Keramische Fassadenplatten kennt man vor allem als Systembestandteil vorgehängter hinterlüfteter Fassaden. Was viele nicht wissen: Man kann sie auch direkt auf einem Wärmedämm-Verbundsystem verkleben. Dort ersetzen sie dann den sonst meist üblichen Oberputz. Sogar großformatige Keramikplatten lassen sich mittlerweile sicher verkleben.
Wenn in diesem Beitrag von Keramikfassaden die Rede ist, meinen wir nicht die klassischen, dicken Klinkersteine („Backsteine“), die vor allem in Norddeutschland bei Gebäudefassaden, aber auch bei Pflasterbodenbelägen weit verbreitetet sind. Stattdessen geht es um plattenförmige Keramik. Auch diese Produkte sind – wie Backsteine – deutlich härter und widerstandsfähiger als die porosierten Ziegel, die man heute vielfach zur Errichtung eines gut dämmenden Hintermauerwerks verwendet.
Keramische Fassadenplatten eignen sich deshalb ebenfalls sehr gut für die Fassadengestaltung. Sie sind druck-, stoß- und kratzfest, chemikalienresistent, unbrennbar, licht- und farbecht sowie überhaupt ausgesprochen widerstandsfähig gegenüber Wind und Wetter. Ähnlich wie man es von klassischen Backsteinen kennt, ist das Material zudem unempfindlich gegenüber Verschmutzungen und hat – ganz ohne Wartung – eine praktisch unbegrenzte Lebensdauer.
VHF oder WDVS?

Keramische Fassadenplatten kommen bislang überwiegend als Systembestandteil vorgehängter hinterlüfteter Fassaden (VHF) zum Einsatz. Ein Vorteil dieser Variante ist zweifellos, dass sich die Ziegelverkleidung jederzeit wieder leicht entfernen und austauschen lässt, weil die einzelnen Systemkomponenten nicht fest miteinander verklebt sind.
Auf der anderen Seite sind VHF aber deutlich teurer als einfache Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS), und durch ihren eingebauten Hinterlüftungsspalt, der Dämmstoff und äußere Fassadenbekleidung voneinander trennt, nehmen sie auch mehr Platz in Anspruch. Der günstigere Preis und der schlankere Systemaufbau sind also Argumente für ein WDVS. Das lässt sich im Übrigen ebenfalls mit einer keramischen Oberfläche kombinieren, es muss nicht immer eine Putzfassade sein.
Man kann Ziegelplatten nämlich mit Verlegemörtel auch direkt auf der Dämmschicht von Wärmedämm-Verbundsystemen verkleben. Genauer gesagt erfolgt die Verklebung auf der armierten Unterputzschicht des WDVS. Nach Angaben des Baustoffherstellers Saint-Gobain Weber ist ein fester Klebeverbund aus Keramik und WDVS im Vergleich zu einer vorgehängten Fassade sogar wärmebrückenärmer. Ein künftiges Baustoffrecycling wird freilich erschwert, denn die sortenreine Trennung der Systembestandteile ist bei einem verklebten WDVS schwieriger als bei der VHF mit ihren mechanischen Befestigungsmitteln.
Da bei der aufgeklebten Keramikfassade keine von außen sichtbaren Befestigungsmittel notwendig sind, ergeben sich gegenüber der VHF sogar optische Vorteile. Im Vergleich zum klassischen WDVS mit Oberputz wiederum bietet die Variante mit Keramikbeschichtung einen besseren Langfristschutz für den darunterliegenden Dämmstoff.
Lösung für XXL-Keramik

Als schwierig galt lange die sichere Verklebung großformatiger Keramikplatten auf einem WDVS. Hier dominieren deshalb bislang relativ kleine Platten, die auf der Fassadenfläche einen großen Fugenanteil garantieren. Der galt bisher als notwendig, um eine ausreichende Dampfdiffusion im Schichtenaufbau des WDVS zu gewährleisten.
Doch mittlerweile gibt es auch praktikable Lösungen, um selbst keramische XXL-Platten direkt auf der Dämmebene zu verkleben. Saint-Gobain Weber bietet dafür das System „weber.therm style“. Nach Angaben des Herstellers sind damit auch große, fugenarme Keramikfassaden, wie sie aktuell im Trend liegen, problemlos umsetzbar. Bauphysikalische Aspekte wie hygrothermische Einflüsse, das Feuchtigkeitsmanagement innerhalb der Konstruktion sowie starke Temperaturgefälle im System habe man bei der Entwicklung des neuartigen WDVS berücksichtigt – so Weber. Die Dämmleistung werde durch die Ziegelplatten nicht beeinträchtigt.
Die Verklebung der Platten auf der armierten Unterputzschicht erfolgt bei weber.therm style mit einem systemeigenen Spezialklebemörtel, der vollflächig auf die Rückseite der Elemente sowie auf dem Dämmuntergrund aufgekämmt wird („Buttering-Floating-Verfahren“). Der Kleber wirkt als Puffer für die Spannung, die durch die unterschiedliche Flexibilität der Systemkomponenten entsteht, sowie als Haftvermittler zwischen Oberflächenmaterial und WDVS.
Mit dem Weber-System lassen sich übrigens nicht nur Keramikplatten, sondern beispielsweise auch Glas, Basalt, Corten-Stahl oder Sichtbeton-Elemente sicher auf einem WDVS verkleben. Auch verschiedene Teilflächen mit wechselnden Oberflächen sind laut Weber problemlos realisierbar.
Berliner Objektbeispiele

Im Vergleich zu einfachen Putzoberflächen bieten WDVS mit keramischer Beschichtung nicht nur einen erhöhten Langzeitschutz für die Dämmstoffe, sondern auch ganz andere Designmöglichkeiten. So sind etwa deutlich plastischere, dreidimensionale Fassadengestaltungen möglich. Das wollen wir abschließend anhand von zwei Wohnneubauprojekten zeigen, die in den letzten Jahren in Berlin entstanden sind.
Das Foto ganz oben in diesem Beitrag zeigt den „Fritz Tower“, ein Wohnhochhaus im Quartier Lehrter Straße – unweit des Berliner Hauptbahnhofs. Seine Fassade besteht aus unterschiedlich gestalteten, glasierten Keramik-Elementen der Serie „Craft“ von Agrob Buchtal, die auf dem WDVS des Gebäudes verklebt wurden. Zum Einsatz für den keramischen Oberbelag kamen dreidimensionale „Spitzriemchen“ in Ockergelb und gedecktem Weiß sowie eigens gefertigte Schenkelplatten für die Gebäudeecken.
Ebenfalls mit 3D-Effekten spielt die Fassade des Wohnungsbaus IBeB in Berlin-Kreuzberg. Die Abkürzung steht für „Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt“. Auch hier kamen Craft-Keramikelemente von Agrob Buchtal zum Einsatz. Die nur 157 x 158 mm großen Elemente wirken wie Tausende von Pixeln, die je nach Standpunkt mal hell und mal dunkel erscheinen.
Die flirrende Wirkung der an sich identischen Pixel entsteht zum Teil durch die leicht changierenden Farbtöne der gebrannten Keramikelemente. Vor allem aber beruht sie auf ihrem unregelmäßig dreiecksförmigen Querschnitt (der zwei unterschiedlich geneigte Ansichtsflächen erzeugt) sowie auf ihrer paarweise immer abwechselnd um 180° gedrehten Montage, die für unterschiedlichste Lichtreflexionen und Spiegelungen sorgt.