RM Rudolf Müller
An diesem Berufskolleg in Essen kann man viele Berufsabschlüsse in Vollzeit-Unterricht erwerben.  Foto: Grimm

An diesem Berufskolleg in Essen kann man viele Berufsabschlüsse in Vollzeit-Unterricht erwerben.  Foto: Grimm

Hintergrundwissen
17. Oktober 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was bieten berufsbildende Schulen?

Die meisten Azubis in Deutschland werden dual ausgebildet. Neben der praktischen Lehre im Betrieb besuchen sie tageweise die Berufsschule. Daneben gibt es aber auch berufsbildende Schulen, die man in Vollzeit besuchen kann, wenn man keinen Ausbildungsplatz in einem Unternehmen hat. Die Angebote dieser Schulen sind sehr vielfältig. Ein Überblick.

Bei der dualen Ausbildung gehen die Azubis ein bis zwei Tage pro Woche in die Teilzeit-Berufsschule. In manchen Berufen wird die schulische Ausbildung auch als Blockunterricht durchgeführt – meist ein bis drei Wochen am Stück. In dieser Zeit arbeiten die Azubis dann nicht in ihrem Unternehmen. Insgesamt aber verbringen sie den weitaus größten Teil der Lehrzeit im Betrieb.

Das ist bei Vollzeit-Berufsschulen völlig anders. Hier dauert der Blockunterricht gewissermaßen die gesamte Ausbildungszeit. Das berufliche Know-how wird nämlich größtenteils in Unterrichtsform vermittelt – wozu natürlich auch praktische Übungen gehören. Schließlich sollen die Schülerinnen und Schüler einen Beruf erlernen, und das geht nicht nur mit Theorie. In der Regel schreiben die Vollzeit-Berufsschulen auch verpflichtende Betriebspraktika vor. Die dauern aber nur einige Wochen. Eine kontinuierliche betriebliche Ausbildung – wie im dualen System – gibt es also nicht.

Riesiges Angebot

Man kann auch ohne betrieblichen Ausbildungsplatz beruflich vorankommen. Die berufsbildenden Schulen bieten dafür ein breites Angebot. Das Spektrum reicht von kompletten Berufsausbildungen mit Vollzeitunterricht an „Berufsfachschulen“ über einjährige berufsvorbereitende Maßnahmen bis hin zu verschiedenen Schulformen, an denen man allgemeinbildende Schulabschlüsse nachholen kann.

Die meisten berufsbildenden Schulen bieten übrigens nicht nur verschiedene Berufsausbildungen an, sondern vereinen an einem Standort auch gleich mehrere Schulformen. So kann man zum Beispiel an einem typischen nordrhein-westfälischen „Berufskolleg“ sowohl eine Teilzeit-Berufsschule (duales System) als auch die Berufsfachschule, die Fachoberschule, das berufliche Gymnasium oder die so genannte Fachschule besuchen.

Die Angebotsvielfalt der berufsbildenden Schulen wirkt auf den ersten Blick verwirrend. Erschwerend kommt hinzu, dass es in den 16 deutschen Bundesländern keine einheitlichen Bezeichnungen für die verschiedenen Schulformen gibt. Für den Einzelnen wird die Sache zumindest etwas übersichtlicher, wenn er erst einmal alle Bildungsgänge aussortiert, bei denen er gar nicht die Aufnahmevoraussetzungen erfüllt. Manche Angebote richten sich nämlich nur an Hauptschüler, manche an Personen mit mittlerer Reife, und wieder andere setzen eine bereits abgeschlossene erste Berufsausbildung voraus.

Berufsfachschulen

Das Hamburger Bildungszentrum Metall bietet unter anderem eine außerbetriebliche Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik. Foto: Grimm

Das Hamburger Bildungszentrum Metall bietet unter anderem eine außerbetriebliche Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik. Foto: Grimm

Die Berufsfachschulen sind das klassische Angebot für junge Menschen, die einen Beruf außerhalb des dualen Systems erlernen wollen. Im Prinzip kann man dort Abschlüsse in allen anerkannten Ausbildungsberufen auch ohne betrieblichen Ausbildungsplatz erwerben. Die Schülerinnen und Schüler absolvieren in der Regel einen zwei- bis dreijährigen Vollzeitunterricht – je nach Beruf – und müssen am Ende natürlich die Abschlussprüfung bestehen. Ganz wie die Azubis im dualen System – nur eben ohne Betrieb.

Als Zugangsvoraussetzung für die Berufsfachschule wird normalerweise mindestens ein Hauptschulabschluss erwartet, manche Bildungsgänge setzen aber auch die mittlere Reife oder sogar das Abitur voraus. Neben der Vollzeit-Berufsausbildung bieten Berufsfachschulen übrigens auch Teilzeitunterricht an. Dieser richtet sich zum Beispiel an Interessenten, die neben der Ausbildung noch Kinder zu versorgen haben oder anderweitig arbeiten müssen. Bei Teilzeitunterricht verlängert sich die Gesamtdauer der Ausbildung entsprechend.

Berufsvorbereitendes Jahr

Wer keinen Hauptschulabschluss hat, kann nicht so ohne weiteres zur Berufsfachschule gehen. Er kann das Versäumte aber im Rahmen eines Berufsvorbereitungsjahres nachholen. Das wird ebenfalls an berufsbildenden Schulen angeboten. Ziel ist es, dass die Jugendlichen einerseits allgemeines Schulwissen nachholen, andererseits aber auch auf eine spätere Berufsausbildung vorbereitet werden. Mit dem erfolgreichen Abschluss des Berufsvorbereitungsjahres erlangen die Absolventen den Hauptschulabschluss („Berufsreife“). Sie können sich das Jahr allerdings nicht auf eine spätere Ausbildung anrechnen lassen.

Niedersachsen unterscheidet noch zwischen Berufseinstiegsklasse (BEK) und Berufsvorbereitungsjahr (BVJ). Laut Niedersächsischem Kultusministerium steht bei der BEK der Hauptschulabschluss beziehungsweise die Verbesserung der Ausbildungsreife im Fokus. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Fächer Deutsch und Mathematik. Außerdem müssen sich die Schülerinnen und Schüler für ein Berufsfeld entscheiden, in dem sie berufsbezogenen Unterricht erhalten. Beim niedersächsischen BVJ dagegen gibt es fachpraktischen Unterricht in zwei Berufsfeldern, ergänzt durch fachtheoretischen und allgemeinen Unterricht. Im Vordergrund steht hier stärker die individuelle Förderung der Teilnehmer mit einzelfallbezogener Zielsetzung.

Jugendliche Schulabgänger mit Hauptschulabschluss – aber ohne Lehrstelle – können in einigen Bundesländern auch ein so genanntes Berufsgrundbildungsjahr absolvieren. Dabei wählen die Schülerinnen und Schüler ein (relativ breites) Berufsfeld aus – zum Beispiel Technik, Informations- und Kommunikationstechnik, Gesundheit und Pflege – und erhalten dazu praktischen und theoretischen Unterricht. Daneben gibt es allgemeinbildende Lerninhalte. Im Gegensatz zum Berufsvorbereitungsjahr kann das Berufsgrundbildungsjahr auch als erstes Jahr einer späteren dualen Berufsausbildung anerkannt werden („Kann-Bestimmung“).

Nicht nur den Hauptschullabschluss, sondern auch andere Schulabschlüsse kann man als Schulabgänger später noch nachholen. Auch dafür bieten die berufsbildenden Schulen unterschiedlichste Schulformen an. An Fachoberschulen haben junge Menschen mit mittlerer Reife zum Beispiel die Möglichkeit, die Fachhochschulreife zu erlangen. In einigen Bundesländern gibt es auch berufliche Gymnasien, die in drei Jahren Vollzeitunterricht zum Abitur führen.

Angebote für Berufstätige

Die berufsbildenden Schulen haben zudem auch Angebote für Personen, die bereits ein Berufsleben vorzeigen können. So richtet sich die Berufsoberschule an Menschen mit mittlerer Reife, die bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung oder mehrjährige Berufspraxis haben. Sie können dort in einem Jahr die Fachhochschulreife oder in zwei Jahren das Abitur (allgemeine Hochschulreife) nachholen.

Ein anderes Beispiel ist die Berufsaufbauschule. Dort können Hauptschüler mit abgeschlossener Berufsausbildung in einem Jahr einen mittleren Bildungsabschluss erwerben (Mittlerer Reife beziehungsweise Fachschulreife). Die so genannten Fachschulen schließlich richten sich an Berufstätige, die beruflich aufsteigen und Führungsaufgaben übernehmen wollen. Bei dieser Schulform sind (je nach Berufsrichtung und Ausbildungsdauer) viele unterschiedliche Abschlüsse möglich – zum Beispiel „Staatlich geprüfte(r) Techniker(in)“ oder „Staatlich geprüfte(r) Betriebswirt(in)“.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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