
Verarbeitung einer Bitumen-Schweißbahn auf dem Flachdach.
Foto: Bauder
Flachdachabdichtung I: Bitumenbahnen
Das aus Erdöl gewonnene Bindemittel Bitumen kennt man insbesondere aus dem Straßenbau: Asphalt besteht aus Gesteinskörnungen, die mithilfe des stark klebenden Bitumens zu einem dichten, wasserundurchlässigen Material für die Fahrbahndecke verbunden werden. Doch auch bei der Abdichtung von Flachdächern spielt Bitumen traditionell eine große Rolle.
Die klassischen Bitumenbahnen für die Dachabdichtung bestehen allerdings nicht ausschließlich aus Bitumen. Der bei der Erdölproduktion als Rückstand anfallende Stoff bildet nur die Deckschichten auf beiden Seiten der Dachbahnen. Dazwischen befindet sich eine so genannte Trägereinlage. Dabei handelt es sich in der Regel um ein gewebeartiges Material, das meist aus Polyester, Glas oder Jute hergestellt wird.
Trägereinlage mit Deckschichten
Die Trägereinlage hat großen Einfluss auf die Stabilität und die Elastizität der Bitumenbahn. Flachdachabdichtungen müssen elastisch sein, damit sie durch Bewegungen in der Dachkonstruktion nicht beschädigt werden. Solche Bewegungen sind unvermeidlich, weil es auf Flachdächern je nach Wetterlage sowie im Tag-/Nachtrhythmus immer wieder zu extremen Temperaturunterschieden kommt. An warmen Sommertagen kann sich die Dachoberfläche durchaus auch mal auf 80 C° aufheizen.
Und warum verwendet man nun ausgerechnet Bitumen für die Deckschichten der Trägereinlage? Vor allem, weil es wasserdicht und gut zu verarbeiten ist. Heißes, flüssiges Bitumen lässt sich bei der Herstellung der Dachbahnen problemlos zum Beschichten des Trägergewebes einsetzen und hat zudem den Vorteil, dass es danach schnell erstarrt und fortan für Flüssigkeiten undurchlässig bleibt. Man kann auch sagen: Die Trägereinlage wird durch die beidseitige Umhüllung mit Bitumen imprägniert. Das ist wichtig, denn es ist ja eine Hauptaufgabe von Flachdachabdichtungen, dafür zu sorgen, dass kein Niederschlagswasser in den Dachaufbau eindringt.
Die obere Deckschicht wird in der Regel noch mit mineralischen Gesteinskörnungen bestreut, die man bei der Herstellung auf das noch nicht getrocknete Bitumen gibt, sodass sie an der Oberfläche festkleben. Diese Materialien – z. B. Schiefersplitt – bilden eine weitere Schutzschicht für die Bahn, dienen aber auch optischen Zwecken. Je nach Art der Gesteinskörnung sind so Bitumenbahnen in unterschiedlichen Farben möglich, nicht nur in Schwarz.
Vorteile von Bitumenbahnen

Grafik: vdd
Neben seiner Wasserundurchlässigkeit und Elastizität hat der Verbundstoff aus Trägereinlage und Bitumen noch weitere Vorteile. Bitumenbahnen sind formstabil und langlebig sowie widerstandsfähig gegen viele aggressive Substanzen – etwa gegen Säuren, Laugen und Salze. Außerdem lassen sie sich problemlos mehrlagig verlegen. Letzteres ist zumindest auf höher beanspruchten Flachdächern der Standard. Um eine sichere Abdichtung zu garantieren, werden die Bahnen zwei- oder sogar dreilagig mit einer großzügigen Naht- und Stoßüberdeckung verlegt und vollflächig miteinander verschweißt beziehungsweise verklebt. Diese Art der Verarbeitung hat zudem den Vorteil, dass sich beschädigte Bahnen leicht reparieren lassen. Löcher lassen sich relativ unkompliziert mit Flicken aus neuem Bitumenbahnmaterial „stopfen“.
Einsatz von Polymerbitumen
Doch das Bindemittel Bitumen hat zumindest auch einen großen Nachteil: Es schmilzt bei hohen Temperaturen. Was für die Verarbeitung von Vorteil ist, kann im eingebauten Zustand zum Problem werden. Man denke nur an Asphalt-Fahrbahnen, die in heißen Sommern spürbar rutschiger werden oder sogar tatsächlich zu schmelzen beginnen. Damit dieses Problem bei Flachdachabdichtungen nicht auftritt, hat die Baustoffindustrie spezielle Bitumenbahnen entwickelt, bei denen die Deckschichten aus so genanntem Polymerbitumen bestehen.
Bei Polymerbitumen handelt es sich um Bitumen, das durch die Zugabe von Kunststoffen (Polymere) modifiziert wurde und dadurch unter anderem weniger temperaturempfindlich ist. Bei den so genannten Elastomerbitumenbahnen (PYE) mischt man dem Bitumen bis zu 20 Prozent Elastomere bei. Das macht sie widerstandsfähiger bei Hitze, aber auch bei großer Kälte. Außerdem werden die Bahnen so noch elastischer, denn Elastomere haben gummiartige Eigenschaften. Noch widerstandsfähiger – selbst gegen lang andauernde, große Hitzeeinwirkung – sind die so genannten Plastomerbitumenbahnen (PYP). Hier wird das Bitumen durch Thermoplaste modifiziert. Der Anteil kann bis zu 40 Prozent betragen. PYP-Bahnen sind formstabiler, dafür aber weniger elastisch als die PYE-Variante. Sie sind allerdings nicht ganz so beständig bei Kälteeinwirkung. Plastomerbitumen wird daher weniger in unseren Breitengraden, sondern mehr in heißeren Ländern verwendet.
Polymerbitumenbahnen sind heute bei der oberen Lage der Flachdachabdichtung Standard. Für die darunter liegenden Lagen verwendet man aber durchaus auch nach wie vor einfachere Bitumenbahnen, die nicht mit Polymeren modifiziert wurden. Neben reinen Bitumen- und Polymerbitumenbahnen findet man heutzutage auf dem Flachdach auch häufig reine Kunststoffbahnen. Zu diesem Thema findet ihr hier einen eigenen Beitrag.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
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