
Einlagige Verlegung: Kunststoffdachbahnen auf dem Flachdach.
Fotos: Wolfin Bautechnik
Flachdachabdichtung II: Kunststoffbahnen
Moderne Kunststoffbahnen sind eine wirtschaftliche Alternative zu Bitumenbahnen. Sie werden einlagig und häufig lose – also ohne Verklebung – verlegt und sorgen dennoch für eine sichere Flachdachabdichtung.
Die Welt der Kunststoffe ist bekanntlich vielfältig, und auch Dachabdichtungen aus Kunststoff gibt es in zahlreichen Varianten. Hergestellt werden sie seit Anfang der 1950er-Jahre, wobei die erste Generation dieser Abdichtungen aus Polyvinylchlorid (PVC) gefertigt wurde – ein Kunststoff aus der Gruppe der Thermoplaste. Dafür musste das Material allerdings mit Weichmachern versetzt werden (PVC-P), da normales Hart-PVC nicht elastisch genug für Dachbahnen wäre.
Von PVC bis FPO
Neben den PVC-Produkten kamen in der Folge viele weitere Dachdichtungsbahnen auf den Markt, die aus anderen thermoplastischen Kunststoffen hergestellt werden. Schon Mitte der 1950er-Jahre wurden PIB-Bahnen eingeführt, in den 60ern folgten Abdichtungen aus ECB, in den 70ern solche aus EVA. In den 1980er-Jahren wurde das Sortiment unter anderem um TPE-Bahnen ergänzt, und seit den 90ern gibt es die besonders flexiblen Produkte aus FPO.
Natürlich zeichnen sich all diese Kunststoffe durch besondere Eigenschaften aus. Es würde aber zu weit führen, darauf detailliert einzugehen. Wir verzichten auch bewusst darauf, all die chemischen Abkürzungen (PIB, EVA, FPO, …) näher zu erläutern. Nur das Material ECB betrachten wir an dieser Stelle etwas genauer, weil es sich von den anderen thermoplastischen Kunststoffen in einem Punkt deutlich unterscheidet. ECB steht für Ethylen-Copolymer-Bitumen. Es handelt sich also gar nicht um einen reinen Kunststoff. Stattdessen ist ECB eine Mischung aus dem Thermoplast Polyethylen (PE) und aus Bitumen – also dem Material, aus dem die andere große Sortimentsgruppe der Flachdachabdichtungen besteht. Die beigemischten Bitumenteilchen übernehmen dabei übrigens die Funktion eines Weichmachers, der das Material elastischer werden lässt.
Apropos Elastizität: Seit den 1960er-Jahren gibt es nicht nur Dichtungsbahnen aus thermoplastischen Kunststoffen, sondern auch solche aus Elastomeren, also aus synthetischem Kautschuk. Vor allem die Produkte aus EPDM haben sich hier durchgesetzt. Solche Kautschukbahnen haben viele Vorteile. Sie enthalten zum Beispiel keine Weichmacher, bleiben auch bei extremen Temperaturunterschieden dauerhaft elastisch und haben eine lange Lebensdauer. Außerdem vertragen sich Elastomerbahnen gut mit Bitumen. Deshalb kann man sie bei der Sanierung von Bestandsdächern problemlos auch auf alten Bitumenbahnen verlegen.
Eigenschaften von Kunststoffbahnen

Dünn aber zugfest: Die Bahnen werden als Rollenware geliefert.
Der Industrieverband Kunststoff-Dach- und Dichtungsbahnen (DUD) weist darauf hin, dass sich Kunststoffbahnen durch eine hohe Zugfestigkeit bei gleichzeitiger Flexibilität und hohem Dehnvermögen auszeichnen. Die Materialien sind also relativ elastisch und bruchsicher, zugleich aber auch sehr zäh. Zugleich sind sie widerstandsfähig gegen aggressive Medien wie saurer Regen, Mineralöle und Fettsäuren, aber auch gegen das UV-Licht der Sonne. Außerdem sind Kunststoffbahnen sehr temperaturbeständig – sowohl bei Kälte als auch bei großer Hitze. Selbst Temperaturen bis 150 °C meistern sie laut DUD problemlos.
Übrigens enthalten die Abdichtungen genauso wie Bitumenbahnen meist eine Trägereinlage – zum Beispiel Glas- und Kunststoffgitter oder -vliese. Daneben gibt es aber auch Kunststoffdachbahnen ganz ohne Trägereinlage – also aus 100 Prozent homogenem Material.
Wirtschaftliche Verarbeitung

Handarbeit: Heißluftverschweißung an den Nahtüberdeckungen.
Ein großer Unterschied zu den Bitumenbahnen besteht darin, dass Kunststoffbahnen fürs Dach nicht mehrlagig verlegt werden müssen. Es genügt der einfache Querschnitt der Bahnen, um das Dachschichtenpaket sicher vor Wassereintritt zu schützen. Dadurch spart man Zeit und Material. Außerdem lastet so weniger Gewicht auf der Dachfläche. Kunststoffabdichtungen werden als praktische Rollenware geliefert und sind in verschiedenen Stärken erhältlich: Das Spektrum reicht von 1,2 mm bis hin zu 3 mm Dicke.
Kunststoffbahnen werden ferner – anders als Bitumenbahnen – nicht vollflächig miteinander verschweißt oder verklebt. Häufig werden sie einfach lose auf einer schützenden Kunststoffvlies-Unterlage verlegt und anschließend nur mit einigen mechanischen Befestigungsmitteln (zum Beispiel Dübeln) fixiert. Möglich ist auch die Sicherung durch Auflasten (zum Beispiel Gesteinskörnungen) beziehungsweise durch punktuelle oder streifenförmige Verklebungen. Nur im Bereich der Nahtüberdeckungen werden die Bahnen untereinander verschweißt. Anders als bei Bitumen-Schweißbahnen kommen aber keine Propangasbrenner zum Einsatz. Stattdessen verwendet man Schweißtechniken ohne offene Flamme. In der Regel wird mit dem Heißluftfön oder mit Quellschweißmitteln gearbeitet. Dadurch sinkt das Brandrisiko durch Dacharbeiten. Die lose Verlegung hat auch Vorteile beim späteren Rückbau des Daches. Kunststoffdachbahnen lassen sich sortenrein ausbauen und dadurch leichter wieder recyceln.
Übrigens gibt es mittlerweile auch so genannte Kaltselbstklebebahnen aus Kunststoff. Diese zeichnen sich durch eine bereits werkseitig aufgebrachte Klebemasse an der Bahnunterseite aus. Beim Verlegen muss der Verarbeiter nur noch eine Schutzfolie abziehen und kann die Bahn dann einfach auf dem Untergrund andrücken. Die Kaltselbstklebe-Technik ist aber kein Alleinstellungsmerkmal von Kunststoffbahnen. Auch im Bereich der Bitumenbahnen gibt es heute entsprechende Produktsysteme.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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