Die Quote energetischer Sanierungen im Wohnungsbestand muss deutlich steigen. (Quelle: Deutsche Rockwool)

Baurecht 2024-02-27T08:00:00Z EU: Sanierungspflicht kommt doch nicht

Die Europäische Union hat Ende 2023 eine neue Gebäuderichtlinie auf den Weg gebracht. Die ursprünglich geplante Sanierungspflicht für energetisch besonders ineffiziente private Wohngebäude fand am Ende keine Mehrheit. „Omas Häuschen“ bleibt also unangetastet. An die Stelle des konkreten Sanierungszwangs für private Hausbesitzer tritt jetzt nur eine allgemeine Verpflichtung der einzelnen EU-Staaten. Sie müssen irgendwie den Energieverbrauch im Gebäudebereich senken.

Die vom EU-Parlament und dem Rat der Mitgliedstaaten ausgehandelte neue Richtlinie ersetzt die bisherige „Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“. Deren inhaltlicher Schwerpunkt lag vor allem im Neubau. Die Vorgabe, dass in der EU seit 2021 alle Neubauten so genannte Niedrigstenergiegebäude sein müssen, stammt beispielsweise aus dieser Richtlinie von 2010.

Im Rahmen des Ende 2019 vorgestellten „Green Deals“ verfolgt die EU das Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 – auch im Gebäudebereich. Seitdem ist eigentlich klar, dass energetische Mindeststandards nur für Neubauten nicht ausreichen. Stattdessen muss auch die Renovierungsquote im Gebäudestandard deutlich steigen. Nach Angaben der EU sind derzeit 75 % aller Gebäude in den Mitgliedsstaaten nicht energieeffizient.

Ursprüngliches Ziel

Über eine Neufassung der Gebäuderichtlinie wurde daher schon länger diskutiert. In diesem Zusammenhang galt eine Sanierungspflicht für energetisch besonders ineffiziente private Wohngebäude lange Zeit zumindest als wahrscheinlich. Die ursprüngliche Idee der Europäischen Kommission sah vor, dass Eigentümer von alten Wohngebäuden mit besonders schlechtem Energiestandard persönlich verpflichtet werden, die Immobilien mindestens auf das Niveau einer mittleren Energieklasse D zu bringen.

Mit der Sanierungspflicht hätten auch Wohnhäuser die Effizienzklasse D erreichen müssen. (Quelle: Pixabay)

Zum Hintergrund: Die Europäische Kommission wollte eigentlich in der gesamten EU harmonisierte Energieeffizienzklassen für Gebäude einführen. Das angestrebte System sollte insgesamt sieben Klassen umfassen (A, B, C, D, E, F, G), wobei die Klasse A für Null-Emissions-Gebäude stehen sollte und die Klasse G für die 15 % der EU-Gebäude, die die schlechteste Energieeffizienz aufweisen. Alle übrigen Gebäude sollten je nach Energieverbrauch einer der anderen fünf Klassen zu geordnet werden.

Das Konzept der Sanierungspflicht sah vor, dass auch private Wohngebäudebesitzer, deren Häuser zu den Gebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienz gehören (Klassen E, F und G) ihre Immobilie bis zum Jahr 2033 derart sanieren müssen, dass diese zumindest die Energieeffizienzklasse D erreicht. Die deutsche Bundesregierung unterstützte diesen Vorschlag zunächst, rückte davon aber 2023 wieder ab. In vielen anderen EU-Staaten regte sich ebenfalls Widerstand gegen den Sanierungszwang für private Hausbesitzer, sodass dieser in der neuen Gebäuderichtlinie schließlich weggefallen ist.

Selbstverpflichtung der EU-Staaten

Statt einer konkreten individuellen Sanierungspflicht, gibt es jetzt nur noch eine allgemeine Forderung an die EU-Mitgliedstaaten. Mit Unterzeichnung der Richtlinie verpflichten sich diese, in ihren Ländern den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch im Wohngebäudebereich um mindestens 16 % bis 2030 und um 20 bis 22 % bis 2035 zu senken (Referenzjahr: 2020).

Ferner scheibt die neue Richtlinie vor, dass 55 % dieser Energieeinsparungen bei den Gebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienz (Klassen E, F und G) erfolgen muss. Wie die Staaten dieses allgemeine Ziel erreichen, bleibt ihnen selbst überlassen. Möglicherweise werden manche am Ende doch verstärkt auf Sanierungspflichten setzen – nur dann eben auf nationaler Ebene.

Anders sieht die Situationen bei den Nichtwohngebäuden aus. Hier verlangt die Richtlinie, dass die Staaten bis 2030 für die 16 % der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz Mindeststandards zur Sanierung einführen. Dasselbe soll bis 2033 auch für die ineffizientesten 26 % der Nichtwohngebäude gelten. Für diese Immobilien würde dann also doch ein individueller Sanierungszwang bestehen. Wobei auch hier wieder Ausnahmen gelten sollen – etwa für denkmalgeschützte Gebäude.

Sanierungspflichten in Deutschland

Der generelle Sanierungszwang auf EU-Ebene ist nun also erstmal vom Tisch. Das ändert nichts daran, dass es für Hausbesitzer in Deutschland unter bestimmten Bedingungen schon heute Sanierungspflichten gibt.

Die Dämmung der obersten Geschossdecke ist schon heute in vielen Fällen Pflicht. (Quelle: Deutsche Rockwool)

Wer ein neues Haus baut, muss ohnehin die energetischen Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfüllen. Aber auch Altbaubesitzer sind in vielen Fällen zu einzelnen Sanierungsmaßnahmen verpflichtet. Wer bei einer Baumaßnahme mehr als 10 % der Fläche eines Bauteils an seinem Gebäude verändert – zum Beispiel in Form eines neuen Fassadenanstrichs –, der muss dieses Bauteil laut GEG zugleich auch dämmen, sofern dies nicht bereits schon früher geschehen ist.

Auf unabhängig von dieser Bauteilregel verpflichtet das GEG viele Hausbesitzer zu verschiedenen Sanierungsmaßnahmen: Dazu gehören die Dämmung der obersten Geschossdecke bei unbewohnten Dachböden, die Dämmung wasserführender Rohre in unbeheizten Räumen und in vielen Fällen auch eine Austauschpflicht für alte Öl- und Gasheizungen, wenn diese älter als 30 Jahre ist.

Vom Zwang der zuletzt genannten Sanierungsmaßnahmen generell ausgenommen sind allerdings Hausbesitzer, die ihr Haus bereits vor dem Stichtag 1. Februar 2002 selbst bewohnt haben. Das ist die berühmte Regelung für „Omas Häuschen“. Darüber hinaus können auch andere Hausbesitzer auf einen Erlass der Pflicht zur Dämmung von oberster Geschossdecke und wasserführender Rohre hoffen, sofern sich die Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist nicht rechnen würden.

Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass es in Deutschland zwar schon seit Langem einige Sanierungspflichten gibt, aber eben auch viele Ausnahmeregelungen. Wer sein Haus nicht energetisch sanieren will, findet hierzulande häufig einen Weg, daran vorbeizukommen. Nicht von ungefähr gibt es hierzulande noch so viele gänzlich ungedämmte Altbauten.

Die ursprünglich geplante Sanierungspflicht auf EU-Ebene wäre für private Hausbesitzer zweifellos ein deutlich „schärferes Schwert“ gewesen als die bestehenden nationalen Verpflichtungen. Deshalb galt sie vielen Hausbesitzern als Schreckgespenst. Dieser Spuk ist jetzt erstmal vorbei. Wie die EU-Länder auch ohne Zwang Klimaneutralität im Gebäudebereich erreichen wollen, bleibt allerdings bis auf Weiteres eine ungelöste Frage.

zuletzt editiert am 22. Februar 2024