
Der Lkw fährt selbständig die Laderampe an und wartet, bis er beladen ist.
Logistik-Projekt: Autonom fahrende Lkw
Das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) entwickelt derzeit in einem Verbundprojekt mit der Industrie Technologien für autonom fahrende Lkw in Logistikzentren. Die Ergebnisse des bis Herbst 2019 laufenden Projekts „Auto-Truck“ sind auch interessant für die Warenanlieferung in den Niederlassungen und Zentrallägern des deutschen Baustoff-Fachhandels beziehungsweise an den Produktionsstätten der Baustoffhersteller.
Betriebsgelände von Firmen sind ideale Testfelder für das autonome Fahren ohne Mensch hinter dem Lenkrad. In solch abgegrenzten „Automatisierungszonen“ lassen sich selbstfahrende Fahrzeuge besser kontrollieren als im normalen Straßenverkehr, da der Verkehr überschaubar ist, die Verkehrsteilnehmer informiert sind und Unbefugte keinen Zutritt haben. Auch die Geschwindigkeiten sind mit maximal 15 bis 20 Stundenkilometern deutlich niedriger als im Straßenverkehr.
Die Forscher des Fraunhofer IVI und ihre Partner setzen beim Projekt Auto-Truck daher ganz bewusst zunächst auf räumlich begrenzte Automatisierungszonen wie etwa Firmengelände, Lkw-Betriebshöfe oder Hafenanlagen. „Dort können zulassungsfähige, autonom fahrende Fahrzeuge schon in naher Zukunft eingesetzt werden“, glaubt Dr. Sebastian Wagner, Gruppenleiter am Fraunhofer IVI.
Entlastung der Fahrer
Sicherlich wird man viele Ergebnisse des Projekts auch auf das autonome Fahren außerhalb spezieller Automatisierungszonen übertragen können. Dr. Sebastian Wagner: „In diesen räumlich abgegrenzten Gebieten herrschen zwar kontrollierte Bedingungen. Dennoch müssen auch hier wesentliche Herausforderungen gelöst werden, die für den öffentlichen Straßenverkehr relevant und übertragbar sind.“ Das ist aber nur ein Nebenziel von Auto-Truck. Tatsächlich geht es bei dem Projekt in erster Linie um die Erprobung selbstfahrender Lkw auf dem Gelände von Logistikzentren und Betriebshöfen aller Art.
Auch dort versprechen autonom fahrende Fahrzeuge nämlich zahlreiche Vorteile. Man denke beispielsweise an einen Fahrer, der am Ende seiner Schicht nach einer langen Route müde und geschafft mit seinem Lkw auf dem Betriebshof der Spedition ankommt. Normalerweise müsste er nun das Fahrzeug noch zur Beladerampe fahren, er müsste warten, bis der Lkw vollständig beladen ist, um ihn dann anschließend auf dem Parkplatz abzustellen. Bei einem Laster, der auf dem Betriebsgelände selbstständig fahren kann, könnte er dagegen früher Feierabend machen. Er könnte bereits am Tor zum Betriebshof aussteigen – alles andere macht der Lkw alleine. Er fährt selbständig die Laderampe an, wartet, bis er beladen ist und stellt sich anschließend auf dem Parkplatz ab.
Auf diese Weise könnte die Technik selbstfahrender Autos zumindest zum Teil die Arbeitszeit der Fahrer verkürzen. Das ist wichtig, weil viele Firmen in den letzten Jahren Probleme haben, ausreichend Lkw-Fahrer zu gewinnen. Wenn selbstfahrende Lkw in etwas fernerer Zukunft dann auch im ganz normalen Straßenverkehr unterwegs sind, könnte das die entscheidende Lösung für den zunehmenden Fahrermangel sein. Zumal autonome Fahrzeuge Tag und Nacht unterwegs sein könnten, ohne zu ermüden. Vermutlich würden sie auch weniger Fahrfehler machen und weniger Unfälle auslösen.
Projektpartner

Übergabe eines autonom fahrenden Projekt-Lkw. Abbildungen: Fraunhofer IVI
Die Technologien, die im Projekt Auto-Truck entstehen, werden derzeit auf dem Betriebshof des Kölner Speditionsunternehmens Emons getestet und weiterentwickelt. Federführendes Unternehmen des Projekts ist allerdings die 1965 gegründete Götting KG mit Sitz in Lehrte bei Hannover. Das Unternehmen, das seit seiner Gründung unter anderem auf Technik für Funkgeräte spezialisiert ist, entwickelt heute auch Funk- und Sensortechnik zur Spurführung von fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF). Sie wird bereits heute in Seriennutzfahrzeuge einiger Hersteller eingebaut – zum Beispiel in Lkw, aber auch in Gabelstapler, Radlader und Schlepper. Die Götting KG gilt als Pionier bei der Automatisierung von fahrerlosen Lkw.
Weitere Projektpartner sind neben dem Fraunhofer IVI noch der Fahrzeugbauer Orten, der sich auf Lkw-Aufbauten für die Getränkeindustrie spezialisiert hat, und die Wabco Development GmbH. Das hannoversche Unternehmen Wabco entwickelt Systeme zur Verbesserung der Sicherheit, Effizienz und Vernetzung von Nutzfahrzeugen – beispielsweise Bremssysteme, aber auch Techniken zur Fahrerassistenz und zur Getriebeautomatisierung.
Online-Leitstand vom Fraunhofer-Institut
Im Rahmen des Projekts sollen bis Herbst 2019 Technologien zur hochgenauen Ortung und Navigation sowie zur sicheren Kollisionsvermeidung bei den fahrerlosen Fahrzeugen entwickelt werden. Die Lkw sollen sich auf diese Weise selbsttätig in geeigneten Automatisierungszonen bewegen und vollautomatisch an Laderampen andocken können.
Herzstück der Fraunhofer-Entwicklung im Rahmen von Auto-Truck ist ein Online-Leitstand, genauer gesagt das System Hely-OS („Highly efficient online yard operating system“), das sich über einen ganz normalen Internet-Browser bedienen lässt. Statt dass in jedem Lkw ein Fahrer sitzen muss, überwacht ein einzelner Operateur viele selbstfahrende Fahrzeuge über den Leitstand. Diese werden auf einer digitalen Landkarte im Internet dargestellt. Der Operateur weiß somit immer genau, wo sich die Lkw gerade befinden und erhält zusätzlich Status-Infos wie Akku-Füllstand und Beladezustand.
Weiterhin kann der zentrale Operateur auch Arbeitsaufträge an die Fahrzeuge schicken, indem er beispielsweise auf der Karte eine Zielposition anklickt. Die ebenfalls vom Fraunhofer IVI entwickelte Live-Manöverplanung Truck-Trix berechnet daraufhin den vollständigen Weg, den der Lkw entlangfahren soll und berücksichtigt dabei nicht nur die Geometrie des Fahrzeugs, sondern auch feste Hindernisse und die Bahnen der anderen autonom fahrenden Fahrzeuge. Während das Fahrzeug dann den Arbeitsauftrag ausführt, bestimmt das Ortungssystem der Götting KG fortlaufend, wo sich der Lkw gerade in der Automatisierungszone befindet.
„Viele der entwickelten Technologien lassen sich mittel- bis langfristig auf den öffentlichen Straßenverkehr übertragen“, glaubt Dr. Sebastian Wagner, „so etwa die Regelalgorithmen, die Hinderniserkennung, die Ortungslösung oder auch die Kommunikation zwischen Lkw und Infrastruktur“.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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