Vertreter der sechs Projektpartner vor dem Versuchsstand am Technikum. (Quelle: Bauhaus-Universität Weimar)

Panorama 2024-10-15T07:00:00Z Grünfassade mit PV-Modulen

Anfang September wurde an einem Gebäude der Bauhaus-Universität Weimar ein neuartiges Fassadenbegrünungs-Element mit integrierten Solarmodulen eingeweiht. Nun beginnt der Test des Prototyps unter realen Bedingungen. Bei dem Versuchsstand schützen bewegliche Photovoltaik-Elemente die Pflanzen vor Extremwetterereignissen. Die Bewässerung erfolgt mit Grauwasser.

Das multifunktionale Begrünungsmodul lässt sich auf einem vorgelagerten Gerüst an Fassaden montieren und umfasst die Bestandteile Pflanzen, PV-Elemente und nachhaltiges Bewässerungsmanagement. Die Innovation ist das Ergebnis des 2018 gestarteten Verbundprojekts „Vertikale Klima-Klär-Anlage“ (VertiKKA). Dieses wird von zwei Professuren der Bauhaus-Universität Weimar gemeinsam mit weiteren Partnern aus Forschung, Planung und Industrie durchgeführt.

Praxistest am Technikum

Der Versuchsstand wurde an der Fassade des „b.is-Technikums“ der Weimarer Fakultät Bau und Umwelt eingerichtet, das sich in der Coudraystraße befindet. Die feierliche Eröffnung erfolgte am 5. September. Die neuartigen Grünfassaden-Elemente vereinen eine vertikale Bepflanzung mit vorgehängten, beweglichen Photovoltaik-Elementen.

Modell der VertiKKA (gelb=Photovoltaikmodul, grün=Begrünungsmodul, blau=Bewässerungssystem). (Quelle: Björnsen Beratende Ingenieure GmbH)

Der Clou: Die PV-Module schützen zugleich die Pflanzen bei Extremwetterereignissen vor Starkregen, Wind oder auch Hitze. Besonders nachhaltig wird die Versuchsstand zudem durch die Art der Bewässerung des Fassadengrüns. Dabei kommt nämlich Grauwasser zum Einsatz – also gering verschmutztes Abwasser, das beim Duschen, Baden, Hände- und Wäschewaschen oder in der Küche anfällt. Das Grauwasser wird zwar vorgereinigt, doch zugleich wird auch die Reinigungsleistung des Pflanzensubstrats genutzt. Dieses wirkt wie eine Kläranlage – daher der Projektname „Vertikale Klima-Klär-Anlage“.

Das Grauwasser wird also tatsächlich auch im VertiKKA-Element selbst gereinigt. Überschüssiges Wasser, das nicht für die Fassadenbewässerung benötigt wird, lässt sich stattdessen für andere Zwecke in Haus und Garten nutzen. Beim Versuchsstand kommt derzeit Grauwasser zum Einsatz, das in einem Wohnhaus gesammelt und dann zum Technikum transportiert wird. Bei zukünftigen Realisierungen der Fassadentechnik soll natürlich Grauwasser aus den Häuser genutzt werden, an denen die VertiKKA hängt.

Bei der am 5. September gestarteten Testphase des Fassaden-Prototyps geht es nun unter anderem darum, die Reinigungsleistung der Pflanzensubstrate sowie die Pflanzenvitalität über einen längeren Zeitraum zu untersuchen. Die Forschenden messen zudem die Verdunstungsmenge des Grauwassers und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Mikroklima des angrenzenden Außenraums. Gleichzeitig wird untersucht, inwieweit die Wasserverdunstung zum Tauwasserrisiko für die Außenwand und deren Wärmetransport werden könnte.

Vielfältige Vorteile

Die im Projekt entwickelte Lösung vereint gleich mehrere nachhaltige Vorteile in einem Produkt. Erstens schützt das Fassadengrün das Gebäudeinnere vor zu starker Aufheizung während sommerlicher Hitzewellen und verbessert zugleich das Mikroklima im Außenbereich durch Verdunstungskälte.

Die Pflanzen verbessern das Mikroklima und die Luftqualität der Umgebung. (Quelle: Björnsen Beratende Ingenieure GmbH)

Zweitens produzieren die PV-Elemente sauberen Solarstrom – wobei die Stromerträge durch den Kühlungseffekt der Pflanzen besonders hoch sind – und schützen zudem die Pflanzen vor zu viel Sonne. Übrigens werden die Begrünungsmodule von VertiKKA hauptsächlich immergrün bestückt, sodass sie auch im Winter ihre Funktion erfüllen und nicht „kahl“ aussehen.

Drittens wird das Fassadengrün ressourceneffizient mit recyceltem Grauwasser bewässert, wobei das Bewässerungssystem mit dem lokal erzeugtem Sonnenstrom läuft. Da für die Bewässerung der Module aufbereitetes Grauwasser sowie Regenwasser verwendet wird, entsteht kein zusätzlicher Wasserverbrauch – heißt es auf der VertiKKA-Projekt-Website. Im Gegenteil: Indem die Fassade lokal anfallendes Grauwasser aufbereitet, das auch für andere Bewässerungsaufgaben nutzbar ist, könne sogar insgesamt Trinkwasser eingespart und Abwasser verringert werden.

Sechs Projektpartner

Besonders in städtischen Ballungsräumen mit dichter Bebauung und wenig Grünflächen sind lange Hitzeperioden schon heute auch in Deutschland eine zunehmende Herausforderung für die Bevölkerung. Mehr Gebäudegrün kann hier für erträglichere Temperaturen sorgen. „Fassadenbegrünung bietet vielfältige Vorteile für das urbane Mikroklima“, erläutert Prof. Silvio Beier von der Bauhaus-Universität Weimar. „Sie reduziert Hitze, entfernt Schadstoffe aus der Luft und schafft neue Lebensräume für Tiere und Insekten.“

Beier ist Leiter der Professur „Siedlungswasserwirtschaft und Technologien urbaner Stoffstromnutzungen“ an der Fakultät Bau und Umwelt der Bauhaus-Universität. An derselben Fakultät gibt es auch die von Prof. Conrad Völker geleitete Professur Bauphysik, die ebenfalls beim Forschungskonsortium VertiKKA mitwirkt.

Hinzu kommen vier externe Partner: die Björnsen Beratende Ingenieure GmbH aus Leonberg, das Institut für Zukunfts-Energie- und Stoffstromsysteme (IZES gGmbH) aus Saarbrücken, das Institut für Automation und Kommunikation (ifak) aus Magdeburg und die Solyco Solar AG aus Berlin. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

zuletzt editiert am 11. Oktober 2024