RM Rudolf Müller
Hüpfburg

Bei Kinderspielzeug erlaubt die EU nur noch phthalatfreie Weichmacher. Foto: Lanxess AG

Grundstoffe des Bauens
16. Dezember 2014 | Artikel teilen Artikel teilen

Kunststoff-Additive: Was sind Weichmacher und wie funktionieren sie?

Um die Eigenschaften von Kunststoffen zu verändern, versetzt man die Polymermasse während der Herstellung mit Zusätzen, sogenannten Additiven. Das können zum Beispiel Stabilisatoren, Farbpigmente, Gleitmittel, Flammschutzmittel oder Treibmittel zur Schaumstoffherstellung sein. Die am häufigsten eingesetzten Kunststoff-Additive sind aber die so genannten Weichmacher. Sie sind allerdings auch besonders umstritten.

Was Weichmacher sind, sagt eigentlich schon ihr Name. Es handelt sich um Zusatzstoffe, die einen Kunststoff weicher und elastischer machen. Sie kommen daher vor allem bei ursprünglich harten und spröden Verbindungen zum Einsatz – insbesondere beim Massenkunststoff PVC. Im Baubereich wird Weich-PVC zum Beispiel für Bodenbeläge, Dichtungsmaterialien oder auch für Folienwerkstoffe eingesetzt. Produkte wie Kunststoff-Rohre oder -Fensterrahmen sind dagegen aus Hart-PVC und enthalten keine Weichmacher.

Chemische Zusammensetzung

Die meisten in der Praxis eingesetzten Weichmacher gehören zur Stoffgruppe der Ester. Das sind Substanzen, die durch die Reaktion einer Säure mit einem Alkohol entstehen. Unter den Estern sind es die Phthalate, die als Kunststoff-Weichmacher eine besonders große Rolle spielen. Phthalate sind chemisch betrachtet die Ester der Phthalsäure. Es gibt sie in vielen verschiedenen Varianten. Eine wichtige Unterteilung bezieht sich auf die Molekülgroße: Man unterscheidet Phthalate aus relativ kleinen Molekülen (niedermolekulare Verbindungen) von solchen, die aus größeren Molekülen bestehen (höhermolekulare Verbindungen). Bei den niedermolekularen Stoffen sind die Teilchen oft so klein, dass sie in die Zellen von Lebewesen eindringen können. Zu den niedermolekularen Phthalaten gehört auch die Substanz Diethylhexylphtalat (DEHP). Das ist der Weichmacher, der lange Zeit am häufigsten in PVC-Produkten eingesetzt wurde – vom Fußbodenbelag über Tapeten und Kabelisolierungen bis hin zu Verpackungen und Spielzeug.

Wie funktionieren Weichmacher?

Die meisten Weichmacher sind so genannte äußere Weichmacher. Sie werden oft auch als „molekulares Schmiermittel“ bezeichnet. Diese Substanzen haben eine zähflüssige bis teigige Konsistenz und werden bei der Herstellung von Kunststoffen heiß in die Polymermasse eingerührt. Dabei geht es nicht nur um kleine Mengen. Der Anteil der äußeren Weichmacher an elastischen Kunststoffprodukten liegt in der Regel zwischen 20 und 50 %, mitunter sogar deutlich darüber. Die äußeren Weichmacher lagern sich innerhalb des Kunststoffs um dessen Molekülketten herum an und sorgen so für eine Auflockerung des Teilchengefüges. Das Gerüst aus Polymerketten wird dadurch in sich beweglicher, formbarer und schlagzäher.

Alternativ lassen sich elastische Kunststoffe auch nach dem Prinzip der inneren Weichmachung herstellen. In diesem Fall ist es nicht so, dass die Weichmacher die Kunststoffmoleküle umhüllen – vielmehr sind sie durch chemische Reaktion selbst ein Bestandteil der Molekülketten geworden. Der Vorteil solcher inneren Weichmacher ist, dass sie fest im Material gebunden sind, sodass eine Abgabe an die Umwelt unmöglich oder zumindest sehr erschwert ist. Allerdings ist die Herstellung solcher Polymere relativ teuer. Daher spielen in der Praxis die äußeren Weichmacher nach wie vor eine deutlich größere Rolle.

Gefahrenpotenzial

Flipflop am Strand

Auch Flip-Flops enthalten Weichmacher. Foto: c.lettau / www.pixelio.de

Im 20. Jahrhundert wurden vor allem niedermolekulare Phthalate als Weichmacher eingesetzt. Da diese Substanzen nicht fest im Kunststoff gebunden sind, sondern nach und nach an die Umwelt abgegeben werden, verlieren sie mit der Zeit an Elastizität und werden wieder spröder. Das ist sicher ärgerlich, aber problematischer als diese Materialversprödung sind natürlich die Gesundheitsgefahren, die von den freigesetzten niedermolekularen Phthalaten ausgehen. So können die Substanzen vor allem bei Säuglingen und kleinen Kindern zu Störungen im Hormonhaushalt führen, wodurch Unfruchtbarkeit bei Männern und Fehlgeburten bei Frauen begünstigt werden. Phthalate – insbesondere das am häufigsten verwendete DEHP – sind daher in den letzten Jahrzehnten zunehmend ins Gerede geraten. Innerhalb der EU ist ihr Einsatz für Spielzeug und Babyartikel bereits seit längerer Zeit verboten.

Phthalatfreie Weichmacher

Angesichts des wachsenden Gefahrenbewusstseins und der Ausweitung der Verbote setzt die Industrie heute zunehmend phthalatfreie Weichmacher ein. Die alternativen Substanzen dampfen in der Regel weniger stark aus und gelten als deutlich weniger gesundheitsschädigend. Zu den bekanntesten dieser DEHP-Alternativen zählt die Weichmacher-Marke Mesamoll. Dieser Stoff wird bereits seit 1949 in der Kautschukindustrie eingesetzt und in den letzten Jahrzehnten auch zunehmend in PVC-Produkten. Bei der leicht gelblichen Flüssigkeit Mesamoll handelt es sich chemisch betrachtet um einen Alkylsulfonsäureester des Phenols. Hersteller ist die Lanxess AG.

Ein anderer weit verbreiteter Vertreter der neuen Weichmacher-Generation ist Hexamoll DINCH. Er wurde von BASF entwickelt und wird seit 2006 für sensible Anwendungsbereiche wie Kinderspielzeug, Medizinprodukte oder für Lebensmittelverpackungen eingesetzt. Genauso wie Mesamoll ist der Stoff in der Herstellung deutlich teurer als die herkömmlichen Phthalat-Weichmacher. Das gilt auch für Produkte auf Basis von Zitronensäure (Zitronensäuretriethylester), die ebenfalls zu den DEHP-Alternativen zählen. Daneben geht die Kunststoffindustrie auch einen anderen Weg und produziert vermehrt höhermolekulare Phthalate, die wegen ihrer Teilchengröße nicht so leicht in die Körperzellen des Menschen eindringen.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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