RM Rudolf Müller
KNL-Systeme lassen sich auch in Schulen schnell und einfach nachrüsten.  Foto: WindowMaster

KNL-Systeme lassen sich auch in Schulen schnell und einfach nachrüsten.  Foto: WindowMaster

Bauelemente
19. Juli 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Raumlüftung: Was bedeutet KNL?

Die meisten Wohnungen werden bis heute auf „natürliche“ Weise mit Frischluft versorgt. Das heißt: Fenster per Hand öffnen und möglichst querlüften. Bei gewerblichen und öffentlichen Gebäuden, aber auch in vielen Energiesparhäusern findet man dagegen häufig mechanisch betriebene Lüftungsanlagen. Anders als bei der natürlichen Lüftung erfolgt der Luftaustausch hier mithilfe von Ventilatoren – bei geschlossenen Fenstern. Und dann gibt es noch die so genannte kontrollierte natürliche Lüftung (KNL). Unser Beitrag erklärt, was das ist.

Bei der natürlichen Lüftung gelangt Außenluft durch Öffnungen in der Gebäudehülle ins Hausinnere – und zwar ohne Einsatz von Technik. Stattdessen regeln die Hausbewohner den Luftaustauch manuell, indem sie einfach Fenster und/oder (Terrassen-)Türen öffnen. Manche Gebäude sind auch mit schmalen Lüftungsklappen – meist im Fensterbereich – ausgestattet. Andere haben größere Schächte, über die eine permanente Belüftung erfolgt.

Ein oft verwendetes Synonym für natürliche Lüftung ist der Begriff „freie Lüftung“. Bei älteren, ungedämmten Häusern ohne luftdichte Gebäudehülle findet diese auch kontinuierlich über undichte Stellen statt – zum Beispiel über Fugen oder Löcher zwischen Fenstern/Türen und Mauerwerk, im Bereich der Rollladenkästen oder in der Dachkonstruktion.

Natürliche Lüftung

Im Wohnbereich ist die nutzerabhängige natürliche Lüftung bis heute dominant. Foto: Pixabay

Im Wohnbereich ist die nutzerabhängige natürliche Lüftung bis heute dominant. Foto: Pixabay

Übrigens: Einfach „Luken“ öffnen, reicht allein oft gar nicht aus, um einen ausreichenden Luftaustausch zu gewährleisten. Damit die freie/natürliche Lüftung wirklich zufriedenstellend funktioniert, müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Wenn es draußen genauso warm oder kalt ist wie drinnen und zudem auch noch windstill, bewegen sich die Luftmassen kaum. Auch bei geöffneten Fenstern bedarf es gewisser Temperaturdifferenzen und/oder Druckunterschieden zwischen innen und außen, damit ein nennenswerter Luftaustausch tatsächlich stattfindet.

Soweit zur natürlichen Lüftung. Der Name ist vielleicht etwas irritierend, weil er suggeriert, hier geschehe etwas auf natürliche Weise, ganz ohne menschliches Zutun. Tatsächlich müssen wir ja aktiv werden und – möglichst mehrmals täglich – die Fenster öffnen. Der Faktor Mensch ist deshalb auch oft die Schwachstelle der natürlichen Lüftung. Viele Gebäudenutzer lüften nicht oft genug, um die für eine gesunde Innenraumluft notwendige Frischluftzufuhr sicherzustellen und damit auch die Gefahr von Schimmelpilzbildung abzuwehren.

Intelligente KNL-Systeme

Damit wären wir bei der kontrollierten natürlichen Lüftung (KNL). „Kontrolliert“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man beim Lüften nicht einfach darauf vertraut, dass der Mensch schon zum richtigen Zeitpunkt und in ausreichender Häufigkeit tätig wird. Stattdessen wird das Öffnen und Schließen der Fenster oder sonstiger Lüftungsvorrichtungen mithilfe mechanischer Antriebe automatisiert. Dabei entscheidet die KNL auf Grundlage zuvor gemessener Umgebungsdaten selbstständig, wann und wie weit Luken geöffnet oder verschlossen werden.

Moderne KNL-Systeme arbeiten in der Regel mit intelligenten Sensoren, die in der Lage sind, die Qualität der Innenraumluft zu messen (Lufttemperatur/-feuchtigkeit, CO2-Gehalt). Auf Grundlage dieser Daten entscheiden die Systeme, wann es Zeit ist, die Fenster per integriertem Elektromotor zu öffnen. So ist jederzeit ein ausreichender Luftaustausch sichergestellt, unabhängig davon, ob der Mensch daran denkt oder nicht. Oft verarbeiten die Systeme auch externe Wetterdaten wie Wind, Regen und natürlich die Außentemperaturen. Automatische Fenster mit Regensensor schließen von selbst, wenn draußen ein Schauer einsetzt.

KNL bedeutet also nutzerunabhängige Lüftung mithilfe „intelligenter“ Sensoren und automatisierter Öffnungstechnik. Anders als bei den klassischen mechanischen Lüftungsanlagen kommen dabei aber keine Ventilatoren zum Einsatz. Deshalb verbrauchen KNL-Systeme in der Regel auch deutlich weniger Strom. Auch die Anschaffungs- und Wartungskosten sind in der Regel geringer als bei „echten“ raumlufttechnischen Anlagen.

Bei KNL ist nur das Öffnen und Verschließen der Lüftungsluken selbst automatisiert, die Luftströmungen selbst werden dagegen nicht technisch beeinflusst. Kein Ventilator saugt Luft an oder ab. „Bei der KNL entstehen die notwendigen Luftströme allein durch Temperatur- und Druckunterschiede zwischen Innen- und Außenluft sowie durch den natürlichen Wind“, schreibt Erik Boyter, CEO des Unternehmens WindowMaster in seinem Ende Mai erschienenen Fachbeitrag „Viel Luft nach oben“. Trotz aller technischen Kontrolle handelt es sich bei KNL eben weiterhin um eine natürliche Form der Lüftung.

Hybride Lüftungskonzepte

Die Grafiken zeigen zwei Varianten der hybriden Lüftung.  Grafiken: WindowMaster

Die Grafiken zeigen zwei Varianten der hybriden Lüftung.  Grafiken: WindowMaster

Hierzulande sind KNL-Lösungen allerdings noch relativ unbekannt. „In der öffentlichen Diskussion in Deutschland findet die kontrollierte natürliche Fensterlüftung, gerade im Vergleich zu vielen nordeuropäischen Ländern, kaum Beachtung – obwohl sie erhebliche Vorteile birgt“, urteilt CEO Erik Boyter. Der Mann muss es wissen, denn sein Unternehmen ist Experte für intelligente Fensterantriebe und Sensoren, wie sie bei der KNL zum Einsatz kommen, und WindowMaster vertreibt diese Produkte auch in Deutschland.

„Systeme zur kontrollierten natürlichen Lüftung können vielerorts problemlos, schnell und günstig nachgerüstet werden und stehen insbesondere deutschen Schulen quasi ad-hoc zur Verfügung, um für den nächsten Pandemiewinter gerüstet zu sein“, betont Boyter im oben bereits erwähnten Fachbeitrag. Der CEO räumt zugleich ein, dass KNL als alleinige Lösung nicht überall funktioniere. Manchmal sei aufgrund der Raumgröße oder baulicher Gegebenheiten eine zusätzliche mechanische Lüftung mit Ventilator unumgänglich.

Werden KNL und mechanische (Ventilator-)Systeme miteinander kombiniert, spricht man von einem hybriden Lüftungskonzept. Dabei werden die energieintensiven Abluftventilatoren nur in Momenten hinzugeschaltet, wenn die Umgebungsbedingungen keinen ausreichenden natürlichen Luftstrom zulassen oder wenn es draußen zu kalt/heiß oder zu regnerisch ist. „Hybride Systeme können dabei sowohl im natürlichen als auch im mechanischen Lüftungsmodus denselben Luftstromweg nutzen – beispielsweise einen Ventilator in einem Schacht“, konkretisiert Erik Boyter.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

Steildach-Belüftung: Funktion von First- und Gratrollen

Um Feuchtigkeitsschäden vorzubeugen, müssen Steildächer belüftet werden. Eine freie Luftzirkulation ist aber nur gewährleistet, wenn die Luft, die an der...

mehr »
BW+
 

Fraunhofer entwickelt EE-Modulfassade

Zwei Fraunhofer-Institute forschen derzeit an einer so genannten Erneuerbare-Energien-Modulfassade. Das Besondere: In dem entwickelten Demonstrator-Modul sind eine Photovoltaikanlage, eine Wärmepumpe...

mehr »
 

Fensterlüfter: Wärmetauscher oder Wärmeregenerator?

In wärmegedämmten Gebäuden ohne zentrales Lüftungssystem kommen heute immer häufiger dezentrale Fensterlüfter mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Um die thermische Energie...

mehr »
Nach oben
nach oben