Drei Broschüren mit Umwelt-Produktdeklarationen für Kalksandstein, Bitumen-Dichtungsbahn und Sperrholz aus Laubholz.
Beispiele für Umwelt-Produktdeklarationen der Baustoffbranche. (Quelle: IBU)

Energetisches Bauen 2025-02-18T09:25:00Z Was sind Umwelt-Produktdeklarationen?

Um fundierte Aussagen über den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes treffen zu können, müssen die Umweltauswirkungen der verwendeten Baustoffe und Bauprodukte bekannt sein. Baustoffhersteller veröffentlichen die entsprechenden Daten immer häufiger in Form von standardisierten und extern geprüften Umwelt-Produktdeklarationen. Solche „EPDs“ sind bislang noch freiwillig, doch das wird sich künftig wahrscheinlich ändern.

Nachhaltiges Bauen erfordert Baustoffe, die möglichst geringe Umweltbelastungen auslösen. Baustoffhersteller müssen schon heute immer häufiger belegen können, dass ihre Produkte diesem Anspruch genügen – beispielsweise bei der Auftragsvergabe für öffentliche Gebäude. Als unabhängiger Nachweis über die Umwelteigenschaften von Bauprodukten haben sich die so genannten Umwelt-Produktdeklarationen etabliert – kurz: EPDs („Environmental Product Declarations“). Diese unterstützen Bauplaner und Bauherren dabei, eine umweltorientierte Baustoffauswahl zu treffen.

Institut Bauen und Umwelt

EPDs sollen die wesentlichen Informationen zur Umweltauswirkung von Baustoffen und Bauprodukten transparent und gemäß einheitlichen, branchenweit gültigen Regeln darstellen. In Deutschland werden sie meist vom Institut Bauen und Umwelt (IBU) vergeben. Die Erstellung erfolgt auf Antrag von Herstellern oder Herstellerverbänden. Vom Ausstellungsdatum an sind die EPDs in der Regel fünf Jahre gültig. Danach ist eine Revision mit erneuter unabhängiger Verifizierung notwendig.

Das 2007 gegründete IBU ist eine Initiative der Bauproduktehersteller und fungiert als Programmbetreiber für Umwelt-Produktdeklarationen gemäß der europäischen Norm EN 15804. Obwohl es sich um eine Herstellerinitiative handelt, betont das Institut seine Unabhängigkeit bei der Vergabe der Produktdeklarationen. Dafür werden die Angaben der Hersteller durch unabhängige Dritte („Verifizierer“) überprüft. Bisher ausgestellte EPDs sind übrigens für Interessierte frei zugänglich. Der größte deutsche Programmhalter IBU stellt sie auf seiner Website als kostenlose PDF-Downloads bereit (Direktlink hier).

Umwelt-Produktdeklarationen werden sowohl für konkrete Produkte einer bestimmten Firma ausgestellt als auch für Produkttypen, für die es bereits eine vereinheitlichende DIN-Norm gibt, die also von mehreren Herstellern mit identischer Rezeptur produziert werden. Im letzteren Fall werden die Dokumente meist von Herstellerverbänden beantragt. So hat zum Beispiel der Bundesverband Kalksandsteinindustrie eine EPD für

„Von der Wiege bis zum Werkstor“

EPDs garantieren nach Angaben des IBU umfassende Ökobilanzen und Informationen zu den Umweltauswirkungen bei der Herstellung der Bauprodukte. Erläutert werden insbesondere der Ressourcenverbrauch und die Umweltemissionen – von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt.

Ein Dokument über Umweltdeklarationen von Bauprodukten mit hervorgehobenen Textstellen und einem grünen Textmarker.
Die DGNB hat eine Hintergrundinformation zu EPDs veröffentlicht. (Quelle: DGNB)

Die grobe inhaltliche Struktur ist bei allen EPDs gleich. Zu Beginn stehen die allgemeinen Informationen zum Produkt. Dieser Abschnitt umfasst Informationen zu folgenden Punkten: Produktbeschreibung/-definition, Anwendung, Technische Daten, Lieferzustand, Grundstoffe/Hilfsstoffe, Herstellung, Umwelt und Gesundheit während der Herstellung, Produktverarbeitung/Installation, Verpackung, Nutzungszustand, Umwelt und Gesundheit während der Nutzung, Referenz-Nutzungsdauer, Außergewöhnliche Einwirkungen, Nachnutzungsphase und Entsorgung.

Danach folgt das Herzstück jeder EPD: die Ökobilanz. Sie wird in den Umwelt-Produktdeklarationen mit dem Kürzel LCA bezeichnet. Das steht für „Life Cycle Assessment“ (Lebenszyklusanalyse) – der internationale Name für Ökobilanz. Eine LCA für Bauprodukte ist ein Dokument, das negative Umweltwirkungen quantifiziert, die durch Herstellung und Nutzung des jeweiligen Produkts ausgelöst werden. Das bezieht sich insbesondere auf den Rohstoff- und Energieverbrauch sowie auf Schadstoffemissionen. Je geringer diese Werte sind, umso besser fällt die Ökobilanz aus.

Eine vollständige Ökobilanz umfasst eigentlich sämtliche Umweltwirkungen eines Produkts über dessen gesamte Lebensdauer – also von der Rohstoffgewinnung über Herstellung und Nutzungsphase bis hin zur Entsorgung. Deshalb heißt es ja Lebenszyklusanalyse. Oft wird der Rahmen aber enger gesteckt. So auch bei den EPDs für Bauprodukte. Hier werden nur die Lebenswegabschnitte von der Rohstoffgewinnung bis zur vollendeten Produktion betrachtet („von der Wiege bis zum Werkstor“).

Nachfrage wächst rasant

Die Nachfrage der Baustoffbranche nach Umwelt-Produktdeklarationen hat in den letzten knapp 20 Jahren stark zugenommen. Entsprechende Ökobilanzdaten liegen mittlerweile für eine breite Palette an Produktkategorien vor. Noch 2017 gab es weltweit lediglich 3.600 nach dem europäischen Standard EN 15804 verifizierte EPDs für Bauprodukte. Anfang 2024 waren es schon über 23.000.

Porträt einer lächelnden Fau in einem schwarzen Blazer vor einem modernen Hintergrund.
DGNB-Vorstand Dr. Christine Lemaitre erwartet, dass EPDs zunehmend verpflichtend werden. (Quelle: DGNB)

Befeuert wird diese Entwicklung nicht zuletzt durch EU-Regeln wie die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und die europäische Bauproduktenverordnung. So fordert die 2024 beschlossene Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) ab 2030 für alle Neubauten eine Offenlegung der Lebenszyklus-Treibhausgas-Emissionen – kurzum: eine Gebäude-Ökobilanz. Für Bauprodukte fordert die Neufassung der EU-Bauprodukteverordnung ab 2027 die Offenlegung von Informationen zum Treibhausgaspotenzial.

„Die Lebenszyklusperspektive hat auch in die europäische Regulatorik Einzug gehalten und sorgt dafür, dass EPDs zunehmend verpflichtend werden“, bestätigt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Doch es gibt auch weiterhin Aspekte, die Bauprodukteheller davon abhalten, EPDs für ihre Produkte zu beantragen. In einer Pressemitteilung vom 25.11.2024 nennt die DGNB in diesem Zusammenhang „eine schlechte Informationslage und die Sorge vor hohen bürokratischen Aufwänden auf Seiten der betroffenen Unternehmen“.

Die Organisation hat daher Mitte November gemeinsam mit dem BPIE (Buildings Performance Institute Europe) eine Hintergrundinformation zu EPDs veröffentlicht. „Mit dieser Veröffentlichung wollen wir die Grundlage schaffen, dass faktenbasiert über das Thema diskutiert wird“, sagt Christine Lemaitre. Das 17-seitige Dokument steht auf der DGNB-Website als kostenloser PDF-Download bereit (siehe hier).

Hintergrundinformation des DGNB

Die Hintergrundinformation zeigt auf, wie sich die Relevanz von EPDs im Bausektor entwickelt hat, und analysiert, welche Treiber und Hemmnisse es für eine weitere Verbreitung gibt. Herausforderungen lägen laut DGNB vor allem im Aufwand für die Datenbeschaffung im Unternehmen und den damit verbundenen Kosten sowie der Verfügbarkeit von Verifizierern, also EPD-prüfenden Personen.

Laut Hintergrundinformation ist die Beantragung von EPDs überwiegend durch Kundennachfrage aufgrund von Gebäudezertifizierungen sowie durch unternehmenseigene Klimazielen und Unternehmensstrategien motiviert. Die Hersteller nutzen die Ergebnisse auch häufig in ihrer Umweltkommunikation. Die EPDs würden zudem in vielen Fällen interne Produktverbesserungsprozesse anstoßen.

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Das DGNB-Dokument macht zudem deutlich, dass Unternehmen und Verbände bei EPD-Erstellung mittlerweile zunehmend auf automatisierte oder teilautomatisierte Werkzeuge setzen, teilweise integriert in Unternehmenssoftware (EPD-Tools). Das kann den Prozess deutlich beschleunigen und hilft Kosten zu senken.

„Insgesamt zeigt die Bestandsaufnahme, dass viele Marktakteure und qualitätssichernde Institutionen durch freiwillige Initiativen bereits gut vorbereitet sind und den Nutzen von EPDs erkennen“, fasst Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB, die Ergebnisse zusammen. „Flankierende politische Rahmenbedingungen wie in anderen Ländern sind jedoch auch hierzulande empfehlenswert.“

Dieser Text ist eine aktualisierte Überarbeitung des gleichnamigen BaustoffWissen-Beitrags von September 2014.

zuletzt editiert am 18. Februar 2025