RM Rudolf Müller
Den Betondrucker BOD2 präsentierte Peri live auf der diesjährigen Bautec.  Foto: Messe Berlin GmbH

Den Betondrucker BOD2 präsentierte Peri live auf der diesjährigen Bautec.  Foto: Messe Berlin GmbH

Forschung, Technik und Trends
23. April 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Wie funktioniert 3D-Betondruck?

Kann man komplette Hauswände per 3D-Drucker herstellen? Was noch zu Beginn der Zehnerjahre wie Science-Fiction anmutete, wird heute mancherorts bereits in die Praxis umgesetzt. 2017 realisierte das dänische Unternehmen COBOD in Kopenhagen ein kleines Bürogebäude, das als erstes 3D-gedrucktes Gebäude in Europa gilt. Als Baustoff verwendete man Beton. Aber wie funktioniert so ein 3D-Betondruck eigentlich?

Das Bürogebäude in Kopenhagen heißt BOD, die Abkürzung steht für „Building on Demand“. Doch auch seine 3D-Drucker selbst benennt die Firma COBOD so. Mit dem aktuellen Druckermodell BOD2 gewann man vor zwei Jahren das erste EU-weite Ausschreibungsverfahren für den 3D-Druck von Wohnhäusern. Einen guten Einstieg zum Verständnis, wie derartige Drucker funktionieren, vermittelt dieses Youtube-Video.

Auch das deutsche Unternehmen Peri, ein international agierender Anbieter von Schalungs- und Gerüstsystemen mit Sitz in Weißenhorn, ist in den Zukunftsmarkt 3D-Druck eingestiegen. Genauer gesagt sind die Bayern seit Herbst 2018 an eben jener dänischen Firma COBOD International A/S beteiligt, die das Kopenhagener BOD geschaffen hat. Nun will man die Technologie auch in Deutschland bekannter machen. Im Februar 2020 zeigte Peri auf der Messe Bautec erstmals einen 3D-Betondrucker von COBOD im Live-Einsatz. Der Stand entwickelte sich zum Besuchermagnet und löste ein großes Medienecho aus.

Zwischen Skepsis und Aufbruchstimmung

Dieses Bürohaus ist das erste 3D-gedruckte Gebäude in Europa. Foto: PERI GmbH

Dieses Bürohaus ist das erste 3D-gedruckte Gebäude in Europa. Foto: PERI GmbH

„Wir konnten auf der Bautec mit unserem 3D-Betondrucker die Zukunft der Baustelle mit Automatisierungstechnologie zum ersten Mal live einem breiten Publikum vorstellen“, sagte Dr. Fabian Meyer-Brötz, Head of House Printing bei Peri, während der Messe. Sein Resümee: „Es gibt noch viel Skepsis unserer Technologie gegenüber, aber genau deshalb sind wir hier. Wir zeigen, dass der 3D-Betondruck nicht mehr im Versuchsstadium, sondern bereit für die Baustelle ist. Die Zukunft hat für uns schon begonnen. Wir haben viel Begeisterung erfahren und können noch in diesem Jahr gemeinsam mit Architekten erste Projekte realisieren.“

In anderen Teilen der Welt ist man beim Thema gedruckte Betonhäuser sogar schon weiter. Mitte 2019 hat COBOD seine Druckmaschine BOD 2 an ein Bauunternehmen aus Saudi-Arabien verkauft. Die Firma Elite for Construction & Development Co. will dort mithilfe der Technik bis 2030 insgesamt 1,5 Millionen Wohnhäuser kostengünstig errichten. Mit dem Drucker lassen sich dreistöckige Gebäude in den Maßen 12 x 27 x 9 m drucken, wobei die 9 m für die Gebäudehöhe stehen.

Vermutlich wird es noch eine ganze Weile dauern, bis wir in Deutschland auf öffentlichen Baustellen 3D-Druckern dabei zuschauen können, wie sie Betonwände „hochziehen“. Aktuell sind Betondrucker jedenfalls noch eine neue, wenig verbreitete Technologie und daher entsprechend teuer. Noch ist die wirtschaftliche Effizienz dieser Bauweise daher sicher geringer als die herkömmliche Variante mit Betonschalungen.

Aber man darf nicht vergessen: Schon heute bestehen viele Neubauten aus Betonfertigteilen, die im Werk vorproduziert und dann als fertige Wand- oder Deckenelemente auf der Baustelle nur noch montiert werden müssen. Die Anwendung von 3D-Druckern in solchen Fertigteilwerken könnte schon in naher Zukunft gängige Praxis sein.

Vorteile des 3D-Drucks

Der 3D-Druck bietet für die Zukunft die Chance, Betonhäuser oder Betonwandteile mit wenig Personalkosten und in kurzer Zeit völlig schalungsfrei zu realisieren. Die Technik mag sich noch am Anfang befinden, entwickelt sich in den letzten Jahren aber rasant. 2017 dauerte der Druck des Kopenhagener Bürogebäudes noch zwei Monate. Mit dem BOD2 hat COBOD dasselbe Objekt 2019 noch einmal realisiert – in nur drei Tagen!

Natürlich ist COBOD nicht der einzige Anbieter am Markt. Das Schweizer Bauchemieunternehmen Sika etwa präsentierte auf der Messe BAU 2019 ein 3D-Betondruckverfahren mit einer Druckgeschwindigkeit von 1 m pro Sekunde bei einer Schichtdicke von 4 bis 5 mm. Die produzierbare Bauteilhöhe beträgt hier 10 m. Sika verwendet für den Druckprozess eine spezielle „Tinte“ auf Zementbasis, die einem feinen Mörtel ähnelt. Das Material ist während des Drucks sehr flüssig und daher schnell und leicht zu verarbeiten, zugleich härtet es nach dem Austritt aus dem Druckkopf aber in Sekundenschnelle aus. Zudem kann man der Tinte während des Druckvorgangs verschiedene Farben oder Pigmente beimischen.

Neben der Personal- und Zeitersparnis kann der 3D-Druck von Betonteilen auch mit ästhetischen Vorteilen punkten. Für Betonwände ergeben sich ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten, die mit herkömmlicher Schalungstechnik nicht realisierbar wären – zum Beispiel runde, geschwungene Formen oder vielfältige Farbeffekte. Auch kompliziertere, filigrane Formen könnte man mit hoher Präzision direkt aus den digitalen Plänen heraus drucken.

Additives Verfahren

Beim additiven Extrusionsverfahren legt man die Betonstränge schichtweise aufeinander. Foto: PERI GmbH

Beim additiven Extrusionsverfahren legt man die Betonstränge schichtweise aufeinander. Foto: PERI GmbH

Beim Begriff Drucker denkt man an kompakte Apparate wie unsere PC-Drucker. Aber natürlich haben 3D-Betondrucker zum Hausbau ganz andere Ausmaße. Der BOD2 ist immerhin 5 x 5 x 5 Meter groß. Neben dem eigentlichen Druckkopf gehören auch ausladende Gerüstelemente dazu. Außerdem benötigt man auf der Baustelle selbstverständlich weiterhin einen Betonmischer mit Pumpentechnik, um das Baumaterial in der richtigen Konsistenz zum Druckkopf zu transportieren.

3D-Betondrucker wie die von COBOD und Sika funktionieren nach einem additiven Verfahren. Per Extrusionstechnik wird der Beton aus dem Druckerkopf gedrückt. Dabei erfolgt der Druck schichtweise. Nacheinander werden also immer mehr Materialstränge aufeinandergeschichtet („addiert“), bis die gewünschte Wandhöhe erreicht ist.

Auf eine gewisse Schwachstelle dieses Verfahrens weist der Hersteller MC Bauchemie hin (siehe hier): „Da die Materialstränge einzeln aufeinander „abgelegt“ werden, ergibt sich der Haftungsverbund nur durch das Anpressen des jeweils neuen Stranges an den darunter liegenden. Hier kann es daher zu Problemen bei mechanischer Belastung hinsichtlich der Biegezug- beziehungsweise Scherfestigkeit kommen.

Auf der Website von MC Bauchemie werden darüber hinaus neben der additiven Extrusionstechnik noch zwei weitere Verfahren zum 3D-Betondruck vorgestellt: einerseits die so genannte Pulverbetttechnik und andererseits mit dem Nassspritzverfahren auch ein alternatives additives Verfahren.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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