Verbände der Bau- und Immobilienbranche angehören: der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), der Deutsche Mieterbund (DMB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW).

Verfestigter Wohnungsmangel

Laut der Studie produziert „der Markt“ bereits seit sieben Jahren einen unterhalb des Bedarfes liegenden Wohnungsbau. Der Bedarf liege bei 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr, dieses Ziel werde aber bei weitem nicht erreicht. Als Ergebnis würden in Deutschland mittlerweile rund eine Million Wohnungen fehlen.

Immerhin habe der Wohnungsbau 2017 mit geschätzten 300.000 Neubauwohnungen endlich wieder zugelegt, räumen die Autoren der Studie ein. Das reiche aber nicht, zumal die Netto-Zuwanderung in Deutschland im selben Jahr mindestens 450.000 Menschen betragen habe. Für 2018 ist laut Studie jedenfalls keine Verbesserung der Situation zu erwarten. Im Gegenteil: Die Anzahl der genehmigten Wohnungen sei in den ersten elf Monaten des Jahres 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 7,8 % zurückgegangen.

Damit ist im Grunde schon klar, dass für dieses Jahr keine großen Fortschritte beim Wohnungsangebot zu erwarten sind. Zumal sich von der Zahl der Baugenehmigungen nicht so einfach auf die tatsächliche Bautätigkeit schließen lässt. Laut Studie wurden von 2010 bis 2016 in Deutschland 374.000 Wohnungen mehr genehmigt als fertiggestellt. Viele genehmigte Vorhaben werden also nicht umgesetzt. Hinzu kommt, dass unter den tatsächlich fertiggestellten Objekten auch viele Luxuswohnungen sind. Solche Neuangebote sind natürlich keine Lösung für die Marktsegmente mit den größten Versorgungsproblemen. Deutschland benötigt eben nicht nur einfach mehr Wohnraum, sondern vor allem mehr bezahlbaren Wohnraum.

Mangel an Sozialwohnungen

Der jahrelange Wohnungsmangel hat zu einem kräftigen Anstieg der Mieten geführt. Die neue Studie spricht von einer Entkopplung von Mieten und Einkommen. Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen könnten am bisherigen Wohnstandort kaum noch umziehen, weil die angebotenen Wohnungen für sie nicht mehr bezahlbar seien. Nach der Analyse von Pestel-Institut und ARGE Kiel ist in Deutschland gegenwärtig vor allem der Bedarf an Mietsozialwohnungen und an bezahlbaren Wohnungen „in hohem Maße nicht gedeckt“. Ohne eine zunehmende staatliche Förderung des sozialen Wohnungsbaus sei mit einem weiteren Anwachsen des Wohnungsdefizits zu rechnen.

Das Verbändebündnis Wohnungsbau fordert, dass künftig jede fünfte Wohnung, die neu zu errichten ist, eine Sozialmietwohnung sein müsse. Auf diesem Gebiet gebe es derzeit eine „gewaltige Versorgungslücke“. Bundesweit seien derzeit nur 6 % aller Mietwohnungen Sozialwohnungen. In manchen Großstädten hätten aber fast 50 % der privaten Haushalte aufgrund ihres Einkommens eigentlich Anspruch auf eine Sozialwohnung.

Mangel an Bauland

Hamburger Hafencity vor der Bebauung: Freies Bauland ist in Großstädten oft Mangelware. Foto: Bernd Sterzl / www.pixelio.de

Hamburger Hafencity vor der Bebauung: Freies Bauland ist in Großstädten oft Mangelware. Foto: Bernd Sterzl / www.pixelio.de

Das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum hängt aber auch mit kostentreibenden Rahmenbedingungen zusammen. Die Studie zeigt auf, dass sich die Baulandpreise in Deutschland seit 1995 um rund 170 % erhöht haben. Dieser enorme Zuwachs hänge mit der restriktiven Baulandpolitik und einem entsprechend knappen Angebot zusammen. Die Studie kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass die gegenwärtigen Baulandpreise einen bezahlbaren Wohnungsbau in den Ballungsräumen bereits heute nicht mehr zulassen. Nur durch zusätzliches Bauland könne es gelingen, spekulative Preisübertreibungen zu bremsen.

Das Verbändebündnis Wohnungsbau fordert deshalb Bund, Länder und Kommunen auf, Bauland für das bezahlbare Wohnen verbilligt bereitzustellen – und das möglichst rasch. Da nur wenige Städte und Gemeinden über nennenswerte eigene potenzielle Baulandflächen verfügen, schlagen die Autoren der Studie vor, dass der Bund einschließlich seiner Unternehmen Flächen an die Städte und Gemeinden auch unter den aktuellen „Marktkonditionen“ abgeben sollte.

Kostentreiber Energiesparvorschriften

Einen weiteren Kostentreiber der letzten Jahre sieht die Studie in gesetzlichen Anforderungen an den Wohnungsbau – etwas durch die mehrfach verschärfte Energieeinsparverordnung (EnEV). Durch die energetischen Anforderungen seien insbesondere die Kosten beim technischen Ausbau von Wohnhäusern seit dem Jahr 2000 um rund 16 Prozentpunkte gestiegen – heißt es in der Studie. Das Ganze habe längst abstruse Formen angenommen, so das Verbändebündnis Wohnungsbau in einer Pressemitteilung. Die heutigen Neubau-Kosten, die auf die EnEV zurückzuführen sind, würden die tatsächlich eingesparten Energiekosten – gerechnet über einen Zeitraum von 20 Jahren – um 170 Prozent überschreiten.

Das Fazit der Studie zu diesem Thema lässt an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig:
Es wird somit nicht zu teuer gebaut, sondern es wird so gebaut, wie es der Gesetzgeber wünscht. Wenn dabei ein Kostenniveau erreicht wird, dass der überwiegende Teil der Haushalte weder per Kauf noch per Miete finanzieren kann, muss politisch über eine Förderung entschieden werden. Ein erster Schritt wäre im Abbau der Belastung des Mietwohnungsbaus durch die sachgerechte Erhöhung der Regelabschreibung auf 3 % zu sehen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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