Mehrere Flaggen der Europäischen Union wehen vor einem modernen Gebäude.
Die Verordnung soll das Inverkehrbringen von Bauprodukten im EU-Binnenmarkt erleichtern. (Quelle: Pixabay)

Baurecht 2025-03-25T10:00:00Z Was will die EU-Bauproduktenverordnung?

Die ursprünglich 2013 eingeführte Bauproduktenverordnung der Europäischen Union verfolgt das Hauptziel, die Vermarktung von Bauprodukten im EU-Binnenmarkt durch die Etablierung einheitlicher Produkt- und Prüfnormen zu erleichtern. Dieser Prozess ist in den letzten Jahren aber nur schleppend vorangekommen. Am 7. Januar trat daher eine neue Verordnung in Kraft. Sie soll die europäischen Normungsprozesse beschleunigen und zudem die Ziele des „Green Deal“ stärker berücksichtigen.

Die neue Version der EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO) wurde am 18. Dezember 2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht (Direktlink hier). Der Name „Bauproduktenverordnung“ taucht in diesem Dokument übrigens gar nicht auf. Stattdessen ist dort nur von der „Verordnung (EU) 2024/3110“ die Rede. Wir bleiben in diesem Text trotzdem bei der auch in Fachkreisen gängigen Bezeichnung BauPVO.

Grundlegende Ziele

Wie es in der Verordnung wörtlich heißt, dienen ihre Bestimmungen zur „Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten“. Ziel der BauPVO war und bleibt es, den Bauprodukteherstellern das Inverkehrbringen beziehungsweise Vermarkten ihrer Produkte in den Ländern des europäischen Binnenmarktes zu erleichtern. Anstatt sich in jedem einzelnen Land mit unterschiedlichen Regeln herumschlagen zu müssen, sollen sie im gesamten EU-Raum von einheitlichen, harmonisierten Produkt- und Prüfstandards profitieren. Es geht also um den Abbau technischer Handelshemmnisse.

Voraussetzung dafür, dass Bauprodukte frei im Binnenmarkt handelbar sind, ist eine EU-weite Einigung auf die wesentlichen Qualitätsmerkmale von Bauprodukten. Außerdem muss Klarheit darüber herrschen, nach welchen Prüfstandards Hersteller die durch die wesentlichen Qualitätsmerkmale vorgegebene Leistungsfähigkeit ihrer Bauprodukte nachzuweisen haben. Die BauPVO regelt den Prozess der EU-weiten Festlegung von wesentlichen Produktmerkmalen für Bauprodukte in Form harmonisierter EN-Normen oder sonstiger „harmonisierter technischer Spezifikationen“.

CE-Zeichen und Leistungserklärung

Die Verordnung ist auch die rechtliche Grundlage für die CE-Kennzeichnung von Bauprodukten. Dieses Kennzeichen dürfen alle Produkte tragen, für die es bereits eine harmonisierte technische Spezifikation gibt. Mit dem Kennzeichen auf seinem Produkt hat der Hersteller das Recht, diese Ware frei in allen EU-Staaten zu verkaufen. Das Inverkehrbringen darf dann nicht durch weitere nationale Anforderungen behindert werden. Mit anderen Worten: Nationale Produktregelungen dürfen nicht über bereits eingeführte harmonisierte technische Spezifikationen hinausgehen.

Das Bild zeigt das CE-Kennzeichen, ein Symbol für die Konformität von Produkten mit EU-Richtlinien.
Produkte mit CE-Zeichen dürfen in der gesamten EU verkauft werden. (Quelle: Pixabay)

Dem Käufer signalisiert das CE-Zeichen, dass das Produkt auf Grundlage einer EN-Produktnorm oder sonstiger harmonisierter technischer Spezifikationen hergestellt und geprüft wurde. Die in diesen Dokumenten beschriebenen wesentlichen Produktmerkmale findet der Käufer (Handel oder Endkunde) auch in der Leistungserklärung, die Hersteller für jedes harmonisierte Produkt erstellen müssen. Die Leistungserklärung muss der Hersteller beim Verkauf seiner Produkte dem jeweiligen Kunden zugänglich machen.

Bauprodukte und Bauwerke

Halten wir noch einmal fest: Harmonisierte technische Spezifikationen beschreiben EU-einheitlich die wesentlichen Merkmale von Bauprodukten. Der Begriff „wesentlich“ bezeichnet in diesem Zusammenhang diejenigen Produkteigenschaften, die dazu beitragen, dass ein Bauprodukt die „Grundlegenden Anforderungen an Bauwerke“ erfüllt. Diese Anforderungen werden im Anhang 1 der BauPVO aufgelistet. Inhaltlich geht es hier um Aspekte wie Standsicherheit, Brandschutz und Schallschutz von Bauwerken, doch auch Grundanforderungen in Bereichen wie Wohngesundheit, Energieeinsparung, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit von Bauwerken werden genannt.

Allzu ausführlich definiert die BauPVO die grundlegenden Anforderungen an Bauwerke freilich nicht. Konkrete Grenzwerte zu Themen wie etwa Schallschutz oder Schadstoff-Emissionen sucht man in Anhang 1 vergeblich. Hintergrund: Die Definition von Anforderungen an Bauwerke (nicht an Bauprodukte!) bleibt trotz BauPVO Angelegenheit der einzelnen EU-Mitgliedsländer. Jedes Land hat weiterhin das Recht, für seine Bauwerke höhere Standards zu formulieren als in anderen Ländern der EU. „Mitgliedsstaaten haben (...) wie bisher das Recht, nationale Anforderungen für die Verwendung von harmonisierten Produkten festzulegen“, heißt es in Artikel 11 der neuen BauPVO.

Das kann zu der Situation führen, dass ein Bauprodukt das CE-Zeichen trägt und damit im gesamten EU-Binnenmarkt verkauft werden darf, dass es aber zugleich in einzelnen EU-Ländern gar nicht für Bauwerke verwendet werden darf. Das CE-Zeichen signalisiert eben nur die Übereinstimmung mit den in der harmonisierten technischen Spezifikation beschriebenen wesentlichen Produktmerkmalen, nicht aber zwangsläufig mit allen Anforderungen an Bauwerke in jedem einzelnen EU-Land.

Mehr Tempo bei der Harmonisierung

Knapp zwölf Jahre nach dem ursprünglichen Inkrafttreten der Bauproduktenverordnung ist die Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten auf dem europäischen Binnenmarkt zwar vorangekommen, aber das Tempo war offenbar deutlich geringer als ursprünglich erhofft.

Die Deutsche Bauchemie hat eine Informationsschrift zur neuen BauPVO veröffentlicht.
Die Deutsche Bauchemie hat eine Informationsschrift zur neuen BauPVO veröffentlicht. (Quelle: Deutsche Bauchemie)

Die BauPVO 2024 soll nun „den Motor der harmonisierten Normung wieder zum Laufen bringen“ – heißt es in der Anfang 2025 von der Deutschen Bauchemie veröffentlichten Informationsschrift „Die neue EU-Bauproduktenverordnung 2024“. Auch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hofft, dass mit den neuen Vorgaben „Normungsprozesse erleichtert und beschleunigt“ werden (BMWSB-Pressemitteilung vom 2. Januar). „Dies erfolgt durch die Einrichtung einer Expertengruppe, die alle wichtigen Beteiligten frühzeitig in die Arbeit einbindet“ – so das BMWSB.

Um Normungsprozesse zu beschleunigen, wurden auch die Befugnisse der Europäischen Kommission in diesem Bereich erweitert. So hat die Kommission zumindest in begründeten Ausnahmenfällen nun das Recht, harmonisierte technische Spezifikationen eigenständig zu erstellen und über einen Durchführungsrechtsakt einzuführen. Bisher lag die diesbezügliche Zuständigkeit allein beim europäischen Normungsinstitut CEN. Die Kommission wird durch die neue BauPVO zudem ermächtigt, ihrerseits einzelne Produktanforderungen für harmonisierte Bauprodukte festzulegen.

Integration des „Green Deal“

Die neue Verordnung war darüber hinaus notwendig geworden, um das Hauptziel des Ende 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellten „European Green Deal“ – eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 – in der europäischen Bauprodukte-Gesetzgebung zu verankern.

Durch die BauPVO 2024 werden nun auch Angaben zur ökologischen Nachhaltigkeit für harmonisierte Bauprodukte schrittweise zur gesetzlichen Pflicht. Ab 2027 müssen die Hersteller für ihre Produkte zum Beispiel auch Informationen zum Treibhausgaspotenzial offenlegen. Auch die Form der künftig geforderten Angaben zur Nachhaltigkeit steht bereits fest. Sie sollen auf der Methodik der etablierten Umweltproduktdeklarationen (EPDs) basieren.

Das BMWSB bezeichnet die neue BauPVO in seiner Pressemitteilung vom 2. Januar sogar ausdrücklich als „Teil des europäischen Green Deal“. Die Verordnung habe nun einen stärkeren Fokus auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte, Produktsicherheit sowie die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche.

Nirgendwo wird das so deutlich wie bei den Bestimmungen zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge. Hier sollen ökologisch nachhaltige Bauprodukte künftig bevorzugt werden. Artikel 83 der BauPVO („Umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen“) regelt in diesem Zusammenhang verbindliche Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit von Bauprodukten.

Digitaler Produktpass

Die BauPVO 2024 bringt für die Bauprodukte-Hersteller zudem neue Verpflichtungen im Bereich der Digitalisierung. In einigen Jahren werden sie für ihre harmonisierten Bauprodukte einen digitalen Produktpass bereitstellen müssen (Artikel 75–80).

„Mit der neuen Verordnung wird ein digitaler Pass für Bauprodukte eingeführt, der alle Angaben über Leistung und Eigenschaften des Produkts bündelt“, erläutert Bundesbauministerin Klara Geywitz. „Verbraucherinnen und Verbraucher, die beispielsweise ein Haus, einen Anbau oder ein Carport bauen wollen, können somit zukünftig auf einen Blick sehen, wie nachhaltig ihre Baumaterialien sind und wo die Produkte herkommen. Mit der neuen Verordnung wird es zusätzlich leichter, bereits verwendete Bauprodukte wieder zu verwenden, was die Umwelt und den Geldbeutel schont.“

15-jährige Übergangsfrist

Der digitale Produktpass wird also rechtlich verbindlich kommen. Für den Implementierungsprozess sind allerdings mehrere Jahre eingeplant. Das gilt generell für weite Teile der Verordnung. Nur die Verordnungsartikel, die sich auf die (schnellere) Entwicklung von harmonisierten Normen und Produktanforderungen beziehen, gelten unmittelbar seit dem Inkrafttreten der BauPVO (7. Januar 2025). Die meisten anderen Artikel gelten erst ab 2026.

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Harmonisierte technische Spezifikationen, die bereits unter der alten BauPVO eingeführt wurden, müssen zudem nicht sofort an den Rechtrahmen der neuen Verordnung angepasst werden. Stattdessen gilt für solche Überarbeitungen eine Übergangsfrist von 15 Jahren. Wenn für ein solches Produkt allerdings eine neue harmonisierte technische Spezifikation per Durchführungsrechtsakt der Europäischen Kommission eingeführt wird, müssen die Hersteller diese innerhalb von zwölf Monaten anwenden.

Für viele Baustoffhersteller ist die Bauproduktenverordnung übrigens bislang noch gar nicht relevant. Schließlich gelten die meisten Herstellerpflichten nur unter dem Vorbehalt, dass es für das betreffende Produkt bereits eine harmonisierte technische Spezifikation gemäß BauPVO gibt. Das ist längst nicht in allen Sortimentsbereichen der Fall. Für bauchemische Produkte etwa rechnet der Branchenverband Deutsche Bauchemie „nicht vor 2029“ mit harmonisierten technischen Spezifikationen unter der neuen BauPVO.

Dieser Text ist eine Aktualisierung des BaustoffWissen-Beitrags „Was regelt die Bauproduktenverordnung?“ von September 2016.

zuletzt editiert am 25. März 2025