
Je geringer der Primärenergiebedarf, umso umweltfreundlicher ist ein Gebäude. Grafik: Pixabay
Was ist der Primärenergiebedarf bei Gebäuden?
Bis 2050 soll der Primärenergiebedarf von Gebäuden um 80 % gegenüber 2008 sinken. So steht es zumindest im Klimaschutzplan der Bundesregierung. Und auch die Energieeinsparverordnung schreibt bei Neubauten einen Jahres-Primärenergiebedarf vor, den die jeweiligen Gebäude nicht überschreiten dürfen. Doch was bedeutet eigentlich Primärenergiebedarf?
Wer in Deutschland neu baut, dem schreibt die Energieeinsparverordnung (EnEV) einen maximalen jährlichen Energiebedarf vor, den die Immobilie nicht überschreiten darf. Dieser wird als Jahres-Primärenergiebedarf bezeichnet und in Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) angegeben. Die Kilowattstunde ist die übliche Einheit zur Messung sowohl des Strom- als auch des Heizwärmeverbrauchs. Zur Veranschaulichung: Eine Kilowattstunde entspricht etwa der Energie, die verbraucht wird, wenn man 50 Stunden mit einem 20 Watt starken Laptop arbeitet oder wenn ein Staubsauger mit 2.400 Watt Leistung 25 Minuten läuft.
Um welche Energie geht es?
Beim Primärenergiebedarf geht es nicht um alle Arten von Energie, die der Mensch in seinem Heim verbraucht. Wie viel Strom zum Beispiel für die Nutzung von Fernseher, PC und Stereoanlage oder für Kochaktivitäten durch die Leitungen fließt, bleibt selbstverständlich jedem Individuum selbst überlassen. Die EnEV schreibt lediglich einen maximalen Energieverbrauch für die Nutzung von Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung vor.
Natürlich kann dieser Maximalverbrauch nicht für alle Gebäude gleich hoch sein. Ein kleines Einfamilienhaus benötigt logischerweise weniger Energie als eine großzügige Villa. Die EnEV berücksichtigt das, indem sie so genannte Referenzgebäude definiert. Das sind virtuelle Gebäudestandards, die sich durch Kenngrößen wie Geometrie, Nutzfläche und Ausrichtung unterscheiden. Wer einen Neubau plant oder ein Bestandsgebäude umfangreich saniert, der sucht am besten zunächst in der EnEV nach dem passenden Referenzgebäude. Mit dessen Hilfe kann er dann den Jahres-Primärenergiebedarf für seine künftige Immobilie berechnen. Das dazugehörige Rechenverfahren wird in der Verordnung genau beschrieben.
Der Jahres-Primärenergiebedarf eines Gebäudes ist aber nicht mit dem tatsächlichen Energieverbrauch für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung zu verwechseln. Wer auch im Sommer stets die Heizung aufdreht, benötigt natürlich viel mehr Energie. Der Primärenergiebedarf ist nur eine Rechengröße, an die sich Planer und Architekten aber verbindlich zu halten haben. Das heißt: Sie müssen Neubauten oder Modernisierungen so planen, dass der rechnerisch ermittelte Primärenergiebedarf voraussichtlich nicht überschritten wird. Das geht in der Regel nur, wenn ausreichend gedämmt wird und/oder eine zeitgemäße Anlagentechnik für Heizung, Lüftung und Kühlung zum Einsatz kommt.
Primärenergie und Endenergie

Große Teile der Primärenergie stehen für den Endenergieverbrauch gar nicht mehr zur Verfügung.
Warum aber heißt es überhaupt „Primärenergiebedarf“ des Gebäudes und nicht einfach Energiebedarf? Unter Primärenergie versteht man die gesamte Energie, die notwendig ist, damit der Endenergiebedarf des Hauses gedeckt werden kann. Der Endenergiebedarf ist die Menge Energie, die für Heizung, Warmwasseraufbereitung, Kühlung und Lüftung im Gebäude notwendig ist.
Damit diese Endenergie aber überhaupt zur Verfügung steht, sind viele vorgelagerte Prozesse notwendig. Fossile Energieträger wie Erdöl, Erdgas oder Kohle müssen zum Beispiel zunächst aufwändig gewonnen und oft umgewandelt werden. Sie werden ferner gespeichert und transportiert. Alle diese Prozesse verbrauchen Energie, und außerdem geht oft viel Energie ungenutzt verloren, bevor die Endenergie fürs Haus zur Verfügung steht. Deshalb ist die zur Deckung des Endenergiebedarfs von Gebäuden benötigte Primärenergiemenge oft viel größer als der eigentliche Endenergiebedarf.
Ganzheitliche Kenngröße
Der Gesetzgeber hat sich in der EnEV bewusst dafür entschieden, Hausbesitzern einen maximalen Primärenergiebedarf vorzuschreiben und eben nicht einen maximalen Endenergiebedarf. Der Grund dafür: Der Primärenergiebedarf ist einfach die „ehrlichere“ Kenngröße, wenn es um eine ganzheitliche Ermittlung des Energieverbrauchs und damit auch um die CO2-Bilanz der Energieversorgung geht. Er beziffert nicht nur die Energiemenge, die im Gebäude voraussichtlich verbraucht wird, sondern erfasst auch den Energiebedarf zur Herstellung, Lagerung und zum Transport der verwendeten Brennstoffe.
Man muss sich klar machen: Der Endenergiebedarf eines Gebäudes bleibt stets konstant, ganz egal welchen Energieträger man einsetzt, um ihn zu decken. Dagegen macht es für den Primärenergiebedarf einen Riesenunterschied, ob eine Heizung mit Strom aus einem Kraftwerk, mit Erdgas oder zum Beispiel mit Solarthermie-Modulen betrieben wird. In Stromkraftwerken geht sehr viel Primärenergie verloren. Auch bei der Erdgasgewinnung und -bereitstellung ist der Schwund relativ hoch. Gewinnt man die Wärme dagegen aus Sonnenenergie, spielt das Thema Primärenergieverluste praktisch keine Rolle.
Primärenergiefaktoren
Um den Jahres-Primärenergiebedarf in Abhängigkeit von den im Gebäude eingesetzten Energieträgern einfach berechnen zu können, sieht die EnEV unterschiedliche Primärenergiefaktoren vor. Bei der Verwendung von Erdgas muss man den Endenergiebedarf zum Beispiel mit dem Faktor 1,1 multiplizieren. Dient Holz als Energiequelle, dann genügt der deutlich geringere Faktor 0,2. Für Strom aus nicht erneuerbaren Quellen ist der Primärenergiefaktor mit 1,8 besonders hoch, bei Strom aus erneuerbaren Energien wiederum kann man den Faktor Null verwenden. Man sieht: Durch den Einsatz erneuerbarer Energiequellen lässt sich der rechnerische Primärenergiebedarf für ein Gebäude stark minimieren. Für Hausbesitzer ist die Energieträgerwahl also eine Möglichkeit, um die EnEV-Auflagen zu erfüllen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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